Offener Brief an Bürgermeister Tilo Kummer, die Stadträte und sonstige Entscheidungsträger von Hildburghausen: Naturrasen vs. Kunstrasen
Offener Brief. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kummer, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte und sonstige EntscheidungsträgerInnen zum Thema Kunstrasenplatz für den FSV 06 Eintracht Hildburghausen, wir, die Nabugruppe Hildburghausen, möchten nach Kenntnisnahme über die Entscheidung einen weiteren Kunstrasen in Hildburghausen anzulegen, unser berechtigtes Veto einlegen. Wir haben gemeinschaftlich Argumente zusammengetragen. Sie als politische Entscheidungsträger haben vorrangig die Belange des Umwelt- und Naturschutz zu prüfen und auf eine nachhaltige Strategie zum Thema Sportstätten zu achten. Wir bitten Sie daher sorgfältig nachfolgende Argumente abzuwägen und in Ihre Entscheidung einfließen zu lassen:
Naturrasen ist ein biologischer Spielfeldbelag und ein Lebensraum. Ein dichter Sportrasen ist die ideale Spielfläche für Erwachsene und Kinder. Dies gilt nicht nur für den Fußball, sondern generell für alle Rasensportarten. Laut einer Umfrage der National Football League (NFL) bewerten 93 Prozent aller Befragten Naturrasen als optimalen Spielbelag mit der geringsten Verletzungsgefahr.
Er ist kein toter Baustoff, sondern eine lebende Kultur. Diese erbringt zahlreiche vegetationstechnische Leistungen, benötigt aber naturgemäß eine gewisse Pflege. Ein dichter Rasen bietet Spannkraft und Elastizität. Stöße werden dadurch ausgeglichen und die Spieler geschützt. Weitere positive Eigenschaften, wie die Scherfestigkeit, Gleitfähigkeit sowie der mögliche Kraftabbau bieten beste Voraussetzungen für jeden Rasensport.
Ein Naturrasen beeinflusst im Gegensatz zu Kunstrasen seine direkte Umwelt und das Mikroklima positiv. Der Rasen produziert als Stoffwechselprodukt der Photosynthese Sauerstoff. 250 Quadratmeter Rasenfläche sichern in der Wachstumszeit den täglichen Sauerstoffbedarf einer vierköpfigen Familie.
Aufgrund der Photosynthese absorbiert ein Naturrasen dazu auch noch Luftschadstoffe wie Kohlendioxid und Schwefeldioxid und bindet diese. Ein natürlicher Sportrasen trägt somit auch zur Verminderung des Treibhauseffektes bei. Eine Rasenfläche mit der Größe eines Fußballfeldes bindet jährlich schätzungsweise 8,5 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre. Schwebstoffe und Staub werden in der Rasennarbe festgehalten und die Luft somit sauberer.
Kunstrasen trägt hingegen gar nicht zur Saubererhaltung der Luft bei. Beim Bespielen wird das Gummigranulat klein gespielt. Dieser Abrieb gelangt als Schwebeteilchen in die Luft und kann im schlimmsten Falle krebserregend sein.
Und jeder, der schon einmal auf einem Kunstrasen gespielt hat weiß, dass nach der Partie das Granulat an Schuhen, Kleidung und Körper klebt. Auch bei starkem Regen wird das Granulat abgetragen und in die Umwelt getragen. Auf einem Fußballplatz liegen in etwa 35 Tonnen Granulat. Laut Schätzungen des Frauenhofer Instituts verursachen Kunstrasenplätze in Deutschland deshalb mehr Mikroplastik als Kosmetika und Kunsttextilien zusammen. Die EU erwägt deshalb, das Kunststoff-Granulat bis 2022 zu verbieten. Seit 2011 werden deswegen z. B. in Bremen keine Kunstrasenplätze mit Granulatbefüllung mehr neu gestaltet.
Selbstverständlich bietet die Industrie hierzu bereits Alternativen, die jedoch weniger gut bespielbar sind als das Granulat. An erster Stelle folgt hierbei Korkgranulat und an zweiter Stelle Quarzsand. Beides Materialien, die nicht unbegrenzt in unserer Umwelt vorkommen. Laut Aussagen von Fußballern haben diese auch weniger gute Eigenschaften wie das Granulat, welches dem Naturrasen wohl am Nähsten kommt.
