Stellungnahme der Schleusinger Schwimmmeister*innen zur Kritik an der Schließung des Schleusinger Freibades
Leserbrief. Viele negative Reaktionen auf das Betreiberkonzept der Schleusinger Bäder für die Badesaison 2020 stimmen uns Schwimmmeister*innen nachdenklich.
Einige können wir durchaus nachvollziehen. Andere nicht.
Vor dem Pfingstwochenende erfolgte die öffentliche Bekanntmachung, dass aufgrund des erstellten Hygienekonzeptes die Freibäder in Erlau und Schleusingerneundorf zum 1. Juni 2020 unter besonderen Maßnahmen öffnen werden. Zuletzt wurden Bürgermeister Henneberg und die Stadtverwaltung Schleusingen von CDU-Stadtrat Alexander Brodführer und Katrin Kern-Ludwig von der Initiative #ProvinzEnthusiasten – 18sind1 für das im Hauptausschuss am 13. Mai 2020 vorberatene Vorgehen scharf kritisiert.
Der Vorschlag, dass Freibad Schleusingen, in der kommenden Saison geschlossen zu lassen, stammt von uns Schwimmmeister*innen nach ausgiebigen Überlegungen und Analysen. Gemeinsam mit dem Bürgermeister und dem Hauptamtsleiter haben wir die Entscheidung getroffen.
Diese ist uns nicht leichtgefallen! Gerade weil uns das Wohl der Bürger und die Sicherheit aller am Herzen liegt. Traurig stimmen uns besonders die Reaktionen in Facebook in der Gruppe „Schleusingen“. Hier gehen einige Bürger den Bürgermeister in einem höchst fraglichen Niveau an.
Im Rathaus und in den Ämtern bemühen sich viele Menschen in dieser nicht einfachen Zeit um Lösungen und engagieren sich für die Bürgerinnen und Bürger über die normalen Arbeitszeiten hinaus.
Mit einer ausführlicheren Erklärung möchten wir zu einem besseren Verständnis unsere Entscheidung beitragen.
Der Bürgermeister und die Stadträte verlassen sich auf unsere Erfahrungen und auf unser Wissen in unserem Beruf. Das Jahr 2020 ist für die meisten von uns kein Leichtes. Auch wir wünschen uns ein Zurück in die Normalität!
Die neue Fachangestellte für Bäderbetriebe und Kollegin, Frau Schuster, ist aufgrund des Lockdowns bisher noch nicht in die technischen Anlagen eingewiesen worden und mit den Begebenheiten vor Ort noch nicht vertraut. Wir wollen an erster Stelle die Sicherheit in den Bädern gewährleisten.
Hat der Badegast auf dem Schwimmbadparkplatz in der Eisfelder Straße geparkt, muss er zurzeit über unwegsames Gelände und durch die Baustelle vor dem Schwimmbad zum Haupteingang. Noch ist die „Schwimmbadbrücke“ nicht frei gegeben. Je nach Baufortschritt am Häfnersberg müsste zwischenzeitlich eine Bauzaunabsperrung über das Freibadgelände für die Umleitung der Badegäste erfolgen.
Außerdem kann der Ticketautomat aus Infektionsschutzgründen nicht genutzt werden. Nach jedem Lösen der Tagestickets würde dieser von einer Arbeitskraft desinfiziert werden müssen. Hier entstehen nochmals Kosten. 10er Karten kann dieser zurzeit nicht ausdrucken. Hier wird die erste Arbeitskraft für eine Kasse benötigt.
Die Umkleide müsste beaufsichtigt werden. Hier sind nur jeweils eine Einzelumkleide bei den Damen und Herren in einer Großraumumkleidekabine untergebracht. Die Kollegin muss auch hier zusätzlich auf die Einhaltung der Regeln achten.
Die bereits in die Jahre gekommene Sanitäranlage ist ca. 70 Meter vom Schwimmmeister entfernt. Eine weitere Arbeitskraft für die Aufsicht, Reinigung und Desinfektion wird benötigt. Die Rutsche darf erst betreten werden, wenn der Rutschenauslauf wieder frei ist. Eine weitere ausgebildete Aufsichtskraft wird benötigt.
Lösen Badegäste ein Ticket, haben sie automatisch Anspruch auf alle Attraktionen, auch auf die Rutsche! Zusätzlich wird eine Kraft benötigt, um die Kollegin von der Aufsicht abzulösen.
Aufgaben in der Anlagentechnik, Wasserproben, Chemiebehälterwechsel, evtl. Hilfeleistungen usw. stehen an.
Selbst bei einem Toilettengang wird eine Ablösung benötigt. Einen eigenen Sanitärbereich für das Personal hat man bei der Sanierung des Bades nicht eingebaut.
Apropos: Die Anforderungen für die Lagerung von Bäderchemie hat sich inzwischen geändert. Hier muss noch vor der Eröffnung des Bades ein Umbau bzw. eine Erweiterung stattfinden und die Abnahme sowie die Genehmigung für die Lagerung von Gefahrenstoffen ist einzuholen.
Die Fläche der Liegewiese ist in Schleusingen „noch“ sehr begrenzt.
Wie Alexander Brodführer in dem Artikel vom 30. Mai 2020 in der Tagespresse bereits erwähnte, dürfen sich nur 157 Personen auf der Liegewiese aufhalten. Zum Vergleich: In Erlau sind es 584 Besucher und in Schleusingerneundorf 223.
Um auf eine Frage in Facebook gleich zu antworten: Die Bäder in Erlau und Schleusingerneundorf brauchen auch Hygieneregeln und können diese realisieren.
Für eine Freigabe des Schleusinger Bades müssen wir erst einen neuen TÜV Termin beantragen. Der geplante Termin wurde uns im April wegen „Corona“ abgesagt.
