Kristin Floßmann, die CDU und die AfD
Leserbrief. Seit Tagen schauen sie wieder grinsend, lächelnd oder ernst und staatstragend von den Wahlplakaten auf das Wahlvolk herunter, ungefragt und unwillkommen wie die wöchentlichen Werbebeilagen und lästig wie unbestellte Telefonanrufe, die Kandidaten für den am 27. Oktober 2019 neu zu wählenden 7. Thüringer Landtag.
Nach dem Motto „viel hilft viel“ verunstalten sie unsere schöne Heimat an Strommasten, Hauswänden oder mannsgroßen Aufstellern, meist in den Eingangsbereichen oder an viel befahrenen Kreuzungen der Städte und Dörfer. Je größer die Plakate um so mehr bekommt man den Eindruck, dass es die darauf Abgebildeten auch sehr nötig hätten, so groß dargestellt zu werden. Es wäre ein von den Wählern positiv erkanntes Signal, wenn die plakatierenden Parteien öffentlich nachweisen würden, wieviel sie vom Geld, das sie für Wahlwerbung ausgeben wollten, für wohltätige Zwecke, beispielsweise für die Tafeln, Kindergärten, Spielplätze usw. spenden, anstatt für Plakate, Postwurfsendungen, Kugelschreiber und anderen Klimbim, den keiner braucht. Das wäre doch mal ein positiver Anfang, der von allen verstanden würde.
Welche Partei hat den Mumm, öffentlich bekanntzugeben, wie groß der Etat für den Wahlkampf ist und wieviel davon für karitative Zwecke überwiesen wurde? Und das bitte noch vor dem Wahltag am 27.Oktober 2019!!!
Aus der Physik kennen wir den Spruch „Wo viel Licht ist, ist auch Schatten“ und so kommen wir übergangslos zum Thema des Beitrages.
Am 26. Mai 2019 zieht die CDU mit 5 Sitzen nach den Kommunalwahlen in den Hildburghäuser Stadtrat ein, ebensoviele wie die AfD. Unter ihnen auch Kristin Floßmann, Landtagsabgeordnete der CDU und Frau des Kreisstadt-Bürgermeisters Holger Obst. Und was macht Frau Floßmann nach der Wahl? Sie sucht heimlich Kontakt mit der gleichstarken AfD-Fraktion für eine zukünftige Zusammenarbeit, was vonseiten der AfD freimütig bestätigt wurde.
Unter dem allgemeinen Rechtsruck nach den Landtagswahlen kommt aus der CDU-Parteizentrale aus Berlin folgende Meldung: „Die CDU-Spitze will der Partei künftig jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD verbieten. Präsidium und Bundesvorstand wollen dafür juristische Möglichkeiten prüfen.“ Präsidium und Bundesvorstand der CDU wollen „jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD“ ausschließen. In einem gefassten Beschluss heißt es, „alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten“ sollten genutzt werden, um das auf allen Parteiebenen durchzusetzen.“ Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hatte bereits betont, dass man dabei auch Juristen befragen werde. Es geht um die Frage möglicher Parteiausschlussverfahren. Die CDU hatte sich bereits zuvor auf einem Bundesparteitag ein Kooperationsverbot mit der AfD verordnet.
In dem aktuellen Beschluss verweist die Parteispitze der CDU auf einen Zusammenhang zwischen der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) und der Arbeit der rechtspopulistischen AfD. In dem Papier heißt es, „die Entfesselung extremer rechter Gewalt bis zu Rechtsterrorismus gedeiht in einem Umfeld rechten Hasses und rechter Hetze im Internet und in sozialen Medien“. Die CDU wirft den AfD-Mitgliedern und deren Parteispitze vor, sie hätten mit sprachlicher Propaganda den Weg zur Gewalt bereitet. Auslöser der neuen Debatte waren Äußerungen zweier CDU-Politiker in Sachsen-Anhalt und des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen (CDU). Sie hatten gesagt, dass man eine Zusammenarbeit mit der AfD in Zukunft nicht ausschließen dürfe. Daraufhin haben führende Politiker der Union vehement widersprochen. Darunter die Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer, der sächsische Ministerpräsident Kretschmer und der thüringische CDU-Chef Mike Mohring. CSU-Chef Markus Söder schloss sich an. Nach einer Vorstandssitzung seiner Partei sagte er, das von der AfD vertretene Menschenbild schließe eine Zusammenarbeit aus. Der bayerische Ministerpräsident warnte vor „schwerem Schaden für die gesamte Union“. Nach den Worten Söders ist bereits der „Kaffeeplausch in einem Kommunalparlament mit der AfD“ abzulehnen.“ Das sind klare Worte!
Auf dem evangelischen Kirchentag forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel mehr Engagement gegen Rechtsextremismus, ausgestrahlt in den „tagesthemen“ am 22. Juni 2019, um 23.15 Uhr.
