Beschränkungen des öffentlichen Lebens in Thüringen zur Eindämmung der COVID19-Epidemie
Erfurt. Lesen Sie hier die Schlussfolgerungen der Thüringer Landesregierung aus den Ergebnissen der Videoschaltkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin am 15. April 2020:
I. Beschluss
- Das Kabinett nimmt den Beschluss über „Beschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der COVID19-Epidemie“ der Telefonschaltkonferenz Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin am 15. April 2020 zur Kenntnis.
- Das Kabinett trifft – basierend auf dem Beschluss über „Beschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der COVID19-Epidemie“ der Telefonschaltkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin am 15. April 2020 – entsprechende Schlussfolgerungen für das Thüringer Pandemiemanagement (II.).
- Das Kabinett bittet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Thüringer SARS-CoV-19-Eindämmungsmaßnahmenverordnung anzupassen und das Kabinett über die Anpassungen zur Telefonschaltkonferenz am Freitag, dem 17. April 2020 zu informieren.
- Das Kabinett bittet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Thüringer SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordung sowie die Thüringer Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 zunächst bis zum 4. Mai 2020 zu verlängern.
- Das Kabinett bittet den Chef der Staatskanzlei und die Ministerinnen und Minister der Ressorts das Kabinett über die in ihrer Ressortzuständigkeit zu treffenden Maßnahmen in der Telefonschaltkonferenz am Freitag, dem 17. April 2020 zu informieren.
II. Schlussfolgerungen der Thüringer Landesregierung aus den Ergebnissen der Telefonschaltkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin am 15. April 2020
Die hohe Verbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) in Deutschland und in unserem Freistaat führte dazu, dass die Länder und der Bund einschneidende Beschränkungen im öffentlichen Leben verfügen mussten, damit die Bürgerinnen und Bürger vor der Infektion geschützt werden und eine Überforderung des Gesundheitssystem vermieden wird.
Diese sehr kurzfristig verhängten Maßnahmen, mit tiefer Wirkung auf das soziale und öffentliche Leben wurden von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Freistaates dankenswerterweise mit großer Geduld und mit Solidarität und Gemeinsam eingehalten. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, der Pflege und den kritischen Infrastrukturen insbesondere auch dem Einzelhandel haben in den vergangenen Wochen unter schwierigsten Bedingungen unverzichtbare und hervorragende Arbeit geleistet. Dafür gilt ihnen allen unser ausdrücklicher Dank.
Durch diese Beschränkungen wurde erreicht, dass die Infektionsgeschwindigkeit in Deutschland insgesamt und auch in unserem Freistaat verringert wurde. Es ist zudem gelungen, sehr kurzfristig die Zahl der intensivmedizinischen Betten in den Krankenhäusern zu erhöhen. Dies sind zweifellos gute Nachrichten. Dennoch ist festzuhalten, dass die Epidemie bislang nicht überwunden ist:
- Ein wirksamer Impfstoff liegt nicht vor und es ist trotz aller Bemühungen nicht absehbar, wann ein Impfstoff vorliegen wird
- Die bisherigen symptomatischen Infektionen zeigen, dass – auch unter Einbeziehung der von der Infektion Genesenden – nur ein Bruchteil der Bevölkerung infiziert wurde. Eine Information über die Zahl der asymptomatischen Infektionen gibt es bislang nicht. Deshalb ist die Gefahr einer schnellen und schweren Erkrankung großer Bevölkerungsgruppen weiterhin virulent und unbedingt zu vermeiden.
- Es gibt bisher keine gesicherten Erkenntnisse, wie lange der Infektionsschutz aufgrund der überstandenen Erkrankung hält.
Angesichts dessen ist es erforderlich, dass bei allen Maßnahmen, die nun entschieden werden, die Kapazitäten im Gesundheitswesen zur Bewältigung der zweiten Welle der Infektion standhalten können.
Neben den öffentlichen Maßnahmen haben alle Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um sie vor Infektionen zu schützen. Deshalb erwartet die Landesregierung von allen Unternehmen unabhängig von ihrer Größe auf Grundlage einer angepassten Gefährdungsbeurteilung sowie betrieblicher Pandemieplanung die Erstellung und Umsetzung eines Hygienekonzepts. Ziel ist es, u.a nicht erforderliche Kontakte in der Belegschaft und mit Kundinnen und Kunden zu vermeiden, allgemeine Hygienemaßnahmen umzusetzen und die Infektionsrisiken bei erforderlichen Kontakten durch besondere Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu minimieren. Die Unternehmen sind weiterhin aufgefordert, wo immer es möglich ist, Heimarbeit zu ermöglichen.
