Abenteuer postcoronale Gastronomie
Leserbrief. Der vorige Mittwoch war ein irrer Tag! Ihr glaubt kaum, was ich getan habe: ich bin, tatsächlich … Essen gegangen! Wirklich wahr. In einem öffentlichen Restaurant. Ich konnte es kaum glauben.
Da war ich also zunächst auf dem Markt und setzte mich draußen an einen Tisch des Restaurants Firenze. Einfach so. Ich bestellte Gnocci Calabrese und ein Pizzabrot und ein Weißweinschorle. Der gesamte Vorgang war in höchstem Maße sensationell. Der Ober kam, er allerdings mit Mundschutz, brachte erst das Getränk und dann das Essen. Ich trank, ich aß. Wahnsinn! Wie früher.
Ich war von diesem Erlebnis so angetan, dass ich mich nach dem Essen bemüßigt sah, eine zweite Weißweinschorle zu bestellen und, ein Buch lesend, fast eine Stunde sitzen zu bleiben. Recht viele Gäste waren auch nicht da, außer mir. Aber doch immerhin einige, die das „Abenteuer postcoronale Gastronomie“ wagten.
Ich hatte zwar kein Blut geleckt, sondern eben Pino Grigio. So unterbreitete ich meinem Bruder, der zu Besuch war, den waghalsigen Vorschlag, das Experiment zu abendlicher Stunde zu wiederholen. So liefen wir in der Wacholderschänke ein.
Am Eingang erhielten wir eine kleine Einweisung in das Hygienekonzept. Mit Maske liefen wir zum Tisch. Insgesamt schien die Infektionsgefahr übersichtlich, denn neben uns war nur ein weiterer Tisch mit Gästen besetzt.
Die nächste Sensation folgte sogleich. Gefühlt seit Jahrzehnten unterlasse ich es bei keinem meiner Besuche in der Wacholderschänke, mich über das geringe Angebot vegetarischer Speiseangebote zu mokieren. Was sehe ich auf der postcoronalen Speisekarte? Vier, fünf vegetarische Hauptgerichte!! Wahnsinn. Alles wird gut.
Mein Bruder und ich waren umso entschlossener, es richtig krachen zu lassen! Suppe oder Salat? Suppe UND Salat. Salat oder Pommes? Salat UND Pommes. Noch ein Cola Weizen? Selbstverständlich. Wir entwickelten einen gewissen Ehrgeiz, zwei Monate gastronomischer Enthaltsamkeit nachzuholen.
Mein Bruder gibt derzeit außerdem das Dreifache des üblichen Trinkgelds. Immerhin habe er ja monatelang gar kein Trinkgeld geben können und das Personal in der Gastronomie sei ja ebenfalls arg Corona-gebeutelt.
So kamen wir geradezu enthusiastisch von diesem ersten Ausflug in die gute, alte Welt der öffentlichen Kulinarik zurück. Einige Tage später kamen die neuen Plakate des Werberings aus der Druckerei. Sie fordern dazu auf, die LOKALE WIRTschaft zu fördern. 50 dieser Plakate sind in den Straßen ausgehängt. Weitere Plakate liegen in der Geschäftsstelle der Südthüringer Rundschau zur Abholung bereit.
Geht Essen! Geht was trinken! Lauft ein in den Kneipen! Geht wieder raus, geht feiern, trefft Euch mit Leuten! Es wird den lokalen Gastronomen gut tun, die wir für eine lebendige Stadt unbedingt brauchen. Aber es wird auch Euch gut tun, nach Monaten des Rückzugs.
Florian Kirner
Weitersroda
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Foto: Südthüringer Rundschau