Nach dem Lübcke-Mord formuliert Bundespräsident Walter Steinmeier am 23.Juni 2019, 21.17 Uhr im Fernsehen: „Alarmzeichen für unsere Demokratie“ Bundespräsident Steinmeier hat nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke appelliert, gegen Hass und Gewalt einzutreten. Wenn Kommunalpolitiker bedroht und angegriffen würden, dann sei das ein Alarmzeichen für unsere Demokratie. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach dem Mord an Kassels Regierungspräsident Walter Lübcke zum gemeinsamen Eintreten gegen Hass und Gewalt aufgerufen. Bei einem Empfang zum 100-jährigen Jubiläum des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge sagte er: „Wenn heute die Repräsentanten unserer Demokratie, allen voran die Ehrenamtlichen, wenn Bürgermeister und Kommunalpolitiker beschimpft, bedroht und tätlich angegriffen werden – dann ist das ein Alarmzeichen für unsere Demokratie.“ Man müsse zusammenstehen und denen den Rücken stärken, die sich für das Land engagierten. Steinmeier betonte: „Es muss uns beschämen und darf uns auch nicht ruhen lassen, dass wir Walter Lübcke nicht schützen konnten.“
Kramp-Karrenbauer erteilt in der tagesschau am 24.Juni 2019, 05.30 Uhr, eine eindeutige Absage an die AfD.
Der Mordfall Walter Lübcke ereignete sich am 2. Juni 2019 in Istha bei Kassel: Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) wurde vor seinem Wohnhaus mit einem Pistolenschuss aus nächster Nähe in den Kopf getötet. Als dringend tatverdächtig wurde am 15. Juni 2019 der hessische Rechtsextremist Stephan Ernst festgenommen. Am 25. Juni legte er ein Geständnis ab, das er am 2. Juli widerrief. Alle bisher genannten Zitate und Fakten sind öffentlich im Internet zugänglich.
Wohin es führen kann, wenn demokratische Kräfte nicht rechtzeitig und konsequent gegen rechtsextremistische Tendenzen auftreten, beweist uns ein geschichtlicher Rückblick ins Jahr 1930: Am 12. Juli 1930 erhält der damalige staatenlose Österreicher und NSDAP-Chef namens Adolf Hitler auf einem Gauparteitag in Gera unter Ausschluss der Öffentlichkeit seine Ernennung zum Gendarmeriekommisar in Hildburghausen. Damit wird Hitler quasi erst zum deutschen Staatsbürger und kann überhaupt gewählt werden. Was hat er hinterlassen? 60 Millionen Tote, zerstörte Städte, unendliches Leid…
Daher meine ich: Wehre den Anfängen! „Wehre den Anfängen“ ist keine Erfindung der Linken, die Rechte klauen könnten. Diese Aufforderung, die oft in der Form „Wehret den Anfängen!“ zitiert wird, geht auf das lateinische „Principiis obsta“ des römischen Dichters Ovid in seiner Schrift Remedia amoris (Heilmittel gegen die Liebe) zurück. Sie sollen dem unglücklichen Verliebten helfen, sich wieder zu entlieben. Wenn die Beziehung schon fortgeschritten ist, solle der Verliebte sich an der Geliebten übersättigen, um überhaupt therapierbar zu werden (aus Wikipedia).
Ob die CDU-Kandidatin für den 7. Thüringer Landtag Kristin Floßmann ihren Fehltritt schon eingesehen hat, darf bezweifelt werden. Beim Besuch des ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel in Ummerstadt (Freies Wort vom 14. September 2019) äußert sie: „Dass die AfD kein Koalitionspartner für die CDU darstellt heißt nicht, dass man die AfD-Wähler vor den Kopf stoßen soll.“
Wann wird denn die CDU-Parteispitze in Berlin und der thüringer CDU-Chef Mike Mohring endlich aufwachen und diese Abweichler ins Abseits stellen?
Ich denke mir, dass Friedrich Merz (der Mann, der die Steuererklärung auf dem Bierdeckel machen wollte), da schon rechtzeitig deutliche und harte Worte als Parteivorsitzender gesprochen und diese Abweichler zur Räson gebracht hätte, anstatt nur wischi-waschi-Formulierungen abzusondern.
Aber es wird langsam Zeit, dass sich die bisherigen sogenannten „Volksparteien“ Gedanken machen, warum sich viele Wähler von ihnen abwenden und diese Parteien so wie in anderen Ländern wie beispielsweise in Italien einmal sang- und klanglos untergehen werden. Der Aufstieg der Rechtspopulisten scheint unaufhaltsam. Man sollte sich wirklich Zeit nehmen, mit den Menschen zu reden, um ihre Sorgen und Nöte kennenzulernen anstatt sich immer wieder in Hinterzimmern lukrative sehr gut bezahlte Posten mit anschließender üppiger Pensionsberechtigung zuzuschachern und in regelmäßigen Abständen die „Diäten“ zu erhöhen.
