Nur Kummer macht Kummer?
Hildburghausen. Die Wählergruppe „PRO HBN“ ist inzwischen durchaus bekannt für ihre Öffentlichkeitsarbeit. Diese schwankt häufig zwischen theatralisch-markig wirkenden, von Selbstmitleid nicht gänzlich freien Sätzen und oft einfach nur anmaßenden Forderungen. Nicht immer zeugen die Behauptungen der Abspaltung der ehemaligen CDU-Stadtratsfraktion dabei von Akzeptanz der in Thüringen geltenden gesetzlichen Regelungen. Womöglich erscheint ja die Aussicht darauf, den jetzigen Bürgermeister angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat mal anständig vorführen zu können, einfach zu verlockend. Zu tief sitzt da wohl noch der Stachel der verlorenen Bürgermeisterwahl, als man noch (als CDU) straff den dann abgewählten Amtsinhaber eifrigst unterstützte.
Erneut fordert die Wählergruppe „PRO HBN“ nun eine offene und ehrliche Kommunikation vom Bürgermeister, um ihn gleichzeitig dafür aber zu kritisieren, wenn er dies mit der Mitteilung über die Absetzung der einberufenen Stadtratssitzung praktiziert. Zu dieser Mitteilung ist ein Bürgermeister übrigens verpflichtet.
Auf der Strecke bleiben bei solchen Eifersüchteleien einmal mehr die Einwohner.
Es gibt nun einmal Eltern in unserer Stadt, für die die gezahlten Elternbeiträge keine „Peanuts“ sind, erst recht nicht in Zeiten von Kurzarbeit und Corona. Nach Paragraph 7 Absatz 2 der städtischen Gebührensatzung für die Kindertagesstätten wird der Elternbeitrag erstattet, „wenn ein Kind aufgrund ärztlich nachgewiesener Erkrankung die Kindereinrichtung über einen Zeitraum von mehr als einem Monat nicht besuchen kann… Bei einer Abwesenheit für einen kürzeren Zeitraum bleibt die Höhe des Elternbeitrages unberührt“.
Ansonsten besteht die Möglichkeit einer Stundung des Elternbeitrages, das bedeutet aber einen bürokratischen Mehraufwand sowohl für die Stadt als auch für die Eltern und es besteht die elterliche Pflicht, ihre Einkommensverhältnisse nachweisen zu müssen.
Die nächste Möglichkeit wäre, beim Jugendamt die Erstattung von Teilen oder der gesamten Gebühr zu beantragen, wenn infolge Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit die Einkommensverhältnisse entsprechend niedrig sind.
Den ohnehin und unter Pandemiebedingungen besonders belastenden bürokratischen Prozess zugunsten der Eltern zu vereinfachen, war Gegenstand der Vorlage von Bürgermeister Kummer und der einberufenen Stadtratssitzung. Die von der Wählergruppe „PRO HBN“ angesprochene Gesetzesvorlage des Freistaates Thüringen bedeutet nicht, dass die Eltern jetzt automatisch keine Gebühren zu zahlen haben, sondern dass die Kommunen den Eltern die Beiträge zurückerstatten dürfen. Es bedarf also auch hier eines Handelns der Kommune. Zudem: die Schaffung dieser Rechtsgrundlage wird auf Grund der im Landtag üblichen Beteiligungsrechte und unter den Coronabedingungen noch dauern.
Der Thüringer Landtag arbeitet seit Monaten unter Einschränkungen, so dass ein Beschlusszeitpunkt heute noch nicht feststeht. Beachten sollte man dabei auch, dass die Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag für solche Gesetzgebungsprozesse einiges an Verhandlungen erfordert, da der Stabilitätspakt der Regierungskoalition R2G mit der CDU ausgelaufen ist. Das es nicht einfach wird zeigt sich daran, dass die Beitragsrückerstattungen schon bei den Verhandlungen zum Haushalt 2021 nicht durchsetzbar waren. Also ausgemacht und sicher, wie die Wählergruppe „PRO HBN“ schreibt ist das Ganze noch gar nicht, da R2G leider nicht über die Mehrheit im Landtag verfügt, wie bekannt sein sollte.
Hinsichtlich der Möglichkeit der Stundung hat Bürgermeister Kummer bei der Rechtsaufsicht nachgefragt, wie weitere Schritte aussehen könnten, statt damit zu warten, bis der Stadtrat sich bequemt. Das entspricht den Pflichten eines Bürgermeisters als Verwaltungsleiter und das dürfen Eltern und Kinder der Stadt auch von ihm erwarten. Keineswegs hat er die absurde Pflicht, hier die Hände in den Schoß zu legen, bis die Wählergruppe „PRO HBN“ sich so gnädig erweist und ihrerseits huldvoll dem Bürgermeister „gestattet“, initiativ zu werden.
