Putins Strategie
Leserbrief. Mit einer emotionalen Rede des Historikers Götz Aly wurde am 26. Januar 2019 im Thüringer Landtag an die Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Damit wurde auch an den 27. Januar 1945, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz -Birkenau erinnert. Noch wenige Tage vor der Befreiung sind etwa 10.000 Häftlinge auf einen Todesmarsch geschickt worden, bevor die noch verbliebenen 7.000 Häftlinge von den Soldaten der 60. Roten Armee der 1. Ukrainischen Front befreit werden konnten. Die Soldaten hatten auf dem langen und opfervollen Weg zur Befreiung ihres Vaterlandes schon viele Grausamkeiten der faschistischen Deutschen Wehrmacht und der SS-Truppen erlebt. Aber das, was sie in Ausschwitz-Birkenau an Unmenschlichkeiten vorgefunden haben übertraf alles bisher gesehene. Am Abend dieses Tages vermerkte der Regimentskommandeur in seinem Tagebuch die eigenen Verluste mit 14 Gefallenen und 86 Verwundeten. An diesem denkwürdigen Tag gelang es der Roten Armee aber auch, den Blockadering der faschistischen Wehrmacht um Leningrad zu durchbrechen. Leider haben andere und besonders die Vertreter der AfD die geschichtliche Bedeutung dieser Ereignisse bis heute nicht verstanden. Bereits eine Woche nach dem feierlichen Gedenken in Sankt Petersburg druckt das „Freie Wort“ am 1. Februar 2019 einen Leitartikel von Ulrich Krökel unter der Überschrift „Putins Strategie“ und stellt darin fest, „Die klassische Sandkastenfrage, wer angefangen, führt nicht weiter“.
Für mich war das Anlass, den folgenden Leserbrief an die Tageszeitung zu schreiben. Nachdem man mir für den „interessanten Leserbrief gedankt hat und die „gekürzte“ Veröffentlichung ankündigte, war ich voller Hoffnung. Leider wurden gerade die für mich bedeutsamen Sachverhalte nicht veröffentlicht. Deshalb möchte ich für die Leser der Südthüringer Rundschau diesen Leserbrief hier anführen.
Die klassische Sandkastenfrage, wer angefangen hat, sollte unbedingt gestellt werden und führt dann zu einer völlig anderen Ansichten als sie Krökel in seinem Leitartikel darlegt. Man muss nur den Mut haben, die geschichtlichen Ereignisse offen und ehrlich zu analysieren, so wie es Götz Aly in seiner Rede im Erfurter Landtag teilweise getan hat. Bestimmt kann das „Freie Wort“ diese Rede nicht in voller Länge veröffentlichen, aber es ist sehr hilfreich sie zu lesen.
Offensichtlich hat sich Krökel nicht mit den Verbrechen der faschistischen Wehrmacht und der SS-Truppen, gerade der während der fast 900 Tage dauernden Belagerung, auseinandergesetzt. Wie könnte er sonst nach der ergreifenden Trauerrede Putins auf dem Leningrader Ehrenfriedhof diesem zu unterstellen:
„Es wäre zu viel gesagt, wollte man behaupten, dass diese Geschichte die Politik des russischen Präsidenten wesentlich mitbestimmt“.
Ist es für Krökel so schwer nachzuvollziehen, dass dieser rassistischer Vernichtungskrieg im Bewusstsein des russischen Volkes mit 27 Millionen Toten tief verwurzelt ist und damit sehr wohl die Politik Putins bestimmt. Was sollen die russischen Menschen von uns Deutschen halten, wenn sie solche Worte hören und sehen, dass deutsche Panzer wieder unmittelbar vor Sankt Petersburg stehen. Ein ehrendes Gedenken an die Befreiung Leningrads die gleichzeitig am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau stattfand hätte uns zu Ansehen verholfen. Die Geschichte der Blockade Leningrads ist in der Dokumentation von Dr. Daniel Niemetz bei der MDR Zeitreise sehr umfassend dargestellt. Und man sollte auch daran erinnern, dass ein Buch über die Blockade Leningrads heute Pflichtliteratur an russischen Schulen ist.
Was sind das für krude Annahmen, dass ein „russisch-sowjetisches Imperium wiederhergestellt werden soll“. Die Sowjetunion hat aufgehört zu bestehen. Und was hat Putin damit zu tun, dass „die Menschen im Baltikum, in Polen oder der Ukraine über Jahrhunderte hinweg russischer Aggression ausgeliefert waren“
Aus völkerrechtlicher Sicht ist der Beitritt der Krim zu Russland auf Grund eines Volksentscheides auch nicht als Annexion zu bezeichnen, auch wenn das immer wieder gerne so dargestellt wird. Sehr ausführlich und aufklärend hat das die langjährige ARD-Korrespondentin in Moskau, Prof. Dr. Krone-Schmalz, dargestellt.
Hätte Krökel sich die Recherchen der von der EU eingesetzten „Unabhängigen Untersuchungskommission zum Konflikt in Georgien“ angesehen, könnte er auch nicht schreiben, „dass Krieg im Kreml als legitimes Mittel der Politik gilt“ In dem Bericht der EU Kommission, unter der Leitung der im Kaukasus und Russland sehr erfahrenen Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini, heißt es, dass der Krieg in der Nacht vom 7. auf den 8. August 2008 von Georgien begonnen wurde. Übrigens von jenem Saakaschwili, der später mit seiner Leibgarde nach Kiew geflohen ist und dem die georgische Staatsbürgerschaft entzogen wurde.
Karl-Heinz Popp
Römhild
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