Die Thüringer Landesregierung hat sich am Dienstag, dem 14. April 2020 mit nächsten Schritten zur behutsamen Öffnung des öffentlichen Lebens befasst und die Vorarbeiten der Ressorts zur Kenntnis genommen. Dabei war sich die Landesregierung einig, dass bundesweit einheitliche Maßstäbe mit regionaler Differenzierung kombiniert werden muss.
Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben sich heute gemeinsam mit der Bundeskanzlerin auf einen umfassenden Katalog für die nächste Stufe des Pandemiemanagements verständigt.
Für den Freistaat Thüringen zieht die Landesregierung aus den gemeinsam von den Ländern und dem Bund gefassten Beschlüssen folgende Schlussfolgerungen:
I. Anpassung der Thüringer SARS-CoV-19-Eindämmungsmaßnahmenverordnung
- Die in Thüringen erlassenen Regelungen zur Kontaktbeschränkung in der Thüringer SARS-CoV-19-Eindämmungsmaßnahmenverordnung bleiben bis auf weiteres bestehen.
- Übernachtungsangebote werden bis auf weiteres weiterhin nur für notwendige und ausdrücklich nicht touristische Zwecke zur Verfügung gestellt.
- Unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen können folgende Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe ab dem 27. April 2020 wieder öffnen:
- Geschäfte, die ihre Verkaufsfläche auf 800 qm beschränken
- unabhängig von der Verkaufsfläche Buchhandlungen, Fahrradläden, KFZ-Händler
- ab dem 4. Mai 2020 Friseurbetriebe, wenn sie aufgrund der unvermeidbaren körperlichen Nähe spezifische Schutzerfordernisse einhalten.
Über die Öffnung weiterer Dienstleistungsbranchen wird die Landesregierung in einen zügigen Branchendialog eintreten.
- Großveranstaltungen werden bis 31. August 2020 untersagt.
- Bürgerinnen und Bürger bleiben aufgefordert, auch weiterhin auf private Reisen und Besuche – auch von Verwandten – zu verzichten.
Das Versammlungsrecht ist in unserer Demokratie ein hohes Gut und steht unter besonderem Schutz. Zum Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen Infektionsschutz und Versammlungsfreiheit werden Regelungen vorbereitet und abgestimmt.
II. Bildungssystem
- Gute Bildung steht auch in der Coronakrise im Vordergrund. Die schrittweise Öffnung der Bildungseinrichtungen behandeln wir mit Priorität. Dabei werden die Schulen, die Schülerinnen und Schüler und die Eltern sich auf neue Bedingungen einstellen müssen. Prägend für den weiteren Ablauf bleibt der Schutz der Gesundheit Aller.
- Alle an den Schulen Beschäftigten haben in den vergangenen Wochen eine hervorragende Arbeit geleistet, in dieser einmaligen Situation Betreuung zu gewährleisten, neue Lehr- und Lernmethoden zu entwickeln und auch die Digitalisierung voranzutreiben. Diese Erfahrungen werden wir weiter nutzen und ausbauen.
- Thüringen wird ab dem 27. April 2020 den Präsenzunterricht für einzelne Schülergruppen wieder aufnehmen. Dabei beginnen wir mit der Vorbereitung der Abiturientinnen und Abiturienten auf ihre Prüfungen. Ab dem 4. Mai 2020 folgen die Abschlussklassen der Grundschulen, Regelschulen, Gemeinschaftsschulen und Berufsbildenden Schulen sowie die Abschlüsse der Förderschulen. Bis zum 2. Juni 2020 werden alle Schulen Präsenzunterricht in verschiedenen Varianten anbieten.
- Die Schulen werden einen Mix aus Präsenz- und Distanzunterricht praktizieren, der auch auf Risikogruppen unter den Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer Rücksicht nimmt. Das Land und die Schulen werden neue Wege beschreiten und besondere Angebote schaffen, um Bildungsgerechtigkeit auch in der Coronakrise sicherzustellen.
- Auch die Kindertagesbetreuung wird im Mai 2020 schrittweise wieder geöffnet. Der Gesundheitsschutz für Kinder, Eltern und Erzieherinnen und Erzieher prägt dabei die Vorgehensweise. Die frühzeitige Information der Eltern wollen wir gewährleisten.
- Die Hochschulen und das Wissenschaftsministerium haben Einigkeit darüber hergestellt, dass Lehre und Forschung auch im Sommersemester stattfinden werden. Das Semester beginnt am 1.4.2020 und endet am 30.9.2020. Diese besondere Situation sowohl bei den Studierenden als auch bei den Lehrenden und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Hochschulverwaltungen und Hochschuleinrichtungen (Bibliotheken, Rechenzentren, Sprachzentren etc.) erfordert ein hohes Maß an Flexibilität, Entgegenkommen und außergewöhnliche Anstrengungen, von denen wir überzeugt sind, dass sie gemeistert werden.
