Wir schaffen den Weg aus dieser Pandemie nur gemeinsam!
Leserbrief. Ich lese interessiert aus der Ferne die „Südthüringer Rundschau“ und denke, dass man durchaus langsam zu etwas mehr Sachlichkeit bezüglich der sensiblen Corona-Problematik zurückkehren sollte. Das aktuelle dramatische Szenario ist – aus meiner Sicht – maßgeblich vor allem auf diese Ursachen zurückzuführen:
1. Krisen-Management
Es ist geradezu haarsträubend, wie dilettantisch nicht nur Deutschland in diese Pandemie hineingestolpert ist. Zumal wir schon Jahre zuvor mehr als einmal nur haarscharf an Pandemien vorbei geschrammt waren. Sicher: Niemand kann sich auf jedwede Bedrohung und jedweden Erreger vorab einstellen. Dass aber in einer Pandemie eine Gesichtsmaske das wichtigste Schutz-Requisit sein würde, hätte sich eigentlich bis nach Berlin schon herum geschwiegen haben müssen. Doch als man diese Schutzmasken dringend brauchte, war es die Privatwirtschaft, die die Bevölkerung zu Anfangs notdürftig versorgte, derweil die Politik panisch begann, asiatische Hersteller zu kontaktieren. Horrende Preise wurden in diesem Vakuum deshalb anfangs für einfachste Masken ausgerufen, weil die heute so lautstark klug daher schwätzenden „Experten“ die Politik nicht einmal zur Bevorratung dieses einfachsten Hilfsmittels rechtzeitig geraten hatten.
Satt und selbstzufrieden haben wir uns in den reichen Industrieländern auf die Paragrafen unserer Infektionsschutzgesetze verlassen, die schon alles im Ernstfall bürokratisch korrekt regulieren würden. Viele kostbare Wochen hatte man gebraucht, um überhaupt auf Bundesebene ein koordiniertes Vorgehen hinzubekommen, anstatt schon früh selbstbewusst die Bevölkerung auf eine klare Marschrichtung einzuschwören. Bis dahin kochte jedes Bundesland, jeder Landkreis, jede kleinste Gemeinde mehr oder weniger „sein eigenes Süppchen“ und erfand die absurdesten Schutzbestimmungen. So absurd und auch oft widersinnig, dass schon von Anfang an viel von der Akzeptanz in der Bevölkerung irreparabel zerstört wurde.
Noch heute, zwei Jahre (!) später, herrscht weitgehend dasselbe Chaos in diesem „Krisenmangement“, in dem eher experimentiert und reagiert, anstatt vorausschauend agiert wird.
2. Informationslärm
Gleich zu Beginn der Pandemie erlebten wir eine geradezu atemberaubend inflationäre Vermehrung der „Corona-Experten“. Vom gestandenen Virologen über das hinterwäldlerischste Provinz-Ärztlein bis zum schlimmsten Youtube-Deppen plärrte und jaulte alles mit, was ein Sprachrohr bekam. Jeder spontane Furz im Hirn gelangte an die verunsicherte Öffentlichkeit. Ich habe noch journalistisch gearbeitet zu einer Zeit, da man Fakten zuerst sorgfältig verifizierte, bevor man sie auf die Leserschaft losließ. Heute geht es in der Medienlandschaft zu wie auf einem Hamburger Fischmarkt: Wer am lautesten die spektakulärsten Neuigkeiten hinaus brüllt, bekommt die meiste Aufmerksamkeit und Akzeptanz. Alles, was der „Informationsmarkt“ hergab, wurde spontan und innerhalb von Minuten von den Medien – kaum geprüft – in die Öffentlichkeit gespült. Sogar massiv verwirrte Schlagersänger bekamen ihre eigene Plattform und jede noch so blöde Spekulation unter den selbsternannten „Experten“ wurde gnadenlos auf die verängstigten Menschen losgelassen.
Informationen in einem Katastrophenfall haben eine immens wichtige Funktion bei der Steuerung der öffentlichen Wahrnehmung. Je mehr Angst bei Menschen ausgelöst wird, je mehr Widersprüche die Menschen verunsichern, desto panischer und unkontrollierter wird die Reaktion. Der anfängliche absurde Krieg im Supermarkt um‘s Klopapier zu Beginn der Pandemie machte eindrucksvoll deutlich, was unüberlegt veröffentlichte Fakten auslösen. Gerade Wissenschaftler sollten wissen, dass man besser bestimmte Vermutungen erst einmal ruhig mit den verantwortlichen Politikern hinter verschlossenen Türen beraten sollte, um dann eine wohl durchdachte Informations-Essenz generieren zu können.