Die Kommunalaufsicht hat der Stadt daraufhin mitgeteilt, dass auf die Einforderung des Einkommensnachweises der Eltern vorübergehend verzichtet werden kann, um die Elternbeiträge zu stunden. Am Ende bedeutet dies aber vorerst nur einen Aufschub für die Eltern und den besagten Mehraufwand (zusätzliche Antragstellung für die Eltern, zusätzliche Bescheidung durch die Stadt). Es erspart darüber hinaus den Stadträten nicht, eine grundsätzliche, satzungsrechtliche Entscheidung in der Erstattungsfrage zu treffen.
Die Stadtratsfraktion der DIE LINKE. hätte dafür bereits am vergangenen Samstag gern getagt und die Vorlage des Bürgermeisters unterstützt. Die nachteilige Auswirkung der Nachfragen von einzelnen Stadträten bei der Rechtsaufsicht zuungunsten der Eltern bleibt vorerst einmal bestehen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, zu erfahren, ob es den Tatsachen entspricht, das in anderen Gemeinden sehr wohl die für die Eltern günstigere Regelung ohne ähnliche Aufwallungen wie im Fall Hildburghausen bereits praktiziert wird und ob diese Gemeinden tatsächlich auch alle in kürzester Zeit die dafür notwendigen satzungsrechtlichen Grundlagen geschaffen haben. Dies war aber wohl nicht Gegenstand der Anfragen bei der Rechtsaufsicht.
Stadträte sollten unserer Meinung nach in ihrem Tun und Lassen immer als prioritäres Ziel ansteuern, den Einwohnern das Leben soweit wie möglich zu erleichtern und das Gemeinwesen zu organisieren, insbesondere unter den derzeitigen außergewöhnlichen Bedingungen. Zumindest im vorliegenden Fall hat die Wählergruppe „PRO HBN“ im erneuten Versuch, den Bürgermeister um jeden Preis in die Parade zu fahren, einen anderen Eindruck hinterlassen.
Denn an dieser Stelle wirkt auch der Verweis auf die eigene Gefährdungsbesorgnis wegen Corona zumindest etwas bemüht: Am 23. Dezember 2020, als die Inzidenzzahlen im Landkreis keineswegs günstiger aussahen, hatte die Wählergruppe „PRO HBN“ kein Problem, an einer einberufenen Sitzung des Stadtrats in Präsenz teilzunehmen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, Angst vor der Ansteckung mit Covid-19 ist nachvollziehbar. Aber wir haben bereits mehrfach erlebt, dass es im Stadttheater ohne weiteres möglich ist, eine Sitzung unter Einhaltung der AHA-Regeln durchzuführen, erst recht jetzt, da die Einschränkungen offenbar erste, vorsichtige Wirkung bei der Inzidenzentwicklung zeigen. Voraussetzung: Es halten sich alle Teilnehmer an die Regeln, auch im Sitzungsgebäude. Eine höhere Tagungseffektivität verringert das Gefährdungspotential zusätzlich. Denn es reicht durchaus, wenn man einen Standpunkt einmal äußert, statt diesen ständig zu wiederholen.
Die Wählergruppe „PRO HBN“ besitzt kein Privileg gegenüber dem Bürgermeister. Sie sind ein vierköpfiger Teil eines fünfundzwanzigköpfigen Stadtrats. Dieser hat in seiner Gesamtheit über die Belange der Stadt zu entscheiden, zumeist öffentlich. Ausnahmen wie das Personalwesen obliegen ausschließlich dem Bürgermeister. Das zu respektieren hat nichts damit zu tun, dass der Bürgermeister nicht kommunizieren würde.
Apropos Kommunikation: Die von mir als Vorsitzendem der DIE LINKE.-Stadtratsfraktion schon vor geraumer Zeit im Ergebnis der Debatte zur Freibadsanierung ausgesprochene Einladung zum kontinuierlichen Gespräch erhalte ich gegenüber der Wählergruppe „PRO HBN“ aufrecht. Auch wenn sie trotz des hier wieder behaupteten Kommunikationsbedarfs von der Wählergruppe „PRO HBN“ bisher unbeantwortet blieb.
Steffen Harzer
Fraktionsvorsitzender der Stadtratsfraktion Die Linke.
im Stadtrat Hildburghausen
Foto: Privat