Sepsis-Stiftung: Viele Corona-Todesfälle durch Blutvergiftung ausgelöst
Sepsis-Stiftung fordert: Politik darf sich dem Thema Sepsis nicht weiter verschließen
Berlin. Sepsis, im deutschen Sprachgebrauch meist als Blutvergiftung bezeichnet, verursacht als schwerste Komplikation von bakteriellen und viralen Infektionen weltweit ein Fünftel aller Todesfälle. Viele Todesfälle von COVID-19-Patienten werden durch eine Sepsis verursacht. Die Sepsis-Stiftung erneuert daher ihre Forderung nach einem gemeinsamen politischen Engagement von Bund und Ländern, um die hohe durch Sepsis bedingte Todesrate in Deutschland zu reduzieren. In einer Stellungnahme anlässlich einer Kleinen Anfrage im Bundestag hat sie diese Forderung bekräftigt.
Während COVID-19 in aller Munde ist, sterben weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit jedes Jahr rund 75.000 Menschen in Deutschland an einer Sepsis. Etwa 15.000 bis 20.000 davon könnten gerettet werden, wenn die Erkrankung
rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt werden würde. Doch nach wie vor fehlt es an Aufklärung in der Bevölkerung und Wissen beim medizinischen Personal. Die Sepsis-Stiftung fordert daher seit langem mehr politische Anstrengungen bei der Bekämpfung dieser heimtückischen Erkrankung.
„Sepsis muss endlich ein Thema auf bundespolitischer Ebene werden“, erklärt Prof. Dr. Konrad Reinhart, Vorsitzender der Sepsis-Stiftung, BIH Visiting Professor an der Stiftung Charité und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. „Deshalb haben wir schon vor Jahren mit unseren Partnern ein Memorandum für einen Nationalen Sepsisplan veröffentlicht.”
Die Umsetzung eines Sepsisplans erweist sich heute als dringlicher denn je, denn vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie hat sich die Lage weiter zugespitzt. Wie eine aktuelle, als Preprint veröffentliche Studie gezeigt hat, führen viele schwere COVID-19-Verläufe zu einer Sepsis. Demnach entwickeln 25 Prozent der Covid-19-Patienten auf Normalstationen und 84 Prozent auf den Intensivstationen eine Sepsis, die den Verlauf der Erkrankung verschlechtert und häufig zum Tode führt.
Und auch die Zahl der COVID-19- und Sepsis-Überlebenden nimmt täglich zu. „Aus der Sepsisforschung wissen wir, dass diese Folgeerscheinungen oft lebenslang anhalten und die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit der Betroffenen erheblich einschränken”, erklärt Prof. Dr. Josef Briegel, Sprecher des Sepsis Kompetenznetz SepNet und Leiter Neuroanästhesie und -intensiv der LudwigMaximilians-Universität München (LMU).
Bereits im Jahr 2018 hatte die Gemeinsame Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aufgefordert, eine Expertenkommission am Robert Koch-Institut (RKI) einzurichten, um die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Forderungen der WHO hinsichtlich einer Verbesserung der Prävention, Diagnostik und des klinischen Managements der Sepsis zu bestimmen. Bisher wurde dies jedoch durch das BMG abgelehnt.
Auf eine kürzlich erfolgte Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Stand der politischen Entscheidungen erklärte die Bundesregierung nun, die Einrichtung einer Expertengruppe zur Umsetzung der Sepsis-Resolution falle in den
Zuständigkeitsbereich der Länder. Auch sei die Umsetzung eines Nationalen Sepsis-Plans weder vorgesehen noch notwendig.
„Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage ist für die Betroffenen, ihre Familien und die Angehörigen an Sepsis Verstorbener enttäuschend“, so Arne Trumann, Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Sepsis-Hilfe e.V., Kuratoriumsmitglied der Sepsis-Stiftung und selbst Sepsis-Überlebender. Reinhart betont: „Aus unserer Sicht stellt die gemeinsame Übernahme von Verantwortung von Bund und Ländern in der COVID-19-Pandemie einen der entscheidenden und international viel beachteten Erfolgsfaktoren dar.“ Dies könne als Vorbild für die Bekämpfung der Sepsis dienen, wobei die gesellschaftlichen Folgen der erforderlichen Maßnahmen hier sehr viel geringer wären.
Auf die Antwort der Bundesregierung hat die Sepsis-Stiftung mit einer Stellungnahme reagiert. Zudem möchte sie – gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS), das die Schirmherrschaft für das Memorandum zum Nationalen Sepsisplan übernommen hat – den Dialog mit dem BMG und der GMK wieder aufnehmen. Mit der Übernahme des Vorsitzes der Gesundheisministerkonferenz durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erhofft sich die Sepsis-Stiftung hierzu neue Impulse.
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