30 Jahre Grenzöffnung: Gegen das Vergessen
Berührender und interessanter Abend in Hetschbach
Hetschbach. Unter diesem Motto stand die Veranstaltung, zu der Veilsdorfs Bürgermeister Herbert Hess gemeinsam mit dem Feuerwehr- und Tatschenverein ab 17 Uhr in das Gemeindezentrum „Alte Schule“ in Hetschbach eingeladen hatte. Es war ein Abend der Erinnerung und gegen das Vergessen mit anschließenden zwanglosen Gesprächen mit Gästen und Einwohnern.
In seinem ca. einstündigen Vortrag über den Grenzabschnitt zwischen Eisfeld und Hetschbach erörterte Heiko Haine, Museumsleiter aus Eisfeld, mit viel Bildmaterial vom ehemaligen Grenzübergang Eisfeld-Rottenbach und dem dazugehörigen Grenzabschnitt, dem detaillierten Aufbau der Grenzanlage, Geschichten über die schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung im Sperrgebiet bis zur Grenzöffnung in Eisfeld.
Nach einer kurzen Pause, in der der Feuerwehr- und Tatschenverein Hetschbach sich um das leibliche Wohl der über 100 Gäste kümmerte, schloss Enrico Höhlein, der schon seit einigen Jahren die Grenzgeschichte von Hetschbach aufarbeitet, in seinem ca. 2,5-stündigen Vortrag lückenlos an seinen Vorredner an. Durch die mittlerweile beachtliche Bild- und Videosammlung über das Dorf wurden in gemütlicher Runde die ein oder andere freudige Erinnerung, aber auch nicht verheilten Wunden aus dieser Zeit besprochen.
Hetschbach, als kleinster Ortsteil der Gemeinde Veilsdorf, lag bis 1990 im 500 Meterstreifen des Sperrgebietes. Was der 9. November 1990 für die Menschen in der DDR bedeutete, ist heute leider schon etwas in Vergessenheit geraten. Zum einen zeigt es, das beide Seiten Deutschlands zusammen gewachsen sind. Die Barrieren in den Köpfen der Menschen sind fast verschwunden. Die Begriffe Ost und West stehen nicht mehr so prägnant im Mittelpunkt. Wir sind eins geworden – Deutschland einig Vaterland.
Wenn heute die Berufspendler täglich auf der Strecke Veilsdorf-Rodach den ehemaligen Grenzstreifen überqueren, denkt keiner mehr daran, das bis 1990 hier ein fast nicht zu überwindendes Bollwerk fanatischen Wahnsinns stand, das hier eine Regierung mit Waffengewalt ihr Landsleute einsperrte. Dieser kalte Streckmetallzaun, der bis in die 80er Jahre mit Minenfeld und Selbstschussanlage ausgestattet war, trennte Familien, Freunde und über Jahrhunderte gewachsene Verbindungen. Keiner denkt mehr an die zahlreichen Toten und die jahrelang Inhaftierten, die beim Fluchtversuch erwischt worden sind.
Auch an die Dörfer im Landkreis Hildburghausen, die für immer verschwunden sind – Billmuthausen, Erlebach, Leitenhausen und auch unser Nachbardorf Massenhausen mit seinem alten Rittergut und seinem weit über unsere Grenzen hinaus bekanntes Gestüt, war schon fast verschwunden, abgerissen, gesprengt, ausradiert. Menschen vertrieben, umgesiedelt. Und das alles nur, weil sie zu nah am Grenzzaun wohnten und nicht in den perfiden Plan des DDR-Regimes passten.
Nein, heute kann man die ca. 500 Meter Richtung Heldritt problemlos entlang fahren. Es ist eine Straße, eingefasst mit Bäumen, die das grüne Band Deutschlands kreuzt. Hier wächst wieder zusammen, was zusammen gehört. Hier sind die Wunden der Vergangenheit fast verheilt. Freundschaften in den Nachbardörfern gehören genau wie der Stammtisch am Montagabend zum Alltag. Genau wie es früher vor der Grenzschließung schon einmal war.
Zum anderen ist es wichtig, diese Zeit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, es ist ein Stück deutsche Geschichte. Es ist wichtig, die Jugend dafür zu sensibilisieren, das sie verstehen, das Freiheit nicht immer selbstverständlich war.
Geschichte lebt in den Menschen weiter, doch die Zeitzeugen werden immer weniger und mit ihnen verschwinden auch die Geschichten, Erinnerungen, Bilder und Videos aus dieser Zeit.
Enrico Höhlein
Fotos: Enrico Höhlein