Und wer läuft nicht gerne im Sommer barfuß über einen Rasen? Der Rasen kühlt durch seine Verdunstungsleistung im Sommer seine Umgebung ab. Dies führt dazu, dass sich Sportler auf Naturrasen wohler fühlen, als auf Kunstrasen. Denn dieser gibt direkt die Wärmestrahlung der Sonne an seine Umgebung ab. Nicht selten werden auf Kunstrasen Temperaturen von bis zu 50°C gemessen.
Naturrasenflächen verhindern Bodenerosion, den Eintrag von Schadstoffen in Gewässer und speichern Regenwasser. Außerdem nimmt das dichte Wurzelwerk eines Rasens Nitrat in großen Mengen auf, sodass unter Rasenflächen kein Nitrateintrag ins Grundwasser zu befürchten ist.
Untersuchungen haben gezeigt, dass der Eintrag von Nitrat unter Rasenflächen bei sachgemäßer Düngung zu vernachlässigen ist, da das fein verzweigte Wurzelwerk annähernd ganzjährig Nährstoffe aus dem Boden aufnimmt (Hardt, 1994). Kunstrasen dagegen leistet keinen Beitrag zum Bodenschutz.
Naturrasenflächen sind nicht brennbar und stellen dadurch eine effektive, natürliche Barriere gegen Flächenbrände dar. Kunstrasen hingegen ist zumeist brennbar, was besonders bei mutwilliger Zerstörung zum Problem wird. Betroffene Brandstellen müssen dann unter hohem Kostenaufwand ausgetauscht werden.
Darüber hinaus weckt Naturrasen Emotionen und regt die Sinne an. Man erinnere sich dabei z.B. an den Geruch eines frisch gemähten Rasens. Er schafft ein beruhigendes Umfeld, das sich in erheblichem Maße positiv auf Spieler und Zuschauer auswirkt. Das Spielfeld bietet je nach Witterung unterschiedliche Bespielbedingungen, gerade bei nassem Untergrund wird so manche Grätsche mit einem Raunen begleitet.
Ein Naturrasen kann bei guter Pflege uneingeschränkt haltbar sein, da er immer wieder durch Nachsaat verjüngt werden kann. Die Lebensdauer eines Kunstrasens ist dagegen, in Abhängigkeit von seiner Beanspruchung, auf ca. 12 Jahre beschränkt. Dann steht die Stadt vor dem neuen Problem eines Austausches. Es muss ein neuer Kunstrasen hergestellt und der alte umständlich entsorgt werden. Je nach Hersteller ist dies mit unterschiedlich hohem Aufwand und Kosten verbunden.
Der FSV lehnt aktuell die Sanierung des alten Platzes ab, da der Spielbetrieb unterbrochen werden muss. Soll dann nach Ende der Nutzungsdauer wieder ein neuer Platz gefunden werden, um den Spielbetrieb nicht zu behindern? Welche Flächen sollen wir dann zukünftig für den nächsten Kunstrasenplatz vorhalten und wo? Wir plädieren an dieser Stelle für eine nachhaltige Rasenvariante und auf Verzicht des Einsatzes von Kunststoff, der schließlich aus dem sowieso schon knappen Rohstoff Erdöl gewonnen wird.
In Hinblick auf die Benutzbarkeit wurde dahingehend argumentiert, dass Naturrasen bei nasser Witterung und Schnee und Frost nicht bespielt werden sollte. Ein Kunstrasen sei laut Aussagen das ganze Jahr benutzbar. Dies ist jedoch auch eingeschränkt durch Frost und Schnee. Auch dann ist ein Kunstrasenplatz zu sperren. Vom Schneeräumen ist laut unseren Recherchen abzuraten, weil es dabei zur Verschiebung der Markierung kommen kann.
Laut weiteren Recherchen betragen die Nutzungsstunden eines Naturrasens im Winter, d.h. in etwa vom 1. November bis 31. März, ca. 1,5 Stunden am Tag. In der übrigen Zeit ist der Rasen drei Stunden täglich nutzbar. In Summe ergibt das überschlägig 962 Nutzungsstunden im Kalenderjahr.
Man könnte davon ausgehen, dass ein Kunstrasen im Prinzip rund um die Uhr bespielbar ist. Jedoch ergaben unsere Recherchen, dass mehr als 2.000 Nutzungsstunden pro Jahr auf Kosten der Lebensdauer eines Kunstrasens gehen. Geht man davon aus, dass der Verein den Sportplatz in der Regel etwa 5 Stunden täglich nutzt, kommt man jedoch nur auf 1.850 Nutzungsstunden. Hier sind noch Sommer- und Winterpausen anzuziehen. Wodurch man im Regelbetrieb nicht einmal annähernd an diese Grenze heranreicht.
