Getötete Kitze bei der Mai / Juni-Mahd
Leserbrief. Heute möchte ich zum Thema Tierschutz von einer Begebenheit vor drei Wochen berichten, die meiner Meinung nach dringend an die Öffentlichkeit gehört.
Unser Wohnort Massenhausen, Nähe Eishausen, im Landkreis Hildburghausen, ist umgeben von Wiesen, die von der Agrar GmbH Streufdorf genutzt werden. Im Herbst grasen die Rinderherden hier und im Sommer werden sie gemäht und der Ertrag zu Futter verarbeitet.
Meine Familie und ich hatten am Montag, dem 13. Mai während eines Spaziergangs entlang der Wiese am Ortsausgang Richtung Lempertshausen ein Rehkitz im hohen Gras gesehen, schon relativ groß. Es duckte sich weg, als es uns sah, wie es der Instinkt der Kitze vorsieht, um unbemerkt zu bleiben. Wir machten um das Tier einen großen Bogen, damit es sich nicht bedroht fühlte.
Zwei Tage später, auf einem erneuten Hundespaziergang sahen wir die großen Traktoren mit ihren Mähwerken, wie sie dabei waren, die Wiesen zu mähen. Mein Sohn und ich machten uns auf in die Richtung des Kitzes, um es von dort zu vertreiben. Wir sahen die vielen Kuhlen, die es erzeugt hatte durch sein Liegen, weggeduckt im tiefen Gras und plötzlich sprang es hinter uns auf und lief weg. Wir waren erleichtert, hofften, es würde in den Wald laufen und nicht wiederkehren oder sich woanders niederlegen.
Ich hielt es dennoch für sinnvoll, den Fahrer des Traktors über die Existenz des Tieres zu informieren. Netterweise fuhr er mit mir an die Stelle und wir kämmten dort bei den Liegestellen nochmal zu zweit alles durch. Er meinte, mehr könne er jetzt nicht tun. Normalerweise wäre das Aufgabe der Jagdpächter, vor der Mahd eines solchen Wiesenstücks die Flächen zu durchstreifen. Manchmal, wenn er eines rechtzeitig sehen würde, könnte er es wegfangen.
Am nächsten Tag traf ich einen Bekannten. Er sagte sarkastisch, man hätte wohl am Vortag bei uns wieder Kitze gehäckselt. Bei der Ausdrucksweise musste ich doch zunächst schlucken, aber die Erklärung folgte auf dem Fuße. Denn auch er bestätigte, daß üblicherweise die Jagdpächter durch die Wiesen streifen vor dem Mähen, um Pfosten mit angehängten Tüten aufzustellen, die im Wind wehen mit dem Ziel, dass die Reh-Mütter sich sorgen und die Kitze wegholen. Bei uns würde man das aber anscheinend nicht für nötig erachten. Dass der Zeitpunkt des Mähens der Jägerschaft nicht bekannt war ist nicht möglich, denn einer der Heuwagen wurde von einem Jagdpächter gefahren (!).
In banger Hoffnung, dem Kitz das Leben gerettet zu haben vergingen zwei Tage, als mir mein Hund – wiederum bei einem Spaziergang – ein sauber abgetrenntes Rehbein präsentierte. Da stiegen mir die Tränen in die Augen. Ein befreundeter Förster hielt es für möglich, dass das Tier sich noch lange mit der Verletzung herumgeschleppt hat.
Ich sitze hier an meinem Computer und finde dafür keine Worte. Jedem, dem ich davon erzähle, ist bekannt, dass die Kitze vorher verscheucht werden. Gerade bei uns am Grünen Band, wo die Natur noch so unberührt und voller Wild ist, wo man noch nicht viel merkt von Insektensterben, wo ich Vogelarten sehe, die sonst auf der roten Liste stehen, wo große Landschaftsbereiche unter Naturschutz stehen, wo mir Dachse auf dem Heimweg über den Weg laufen und die Welt noch so in Ordnung scheint, gerade hier kann man sich vorstellen, wieviele Rehe ihre Kitze in den großen Wiesen ablegen, wo sie wochenlang ungestört aufwachsen können.
Und gerade hier geht man mit diesem Leben so nachlässig und missachtend um. Ich weiß nicht, welche Gründe es dafür gibt, die zuvor genannten Vorsichtsmaßnahmen nicht umzusetzen, sie können in meinen Augen aber unmöglich in Punkto Wichtigkeit über dem Leben der Tiere stehen. Das hier ist ein großes Trauerspiel.
Anja Schöpke – Schmuck
Massenhausen
Titelbild: Das abgetrennte Rehbein, das der Hund von Anja Schöpke beim Spaziergang fand. Foto: Privat
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