Stefan Kretschmar und die Mainstream-Meinung
Leserbrief. Am 15. Januar 2019 veröffentlichte die Tagespresse einen Leitartikel unter der Überschrift „Bitte Farbe bekennen“ zur Kritik, „über fehlende Meinungsfreiheit im Sport“.
Da ich im Interview von t-online mit Stefan Kretzschmar nicht erkennen kann, dass rechtspopulistische „Tendenzen bedient werden“, habe ich meinen Standpunkt zu diesem Leitartikel im folgenden Leserbrief dargelegt.
Selbst wenn ich keineswegs annehme, dass der Verfasser den Inhalt des Interviews mit Stefan Kretzschmar absichtlich nicht wiedergegeben hat, wäre es in der Sachlage hilfreich gewesen. So muss man bei t-online nachlesen.
Wörtlich sagte Kretzschmar: „Welcher Sportler äußert sich denn heute noch politisch? Es sei denn, es ist die Mainstream-Meinung, „Wir sind bunt“ oder „Refugees welcome“, wo man gesellschaftlich eigentlich nichts falsch machen kann. Aber hat man eine einigermaßen kritische Meinung, ob gesellschaftskritisch oder regierungskritisch, darf man das in dem Land auch nicht sagen. Das wird dir sofort vorgeworfen. Wir haben sicherlich die Meinungsfreiheit in dem Punkt, dass wenn wir uns kritisch äußern, wir dafür nicht in den Knast kommen. Aber wir haben keine Meinungsfreiheit im eigentlichen Sinne. Sobald wir eine gesellschaftskritische Meinung äußern, haben wir von unserem Arbeitgeber mit Repressalien zu rechnen, wir haben mit unseren Werbeverträgen Probleme.“
Beim Lesen dieses Leitartikels mit der fett gesetzten Zeile: „Kretzschmar bedient die Verschwörungstheoretiker“ musste ich sofort an die Botschaft von Pabst Franziskus zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel denken. Diese Botschaft wird in den öffentlichen Medien nicht ausreichend umgesetzt. Deshalb möchte ich es aus dieser Botschaft zitieren:
„Das Drama der Desinformation ist die Diskreditierung des anderen, seine Stilisierung zum Feindbild bis hin zu einer Dämonisierung und kann Konflikte schüren. Schon eine scheinbar leichte Verdrehung der Wahrheit kann gefährliche Auswirkungen haben. Indem Falschmeldungen sich Stereotype und Vorurteile zunutze machen, ist es ihnen ein Leichtes, „Angst, Verachtung, Wut und Frustration“ auszulösen.“
Außerdem erinnert mich Ausdrucksweise und Wortwahl des Leitartikels fatal an das, was ich bei Veranstaltungen und Gesprächen mit Pegida und AfD von deren Vertretern mir persönlich anhören musste.
Von der Tagespresse wurde mir jedoch mitgeteilt, dass man diesen Leserbrief nur abdrucken kann, wenn ich das von mir zitierte Interview streiche (wörtlich: „… wenn Sie der Kürzung eben jener Passagen zustimmen, weil wir das auf Seite 20 – im Sportteil eben dieser Ausgabe getan haben…“)
Diesem Ansinnen kann ich aber beim besten Willen nicht nachkommen, denn erst wer das Interview liest, dem erschließt sich der Zusammenhang, dass Kretzschmar keine Verschwörungstheoretiker bedient. Sehr treffend sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Peter Schink („Was heute Morgen wichtig ist“) auf t-online, der am 17. Januar 2019, kommentierte:
„Der Shitstorm, der über Kretzschmar hereingebrochen ist, ist genau das, was Kretzschmar kritisiert. Die Aufregungsspirale, die am besten funktioniert, wenn einfache Schwarz-Weiß-Muster bedient werden.“ sowie „Ich kenne keine Statistik, wie viele Menschen durch einen Shitstorm ihren Job verloren haben. Allein in meinem persönlichen Umfeld waren es zwei. Das ist, was Kretzschmar kritisiert.“
Karl-Heinz Popp
Römhild
Foto: Pixabay
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Interessantes Video zu diesem Thema
Stefan Kretzschmar spricht in der Sendung „Markus Lanz“ vom 30. Januar 2019 über seine Tätigkeit als Botschafter der Handball WM 2019, über sein Buch „Hölleluja“ und das Thema Meinungsfreiheit.