Es geht mir einfach nicht in den Kopf, dass es ausgerechnet im Landkreis Hildburghausen einen so hohen Anteil an rechten Wählern gibt, da es den allermeisten Menschen doch relativ gut geht. Der Grund für den unaufhaltsamen Aufstieg der Nazis in den 1920/1930 Jahren hing doch ursächlich mit der hohen Arbeitslosigkeit in der damaligen Zeit zusammen. Heute ist unser Landkreis dank der offenen Grenze und Arbeitsmöglichkeiten im angrenzenden Bayern derjenige mit der geringsten Arbeitslosigkeit in Thüringen, ohne dass sich unsere Kreis- und Kommunalpolitiker darum einen großen Kopf machen müssen. Als nennenswerte Ausnahmen fallen mir hier spontan Günther Köhler aus Gleichamberg und Gerhard Berghold aus Ummerstadt ein, die in ihrer Zeit als Bürgermeister unter großem Kraft – und Zeitaufwand viele Investoren in die ausgewiesenen Gewerbegebiete gebracht und damit nachhaltig Arbeitsplätze im heimischen Territorium geschaffen haben.
Das schöne beschauliche Städtchen Themar kam durch die Rechtsrockkonzerte bundesweit in Verruf. Aber es scheint diesbezüglich eine „Götterdämmerung“ zu geben. Als Weckruf könnte man den Aufruf des „Bündnisses für Demokratie und Weltoffenheit“ werten. Dieses hatte für Samstag, den 14. September 2019, zu einer Protestaktion vor dem Gasthof „Zum Goldenen Löwe“ des Neonazis Tommy Frenk in Kloster Veßra aufgerufen. In Themar sollte, wie der Pressemitteilung zu entnehmen war, auf Einladung der NPD ein Rechtsrock-Konzert stattfinden, was aber abgesagt wurde.
Es wäre interessant zu erfahren, ob Kristin Floßmann dort auch mit erschienen ist und einen aufrüttelnden Redebeitrag gegen rechts gehalten hat.
Für mich persönlich ist Frau Floßmann aufgrund ihres bisherigen Verhaltens und Einstellung zur AfD nicht wählbar. Eine ehrliche Geste seitens Frau Floßmann wäre aufgrund der geschilderten Fakten ein Rücktritt von allen Parteiämtern der CDU. Dies forderte bereits das CDU-Mitglied Christian Sitter, Rechtsanwalt in Hildburghausen und Mitglied der Thüringer WerteUnion (CDU/CSU) in einem Pressebeitrag in der Südthüringer Rundschau vom 6. Juli 2019, Seite 6: „Floßmann muss zurücktreten. Frau Floßmann spielt mit dem Feuer.“ Aber keine öffentliche Reaktion darauf. Kristin Floßmann könnte auch gleich von der CDU in die AfD überwechseln, wenn sie das Wort Parteidisziplin nicht kennt und Beschlüsse der CDU-Parteispitze missachtet. Sie sollte es der damaligen Bischöfin und Vorsitzenden der EKD, Prof. Dr. Margot Käßmann gleichtun, die 2010 nach einem Straßenverkehrsdelikt kurz entschlossen und konsequent zurücktrat, was deren ohnehin schon vorhandenes öffentliches Ansehen noch weiter steigerte.
Zu klären wären auch noch die bis in die tiefste Provinz gestreuten Gerüchte, dass Frau Floßmann zusammen mit ihrem Ehemann Holger Obst nahe Erfurt ein Haus bauen lässt. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber wie will sie dann, fern des Wahlkreises, glaubwürdig die Interessen ihrer südthüringer Wähler vertreten, wenn sie gewählt würde? Sind das schon Absetzbewegungen? Auch hier wäre eine rechtzeitige und offene Klarstellung wünschenswert.
Letzte Frage, die mich heftig umtreibt: Warum bringt es die stolze CDU nicht fertig, Kandidaten ohne Fehl und Tadel und hoher öffentlicher Wertschätzung aufzustellen! Ich denke dabei an Dr. Ulrich Neundorf aus Heldburg und Dieter Treybig aus Rieth. Beide sind zwar Rentner, waren Gymnasiallehrer und Bankangestellter, aber dennoch nicht zu alt für ein solches Mandat. Schließlich wurde Konrad Adenauer auch erst mit 73 Jahren der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und regierte von 1949 bis 1963. Er gewann damals die Wahl mit nur 1 Stimme Mehrheit (seiner eigenen), aber gewonnen ist gewonnen.
Bruno Schubarth
Gellershausen
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