Um die Anlage voll in Betrieb nehmen zu können, muss noch ein Wartungstermin beantragt werden. Hier geht es auch um die sicherheitsrelevanten Baugruppen in der Anlagentechnik.
Wir sind in allen Bädern für die Menschenleben verantwortlich. So auch in Schleusingen!
In Schleusingen ist Chlorgas im Einsatz. Hier kommt schon das nächste Problem. Bei einem Chlorgasalarm muss die voll umfängliche Evakuierung des Badegeländes und der Anlieger gewährleistet sein. Im Falle eines Gasaustrittes müssen Feuerwehr, Rettungswagen, Gefahrenstoffzug und Spezialfahrzeuge ungehindert an/in das Freibad gelangen. Tag und Nacht! Es könnte funktionieren – nur mal ausprobieren möchten wir das vor dem Hintergrund der Baustellensituation aber nicht!
Alexander Brodführer hat Recht. Die Deutsche Gesellschaft für Badewesen gibt unterstützend nur Empfehlungen. Bindend für uns ist die DIN 19643, die Verkehrssicherungspflicht in öffentlichen Bädern, das TÜV und ABC verantwortliche Kontrollorgan, die Gefahrenstoffvorschriften, das Gesundheitsamt des Landkreises, die Wasserbehörden, der Gefahrenanalysekatalog, die Richtlinien der Bundesregierung zur Infektionsschutzverordnung, die Empfehlungen der Landesregierung zum Infektionsschutz, die Hinweise und Regelungen des Landkreises zum Infektionsschutz, die Regelungen der Stadt Schleusingen usw.
Und hier nun der nächste Schritt:
Soll geöffnet werden (auch nur mal zum Test) müssen zu den täglichen Wasserproben des Fachpersonals, zusätzlich Wasserproben von den Behörden gezogen werden. Das sind pro Probe mehrere Hundert Euro.
Nun müssen für die Bäder nur noch ein Infektionsschutzplan erstellt werden und auf die Einhaltung bis zum 5. Juni geachtet werden. Ab 6. Juni kommt bestimmt eine andere Regelung. Welche wissen auch wir nicht.
Auch ohne Corona hatte Schleusingen im vergangenen Jahr ca. 6.000 Besucher auf Grund der Baustelle am Häfnersberg weniger.
Ja, ein Schwimmbad in Deutschland kann auf Grund der Gesetze, Vorschriften und Auflagen selten wirtschaftlich arbeiten. Ein Bad ist fast immer ein Zuschussgeschäft. Aber können wir nicht die Verluste in diesem außergewöhnlichen Jahr minimieren?
Schleusingen hat den großen Luxus auf weitere Bäder der Stadt ausweichen zu können. Bürger und Besucher aller Ortsteile und Gäste waren und sind immer in allen unseren Bädern herzlich willkommen. Auch Erlau oder Schleusingerneundorf hätte es treffen können…
Wir denken natürlich an alle Schleusinger, in der Innenstadt wie auch den Ortsteilen. Eine Idee wäre z.B. ein Bädershuttle. Wochentags 2 Fahrten und an Wochenenden 4 Fahrten. Alle Ortsteile miteinander verbinden. Auch in Zukunft, wenn Schleusingen wieder öffnet. Steht nur die Frage: Was ist das den Bürgern wert und wie wird das finanziert? Es kann funktionieren – warum probieren wir es nicht aus? Um mit den Worten von Alexander Brodführer zu argumentieren.
Wir würden die diesjährige Situation als Chance sehen, das Freibad Schleusingen im Zuge der Bauarbeiten in Ruhe und mit Verstand zu ergänzen. Ein Chemielager, Personal-WC und Personal-Dusche, die Erneuerung der Sanitäranlagen mit mehr Einzelumkleiden, Behinderten-WC, Wickelraum, Erweiterung der Liegewiese, ein Beachvolleyballplatz, ein Spielplatz für die Kinder, eine Slackline für die Jugend, Flutlicht, Beschallungsanlage u.v.m.
Übrigens, die Sanitäranlagen im Waldbad Erlau wurden vor 8 Jahren modernisiert.
Wir glauben nicht, dass mit diesen Planungen und den Vorhaben das Kindeswohl gefährdet sein wird, wenn ich aus der Facebook-Gruppe „Schleusingen“ und somit aus dem Schleusinger Videotext zitieren darf. Ganz im Gegenteil!
Das Schleusinger Freibad zu einem Sport- und Freizeitbad für Vereine, Schulen, Sportler, Familien und Senioren auszubauen, direkt an einem Radweg gelegen, mit super Parkmöglichkeiten für alle Bürger, aller Ortsteile – daran arbeiten schon viele engagierte Kolleginnen und Kollegen im Rathaus mit super Ideen. Und wenn alle gemeinsam für eine Sache stehen, kann Schleusingen stolz das 125jährige Bestehen seine Bades 2025 ganz groß feiern. Ohne Baustelle und hoffentlich ohne eine Pandemie.
Lasst uns gemeinsam mit und für die Bürgerinnen und Bürger etwas bewegen. Diskussionen, Vorschläge, Anregungen und auch Kritik sind willkommen und wichtig – aber auf einem anständigen, achtungsvollen Niveau.
Gesundheit, Familie, Heimat, Freunde und Respekt sollten einem Jedem wichtig sein.
Wir freuen uns mit euch auf eine schöne und unfallfreie Badesaison mit allen Schleusingern!
Simone Zaschke
Katrin Schuster
Mario Zerrenner
Schleusinger Schwimmmeister*innen
P.S.: Es gibt auch Bürger, die ihre Hilfe anbieten. Zum Beispiel Bernd Beyer und Alexander Brodführer – finden wir Klasse!
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