III. Kultur / Religionsgemeinschaften
- Unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen werden in Thüringen Bibliotheken und Archive zur Öffnung zugelassen und ab dem 27. April 2020 folgende Kultureinrichtungen wieder geöffnet:
- Zoologische und Botanische Gärten
- Freilichtmuseen
- Galerien, Museen und Ausstellungshallen, zusätzlich mit der dringenden Empfehlung der Nutzung des von Mund-Nasen-Schutzes.
Voraussetzung ist, insbesondere bei kleinen und historischen Gebäuden, dass diese Auflagen räumlich und personell umgesetzt werden.
- Die Religionsausübung stellt ein besonders hohes Gut dar und spendet angesichts der Herausforderungen Kraft und Zuversicht. Zusammenkünfte in Kirchen, Synagogen und Gebetshäusern, religiöse Veranstaltungen und Zeremonien sollen weiterhin nicht stattfinden. Basierend u.a. auf den „Eckpunkten des Schutzkonzeptes für religiöse Veranstaltungen“ des Katholischen Büros und des Beauftragten der Evangelischen Kirchen in Thüringen sowie in Abstimmung mit der Jüdischen Landesgemeinde wird die Thüringer Staatskanzlei mit den Glaubensgemeinschaften eine Verständigung über schrittweise wieder durchzuführende religiöse Versammlungen ab dem 4. Mai 2020 suchen.
IV. Gesundheitssystem / Pflege
- Die Länder und der Bund haben sich verständigt, den öffentlichen Gesundheitsdienst personell zu stärken, um zukünftig Infektionsketten schnell zu erkennen, zielgerichtete Testungen durchzuführen, eine vollständige Kontaktnachverfolgung zu gewährleisten und die Betroffenen professionell zu betreuen. Über die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der Zielzahl von 5 Personen auf 20.000 Einwohner*innen wird der Dialog mit den Kommunen geführt.
- Die Landesregierung begrüßt, dass mit dem Ziel der Verbesserung des Meldewesens der Fallzahlen und der Zusammenarbeit der Gesundheitsdienste mit dem RKI bei der Kontaktnachverfolgung das Bundesverwaltungsamt online-Schulungen durchführt. Zudem plant das Bundesministerium für Gesundheit ein Förderprogramm zur technischen Aus- und Aufrüstung sowie Schulung der lokalen Gesundheitsdienste.
- Die Epidemie breitet sich nicht gleichmäßig aus. Vielmehr zeigt sich, dass es lokale Ausbrüche gibt, die nicht vorhersehbar sind. Die Länder und der Bund haben sich verständigt, diesen besonders betroffenen Gebieten schnell abrufbare Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. In Thüringen soll eine Task-Force geschaffen werden, die auf Anforderung betroffene Kommunen unterstützen wird. Die Landesregierung begrüßt, dass der Bund angekündigt hat, in diesen Fällen durch die Bundeswehr mit geschultem Personal bei der Kontaktnachverfolgung und -betreuung unterstützen wird. In belasteten Gebieten müssen auch gelockerte Beschränkungen konsequent wieder eingeführt werden, eingeschlossen die im Einzelfall zu prüfende Beschränkung nicht erforderlicher Mobilität in diese besonders betroffenen Gebiete hinein und aus ihnen heraus.
- Die Thüringer Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 wird zunächst bis zum 4. Mai 2020 verlängert.
- Besonders vulnerable Gruppen müssen geschützt und die soziale Isolation vermieden werden. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere in Pflegeheimen, Senioren- und Betreuungseinrichtungen aber auch in Krankenhäusern eine besondere Infektionsgefahr besteht. Deshalb müssen nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und in den jeweiligen Institutionen besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um die Gefahr der Ausbreitung von Infektionen in den Einrichtungen zu unterbinden. Daher soll für die jeweilige Einrichtung unter Hinzuziehung von externem Sachverstand, insbesondere von Fachärzt*innen für Krankenhaushygiene, ein spezifisches Konzept entwickelt werden und dieses im weiteren Verlauf eng im Hinblick auf das Infektionsgeschehen im jeweiligen Umfeld weiterentwickelt und angepasst werden.
- Die psychosoziale Wirkung der Pandemie auf die Bevölkerung werden wir systematisch und unter Einschluss wissenschaftlicher Expertise beobachten und gemeinsam mit den entsprechenden Institutionen über notwendige Maßnahmen der Krisenbewältigung und -intervention sprechen.
Quelle: Thüringer Staatskanzlei
Foto: Südthüringer Rundschau