„Dick und Doof“ wird abgerissen: Hildburghausen verliert wieder ein Stück Geschichte
Hildburghausen. Ein Haus welches vielen Menschen und mir persönlich, aus meiner Kindheit unter dieser spaßigen Bezeichnung bekannt war. Das Gebäude war eines der frequentiertesten in Hildburghausen. Ob Feuerwerkskörper oder Zeitschriften wie das Mosaik „Digedags“ und auch Schreibwaren – man kannte sehr, sehr lange Schlangen vor dem Geschäft.
Bis in das Jahr 1877 lässt sich die Geschichte dieses Gebäudes hinsichtlich seiner Eigentümer und Betreiber zurückverfolgen. Einen umfangreichen historischen Überblick sowie Bilder stellte mir Burkhard Knittel zur Verfügung. Herzlichen Dank an dieser Stelle!
Bis etwa um 1885 wurde der heutige Puschkinplatz „Vor dem unteren Tor“ genannt, danach bis 1933 „Hirschplatz“. Während der Zeit von 1933 bis Kriegsende lag das Gebäude dann am „Hindenburgplatz“, der 1946 wieder die Bezeichnung „Hirschplatz“ erhielt. Erst Im August 1949 erfolgte die letzte Umbenennung zum heutigen „Puschkinplatz“.
Bis 1905 gehörten beide Gebäude dem Müller- und Bäckermeister Gottfried Langguth. Der Pächter – Bäckermeister Johann Nikolaus Zapf – führte die Bäckerei bis zum Verkauf an den Bäckermeister Heinrich Kühn. Dessen Nachfolger, der aus Gießübel stammende Bäckermeister Alfred Vogt, führte das Geschäft seit Mitte der 1930er Jahre bis zur Schließung im Rentenalter fort – Eine alte Bäckertradition endete somit in dem rechten Gebäudeteil.
Im auf der Ecke stehenden Gebäude wechselten im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Geschäfte und deren Pächter. Um das Jahr 1900 befand sich im Eckhaus eine Niederlassung des Coburger Kaufmanns Siegfried Caspari. Um 1915 handelte dort Berta Berger mit Kaffee und Schokoladenspezialitäten. Das Geschäft von Frau Berger wurde Anfang der 1920er Jahre durch Johanna Schulz (Kaffee, Kakao, Schokolade) übernommen. Um 1930 war der Kaufmann Otto Stärker Pächter des Geschäftes am „Hirschplatz“. Um das Jahr 1938 bezog Karl Finke als Goldschmied und Goldwarenhändler das Eck. Fritz Hildebrandt & Co mit Zeitungen, Zeitschriften und Schreibwaren im Jahre 1948.
Woher die Namensgebung „Dick und Doof“ abzuleiten ist bleibt uns jedoch im Verborgenen. Es liegt aber die Vermutung nahe, dass das damals sehr populäre Filmpaar aus Hollywood dafür Pate stand, weil die Geschäftsinhaber vom Äußerlichen her den Filmstars etwas ähnelten.
Ab 1990 war dort bis zur Schließung aus Altersgründen ein Fotogeschäft und ein „Quelle-Shop“. Das Ladengeschäft mit Eingang in Höhe des heutigen Fußgängerüberweges beherbergte seit etwa 1920 einen Barbier und Friseur; später war es eine Filiale der PGH Friseur, welche bis zur Wende betrieben wurde.
Mit dem Leerstand der 3 Geschäfte verschlechterte sich der Bauzustand zunehmend. Reparaturen fanden nicht oder kaum noch statt. Als die damaligen Eigentümer an mich herantraten, das Gebäude zu übernehmen, war ich zuerst zuversichtlich den Standort zu entwickeln und eine Sanierung durchzuführen. An dieser Entwicklung halten wir weiterhin fest, allerdings ist das Gebäude im hinteren Bereich bereits eingestürzt und insgesamt so gefährdet, dass ein Abriss die einzige Alternative darstellt.
Im Zuge der Sanierung der „Alten Post“ und des geplanten Erweiterungsbaus wird derzeit noch an einem Neubau-Konzept festgehalten. Gespräche über eine Begegnungsstätte und Mehrgenerationenhaus laufen bereits. Wir werden Sie darüber
weiter informieren.
Für die Beeinträchtigungen, welche durch den Abriss in den nächsten Wochen in Kauf genommen werden müssen, bitten wir schon heute bei allen Betroffenen höflichst um Entschuldigung. Die beauftragte hiesige Fachfirma Koob wird bemüht sein, schnellstmöglich, ohne größere Verzögerungen die Baustelle abzuschließen.
Thomas Geyling
Hildburghausen
Titelbild: Der Puschkinplatz 1 und 3 um 1925. Fotos: historische Postkarten aus der Sammlung von Burkhard Knittel