Ein Fels in der Brandung im Zeichen von Corona
Westhausen. Ein Projekt wird zum Fels in der Brandung. Als Idee vor einem Jahr von einigen belächelt – in der jetzigen Krisenzeit als wertvolle Einrichtung gefragt und gefeiert. Der Schul-Konsum in Westhausen, der vom Internatsdorf Haubinda im März 2019 eröffnet wurde, ist – angesichts Corona – noch mehr zum zentralen und wichtigsten Versorgungspunkt für die 600-Seelen-Gemeinde und die umliegenden Ortschaften geworden. In den vergangenen Wochen war der kleine Lebensmittelladen die große Anlaufstation. Nicht nur vor den Osterfeiertagen herrschte Hochbetrieb. Mit Hilfe zweier elektrisch betriebener Lastenfahrräder wurde der kundenfreundliche Betrieb mit einem zusätzlichen Lieferservice erweitert. Dabei gab es keine Engpässe – Toilettenpapier und Hefe waren immer zu bekommen.
Der Visionär Burkhard Werner, Schul- und Internatsleiter der Hermann Lietz Schule Haubinda, hatte die Idee, den Mut und letztendlich auch den Plan, den ehemaligen Lebensmittelladen in Westhausen mit neuem Leben zu erfüllen. Die Gemeinde als Eigentümerin des Gebäudes stellte dieses kostenlos zur Verfügung, die Schulhandwerker renovierten Laden und Lagerräume mit den Schülern. Mit Annett Schlemmer wurde eine erfahrene Fachverkäuferin von der Schule angestellt. Angesichts der großen Nachfrage und guten Umsätze kam mit Christiane Schild im Juli eine Teilzeitkraft als Verstärkung dazu.
Am 19. März 2019 öffnete der Schul-Konsum feierlich seine Türen, bietet seitdem den Bewohnern von Westhausen eine Einkaufsmöglichkeit nebst „Treffpunkt“ und den SchülerInnen einen „praxisnahen“ Unterricht. Das erfolgreiche Projekt wird auch vom Bundeskanzleramt und der LEADER-Initiative unterstützt.
Annett Schlemmer zieht nach einem arbeits- und erfolgreichen Jahr eine Bilanz im Interview mit Volker Kilgus.
Wie hat die Bevölkerung den Laden angenommen?
Annett Schlemmer: Sehr gut – und das vom ersten Tag an. Die Kunden kommen nicht nur aus Westhausen, sondern inzwischen auch aus den umliegenden Nachbarorten wie Gombertshausen und Schlechtshart. Die Nachfrage steigt stetig. Zu unserer Kundschaft zählen zudem auch viele Vereine mit Großbestellungen – speziell zur Grillsaison.
Wie wird der Schul-Konsum beliefert?
Annett Schlemmer: Wir haben zwei Bäcker, die uns täglich frisch beliefern. Der Fleischer liefert von Dienstag bis Samstag ebenfalls täglich frisch. Von EDEKA werden wir zudem Montag, Mittwoch und Donnerstag mit frischem Obst, Gemüse und Trockenware beliefert. Da wir ein großes Kühlhaus haben ist auch die Lagerung problemlos. Dies gilt auch für die Getränke, die wir aus Rohr beziehen. Und von der Gärtnerei Müller aus Heldburg bekommen wir Ware für die Friedhofsbepflanzung.
Wie setzt sich die Kundschaft zusammen?
Annett Schlemmer: Alle Altersgruppen sind vertreten. Vom Kindergarten über Schüler bis hin zu Senioren. Der Schulkonsum ist zudem ein beliebter Treffpunkt, wo Informationen ausgetauscht werden. Wir hatten hier schon Rentnerstammtisch und auch eine Baby-Krabbelgruppe, die sich regelmäßig traf.
Gibt es Stoßzeiten oder Tage, wo besonders viel los ist?
Annett Schlemmer: Der Samstag ist Wahnsinn. Da geben sich die Kunden die Klinke in die Hand. Wir haben viele telefonische Bestellungen, die dann am Wochenende abgeholt werden. Samstags bleibt keine Zeit zum Verschnaufen. Hier hilft sogar Burkhard Werner, der Chef persönlich, manchmal aus.
Wie sieht es mit der Preisgestaltung aus?
Annett Schlemmer: Wir haben stabile Preise, keineswegs teurer. Die Preise sind die gleichen wie normal bei Bäcker und Metzger. Außerdem bieten wir jede Woche Sonderangebote bei Gemüse, Fleisch und dem Trockensortiment an. Wir brauchen uns nicht verstecken, können und wollen mit den großen Supermarktketten aber auch nicht konkurrieren.
Was schätzen die Kunden am Schulkonsum?
Annett Schlemmer: In erster Linie den persönlichen Kontakt und die kurzen Wege. Wir versuchen auf die Bedürfnisse der Kunden individuell einzugehen. Dabei nehmen wir uns Zeit, beraten auch über Telefon, nehmen Bestellungen entgegen, liefern sogar die Ware aus. Zudem bieten wir einen Party-Service mit kalten Platten an, was sehr gut angenommen wird.
Was unterscheidet den Schulkonsum vom ehemaligen Dorfkonsum?
Annett Schlemmer: Der Schulkonsum ist nicht nur ein Ort zum Einkaufen, sondern zugleich eine Begegnungsstätte und Treffpunkt für die Bürger der Gemeinde. Dafür haben wir unter anderem eine Sitz- und Leseecke eingerichtet, mit der Möglichkeit zum Bücher tauschen. Außerdem am Ladeneingang ein Schwarzes Brett, was reichlich genutzt wird. Jeden Dienstag trifft sich der Bürgermeister mit den Gemeindearbeitern bei uns zur Besprechung mit den Gemeindearbeitern. An Weihnachten hatte die Grundschule Pakete für einen sozialen Zweck gepackt. Im Sommer kommt jede Woche der Kindergarten zum Singen einmal vorbei und somit wird es nie langweilig hier.
Gibt es im Sortiment ein besonders beliebter Artikel?
Annett Schlemmer: Ja wir haben etwas Einmaliges! Größter Beliebtheit erfreuen sich die Produkte aus der Gärtnerei und der Landwirtschaft vom Internatsdorf Haubinda. Sowohl der Apfelsaft als auch der Honig aus eigener Herstellung ist sehr gefragt. Und der absolute Renner sind die Salate und Gemüse aus Haubindas Gärtnerei. Sobald es damit losgeht, verbreitet sich die Kunde über Telefon und die sozialen Medien in Windeseile, dafür müssen wir keine Werbung machen.
Gibt es weitere Pläne?
Annett Schlemmer: Ja, der Vorplatz soll zu einem Freisitz also zu einer Begegnungsstätte hergerichtet werden. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Corona-Krise bald vorüber ist und wir dann unsere Vorhaben umsetzen können. Bis dahin brauchen wir noch etwas Geduld.
Volker Kilgus
Fotos: Volker Kilgus