Impfpflicht, Immunitätsausweis, Bespitzelung?
Köln/Frankfurt/Berlin (ots). So macht man Gesetze: „Aus der Mitte des Deutschen Bundestages“ möge der Entwurf eines zweiten Gesetzespaketes zur Bewältigung der Corona-Krise eingebracht werden, wünscht die Bundesregierung. Und damit die Mitte auch weiß, was sie zu tun hat, legt man eine Formulierungshilfe bei („C. Alternativen – Keine“).
Inhalt: Ein Wust von Detailregeln – und eine Vorschrift mit revolutionärem Potenzial. Zum Impfpass soll eine “Immunstatusdokumentation“ dazukommen. Wie bitte? Sofern es wirklich um den Kampf gegen das neue Coronavirus geht: Wie es um die Immunität nach einer Infektionen damit steht, weiß zur Zeit kein Mensch. Wie weit reicht sie, wie lange hält sie? Wenn eine Wiederinfektion möglich ist, verläuft sie dann milder? Und wie soll man ohne Impfung (wie lange würde die wohl schützen?) in den Besitz des Immunpasses kommen? Soll man sich gezielt Infektionsrisiken aussetzen?
Kurz und schlecht: Aus heutiger Sicht ist die Idee unsinnig. Das weiß Gesundheitsminister Jens Spahn auch genau. Er spricht von einer “vorsorglichen Regelung“. Also ein Vorratsbeschluss, den er praktischerweise schon jetzt dem nur eingeschränkt arbeitsfähigen Bundestag abringen will und der – Achtung – nicht auf Coronaviren beschränkt ist.
Vielmehr geht es um ein universales Instrument, um Freiheitsrechte zuteilen zu können. Spahn sagt es ja selbst: Mit Immunpass könnten Bürger ihren Tätigkeiten „unbeschwerter“ nachgehen. Er verbindet seine Idee mit den laut Infektionsschutzgesetz möglichen Grundrechtseinschränkungen für „Ansteckungsverdächtige“. Welcher Nicht-Passinhaber ist in diesem Lichte nicht ansteckungsverdächtig? Die Mitte des Bundestages, sie ist gefragt. Sie muss aufpassen, dass unser Staat nicht auf die schiefe Bahn gerät. – schreibt Raimund Neuss in seinem Kommentar „Höchst ansteckungsverdächtig“ in der Kölnischen Rundschau.
Die gefährlichen Folgen eines Immunitätsausweises
Die Idee von Gesundheitsminister Jens Spahn, eine Art Immunitätsausweis für eine überstandene Corona-Infektion einzuführen, wirkt pragmatisch, birgt aber Gefahren. Im Gesundheitswesen kann es Leben retten, wenn man weiß, welche Beschäftigten immun sind und deshalb Infizierte oder Risikopatienten versorgen können.
Dennoch darf der Entwurf nie Gesetz werden. Er verknüpft nicht die Möglichkeiten im Gesundheitswesen mit dem Immunitätsnachweis, sondern die nach dem Infektionsschutzgesetz möglichen Verbote und Einschränkungen im öffentlichen Leben. Danach könnte ein Gesundheitsamt anordnen, Fußballspiele, Diskotheken oder Restaurants dürfen nur noch von Menschen mit einem Corona-Persilschein besucht werden. Das hieße, wer jetzt alle Beschränkungen ernst nimmt, um sich nicht zu infizieren und andere zu schützen, wäre dann der Dumme. Die Einführung dieses Ausweises wäre eine Aufforderung etwa an junge Menschen, Corona-Partys zu feiern, um sich anzustecken. Das kann niemand wollen. – schreibt die Frankfurter Rundschau.
Stephan Brandner, stellvertretender Bundesvorsitzender der AfD, lehnt ein derartiges Vorgehen entschieden ab:
„Grundrechte gelten für alle Bürger, immer und überall, gerade in Krisenzeiten und unabhängig von irgendwelchen Ausweisen. Die Bürger quasi zu erpressen, sich einer – noch nicht einmal vorhandenen – Impfung unterziehen zu müssen, um ihre Rechte wieder zu erlangen, ist skandalös. Auch der ’nur‘ indirekte Zwang zu einer Impfung ist vollständig abzulehnen. Jedem Bürger muss es jeder Zeit freistehen, sich impfen zu lassen, oder darauf zu verzichten. Die Gültigkeit unserer Grundrechte darf unter keinen Umständen davon abhängig gemacht werden. Ein Immunitätsausweis birgt außerdem die Gefahr, dass sich Bürger, die zunehmend verzweifelt sind, absichtlich einer Ansteckung aussetzen, um schneller wieder in ihr normales Leben zurückkehren zu dürfen. Diese Politik ist brandgefährlich. Es gilt: Wir müssen einen schnellen Weg zur Normalität finden, ohne die Bürger zu erpressen, zu drangsalieren und zu bespitzeln!“
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