Wir stellen darüber hinaus fest, dass die Stadt Hildburghausen weitere Sportplätze d.h. Fußballfelder in der Stadt Hildburghausen vorhält und pflegt. In den Stadt- und Ortsteilen Bürden, Weitersroda, Birkenfeld, Leimrieth, Pfersdorf, Häselrieth und Ebenhards wird je eine Spielfläche vorgefunden.
Diese sind für vitale Dörfer auch so gewünscht. Da diese Flächen jedoch nicht voll ausgelastet sind, regt die Nabugruppe Hildburghausen die Durchführung einer umfassenden Analyse aller Sportflächen und daraus resultierend eine Fortschreibung der Sportflächenleit- bzw. bedarfsplanung an. Hier sollte geprüft werden, inwieweit diese jeweils genutzt werden und darüber hinaus durch den FSV mitgenutzt werden könnten. Die Plätze in Birkenfeld und Häselrieth sind auf kurzem Weg zu erreichen. Man kann z.B. auch den Sportplatz von Leimrieth von Hildburghausen aus über den Radweg erreichen und hierbei schon das Aufwärmtraining absolvieren. Ein schon seit Jahren von den Einwohnern von Weitersroda ersehnter Radweg würde auch hierhin eine günstige Erreichbarkeit garantieren.
Ebenso regen wir an, den Trainingsbetrieb im Winter auf die vorhandenen Sporthallen zu verschieben. Außerdem sollte durch die Trainer geprüft werden, inwiefern sich im Winter andere Trainingsmethoden bzw. Reize, wie z.B. Schwimmen, Spinning, Langlauf oder Gerätetraining auf die Kondition der Sportler auswirken und somit die Nichtbespielbarkeit des Naturrasens kompensiert werden kann.
Wir möchten abschließend an dieser Stelle ein paar Quellen zitieren:
• „Ein Naturrasen ist – bei guter Pflege – durch seine lange Haltbarkeit der nachhaltigste und ressourcenschonendste Sportbelag.“ (sportstättenkonzepte.de)
• „Ein gut gepflegter dichter Rasen ist nicht nur das Aushängeschild des Sportvereins oder der kommunalen Grünflächenverwaltung, sondern auch die Gewähr für eine positive Umweltwirkung.“ (klei-sportplatzbau.de)
• „Resumée: Gefühlte achtzig Prozent der Plätze von Amateurvereinen bestehen immer noch aus Naturrasen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Taktik grundlegend ändert. Der Kostenfaktor und der bei Fußballern beliebte Untergrund sprechen eine deutliche Sprache. Zudem halten sich die Ausfallzeiten in unseren Breitengraden im Rahmen. Als Alternative gönnt sich der eine oder andere Klub jedoch einen künstlichen Platz.“ (sportflaechen.de)
• „Für die natürliche Lösung muss nicht geworben werden, denn sie findet sowohl bei Freizeit- als auch Profifußballern großen Anklang.“ (www.belrobotics.com)
• „Das Spiel ist spannend und es wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Es ist festzuhalten, dass Kunstrasen als Alternative zu Naturrasen eingesetzt wird. Bei der dritten Generation von Kunstrasen wurden die größten Mängel behoben. Jedoch bleibt der Naturrasen weiterhin Favorit von Spielern und Trainern.
Letztendlich ist der Eckpfeiler beider Lösungen die Pflege des Platzes. Die Qualität, sowohl von Naturrasen als auch von Kunstrasen (hauptsächlich durch die Füllungsarten festgelegt), ist ausschlaggebend für die Zufriedenheit sowie den der Investition zugewiesenen Wert.“ (www.belrobotics.com)
Zusammenfassend stellen wir fest, dass vor einer Entscheidung noch vieles bedacht und angegangen werden sollte. Der Naturschutz sollte dabei nicht nachrangig betrachtet werden. Wir appellieren hier an Sie: Mehr Natur in unserer Stadt und somit auch in unseren Sportstätten! Es liegt in Ihrer Hand.
Mit freundlichen Grüßen
die Mitglieder der Nabugruppe Hildburghausen
Foto: Südthüringer Rundschau
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