Stattdessen wurde die Bevölkerung mit jeder spontanen Prognose und Einschätzung von unzähligen Virologen, Epidemiologen oder „Gesundheitsexperten“ in einer ermüdenden Dauerschleife auf allen Informationskanälen penetriert. Diverse „Experten“ kosteten genüsslich in täglichen Talkshows und eigenen Blogs die ihnen lange verschmähte Aufmerksamkeit aus. Als dann noch die „Experten“ untereinander ein kindisches „Armdrücken“ um die beste Einschätzung und Prognose begannen, war es endgültig vorbei mit deren Glaubwürdigkeit. Das schuf ein geradezu ideales Feld für all jene Zeitgenossen der Sorte „Wissen nix, können aber alles erklären“, die nun für die wirrsten Verschwörungstheorien ein dankbares Publikum fanden. Wer also heute gegen die Impfgegner zetert, sollte vielleicht darüber nachdenken, ob wir nicht alle an diesem Misstrauen in großen Teilen der Bevölkerung munter mitgewirkt haben. Ich habe mich für die Impfung entschieden, aber damit zähle ich mich nicht zu den „Gutmenschen“, die sich jetzt an diesem Kesseltreiben gegen Ungeimpfte beteiligen dürfen. Denn auch ich kann nicht endgültig sagen, ob diese Entscheidung für diese neuartigen Präparate richtig war!
3. Impfung
So widersinnig das ist, aber auch die „Impfung“ selber hat maßgeblich Anteil am aktuellen Dilemma. Fatal ist hier vor allem, dass man mit den verfügbaren Vakzinen den Begriff „Impfung“ ins Spiel brachte. Mit dem Begriff „Impfung“ aber verbindet der Bürger (ja, und auch die Bürgerin) eine langfristige Immunisierung (mit einem überschaubaren Restrisiko natürlich). Und wieder waren die Medien (allen voran eine große Boulevardzeitung) kräftig daran beteiligt, den Menschen die einfache Formel zu vermitteln: „Impfung = Rückkehr in die Freiheit und das normale Leben“. Heute weiß man, dass dieser „Impfschutz“ schon nach rund sieben Monaten in den meisten Fällen quasi nicht mehr nachweisbar ist, und schon nach einem Vierteljahr deutlich zurückgeht. Das ist verzeihlich, denn wir haben es mit einem wirklich perfiden Erreger zu tun. Die geimpften Menschen aber wogen sich in großer Sicherheit, probten in diesem Jahr erstmals wieder so etwas wie „Normalität“. Das Resultat dieser Besorgnislosigkeit spiegelt sich jetzt zu einem erheblichen Teil in den aktuellen katastrophalen Infektionszahlen wider. Keiner kann heute sagen, wie oft wir uns nun impfen müssen, wie wir das als Gesellschaft auf Dauer stemmen wollen und wie riskant dieses „Dauerimpfen“ letztendlich ist.
Andererseits: Auch wenn es hier vielen Lesern nicht schmeckt: Ja, auch die Impfgegner tragen dramatisch zum aktuellen Geschehen bei. Der „Infektionsschutz“ der aktuellen „Impf“stoffe ist zwar kurz, eine schnelle Akut-Immunisierung der Bevölkerung von 80 Prozent und mehr hätte die aktuellen Viren-Varianten aber mächtig ins Schwitzen gebracht, denn das Virus braucht willige und verlässliche Wirte. Das Krankenhaus-Chaos hätten wir eventuell in diesem Herbst verhindert!
Natürlich: Auch diese erwünschte hohe Impfquote wäre nur eine Entlastung auf Zeit. Denn eine Pandemie wird nicht hier bei uns beendet, wenn in vielen Teilen der Erde die Impfquote nicht einmal zweistellig ist. Dort bleibt ein vitaler Nährboden für das einfallsreiche Virus, um noch aggressivere Varianten auszubilden. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis hier Mutationen auftauchen, die den aktuellen „Impfschutz“ erfolgreich unterwandern. Und dann heißt es erneut: Alles zurück auf Anfang.
Fazit: Diese Pandemie wird uns noch lange in Atem halten, auch wenn uns die Politiker und „Experten“ jedes Jahr erneut mit den immer gleichen Durchhalteparolen gnädig stimmen wollen. Zurzeit wissen wir zu 100 Prozent nur, dass wir alle (!) keine verlässliche Prognose abgeben können. Und jeder, der das versucht (auf welche Art auch immer), handelt fahrlässig, perfide und ist ein schäbiger Rattenfänger! Wir alle können zu diesem Zeitpunkt nur entscheiden, WIE wir aus dieser Pandemie als Gesellschaft einmal hervorgehen wollen. Aktuell läuft alles auf eine gefährliche Spaltung der Gesellschaft hinaus. Wir können aber nur gemeinsam (!) die gesundheitlichen und ökonomischen Nachwehen dieser Katastrophe bewältigen. Wer immer also ab jetzt meint, weiteres Benzin ins Feuer gießen zu wollen, sollte überlegen, ob er einmal in dieser aufgehetzten Gesellschaft später leben will, die er dann mit verursacht hat und den angeblich so schützenswerten Kindern hinterlassen will!
In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund – geimpft oder ungeimpft!
Guido Gennerich
Dormagen
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