Die Dunkelgräfin zwischen Fiktion und Wirklichkeit – Zusammenfassung und Schlussfolgerungen – Teil 3/3
1. Die Isotopenstrukturen des Zahn-Dentins und die des Knochens zeigen ein fast gleiches Bild. Beide lassen darauf schließen, dass die Person, von der dieser Schädel stammt, ihre Kinder- und Jugendzeit in der hiesigen Region erlebte und sie auch hier bis zuletzt gelebt hat. Folglich dürfte diese Frau als Muttersprache deutsch gelernt haben. Die Dunkelgräfin aber lernte deutsch hauptsächlich erst während des Zusammenlebens mit dem Dunkelgrafen. Das beweist uns der „Geburtstagsbrief“. Und der Brief des Dunkelgrafen, den er an die Witwe Kühner schickte, belegt, dass die Dunkelgräfin „sehr gut französisch“ sprach. Also, es ist undenkbar, dass die Dunkelgräfin, wenn sie in dieser Region aufgewachsen ist, ausschließlich in französischer Sprache unterrichtet wurde.
Dieser Schädel kann deshalb nicht von der Dunkelgräfin stammen, weil sie nicht in dieser Region aufgewachsen ist. Folglich muss absolut ausgeschlossen werden, dass die Dunkelgräfin eine Einheimische gewesen ist. Die Dunkelgräfin muss im französischen Sprachraum (Frankreich, Schweiz, Belgien) ihre Kindheit erlebt haben und sie musste die deutsche Sprache erst später nach der Entlassung aus dem Temple als Erwachsene lernen.
2. Die „nicht-alltägliche“ DNA-Sequenz, die eine Verwandtschaft mit der Marie Antoinette nicht bestätigt, ist höchstwahrscheinlich auf eine Knochenvertauschung während der ersten amtlichen Graböffnung, die 1891 von Dr. Armin Human veranlasst wurde, zurückzuführen. Das Grab wurde geöffnet um ein Gerücht zu überprüfen, 1837 wäre ein Mann beerdigt worden. Man fand die Gebeine einer ca. 60-jährigen Frau. Die Isotopenanalyse bestätigt die These der Verfechter der Madame-Royale-Idee: Auch der Schädel wurde ausgetauscht, denn in dem Bericht des Dr. Human findet sich die Feststellung „… das Skelett aber und besonders die Zähne sind gut erhalten… “. Das ist ein Hinweis, dass zu diesem Zeitpunkt der originale Schädel vorhanden war und aus dem Grab herausgenommen wurde, damit er vom Stabsarzt Dr. Mielecki begutachtet werden konnte. Erst danach erfolgte der Austausch. Die Büste der vermeintlichen Dunkelgräfin, eine 3D-Gesichts-Weichteil-Rekonstruktion im Stadtmuseum Hildburghausen, weist ebenfalls darauf hin. Sie hat keine Ähnlichkeit weder mit den Ölportraits der jugendlichen Prinzessin noch mit dem Figurenkopf der 12-jährigen Prinzessin im Wachsfigurenkabinett der Madame Tussauds in London, auch nicht mit Portraits ihrer Eltern.
Wie der Facharzt für HNO-Krankheiten Dr. med. habil. H.-D. Otto festgestellt hatte, bezeugt der vorgefundene Schädel die Krankheit Parodontitis (Zahnwurzelhautentzündung) in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Die meisten Zähne fehlten, die noch vorhandenen waren krank. Hätte die Prinzessin unter dieser Krankheit gelitten, müsste sie schon in ihrer Jugendzeit über Zahnbeschwerden geklagt haben. Darüber ist aber nichts überliefert. Das ist noch ein Hinweis, dass der Schädel nicht von der Dunkelgräfin stammen kann.
3. Knochenaustausch oder Unterschiebung eines anderen Leichnams vor der Beisetzung – das ist die Frage. Für einen Knochenaustausch existiert die Tatsache einer Graböffnung 1891, bei der die reale Möglichkeit bestand, tatsächlich Knochen auszutauschen. Nach Meinung des Arztes Dr. Otto wurden beide Oberschenkelknochen herausgenommen, weil sie nicht in ihrer natürlichen Lage vorgefunden wurden. Sie waren in ihrer Lage vertauscht und axial gedreht.
Eine zweite Verstorbene aus der Region um Hildburghausen, die an Stelle der Dunkelgräfin auf dem Schulersberg bestattet worden sein soll, ist deshalb eine Fiktion, weil diese Annahme weder durch einen Isotopenstruktur-Abgleich noch durch den Spruch einer Hellseherin bewiesen werden kann. Für einen solchen Austausch gibt es nicht den geringsten Anhalt. Ein echter Beweis würde erbracht, wenn man nach einer Grabung tatsächlich menschliche Überreste finden und eine DNA-Analyse eine Verwandtschaft mit der französischen Königin Marie Antoinette bestätigen würde.
Aber solange die Gebeine der echten Dunkelgräfin nicht ausserhalb des Schulersberges und diese Verwandtschaft nicht exakt nachgewiesen sind, bleibt die These vom Knochenaustausch aktuell und ist die einzige realistische Erklärung.
4. Bei der Dunkelgräfin wurden aussergewöhnliche Merkmale (Stressmarken) diagnostiziert, die mit traumatisierenden Ereignissen im Leben der Prinzessin Marie Therese Charlotte von Bourbon belegt werden können. So lässt sich beweisen, dass die Dunkelgräfin mit der Prinzessin identisch ist. Deshalb kann am 28. November 1837 nur die Prinzessin Marie Therese Charlotte von Bourbon auf dem Schulersberg bei Hildburghausen zur letzten Ruhe gebettet worden sein.
Die Forschung muss weitergehen, weil noch nicht alle Lücken geschlossen sind. Es geht darum, diese Erkenntnisse zu bestätigen oder zu korrigieren. Denkbar sind folgende Untersuchungen, Analysen und Tests:
- Eine Gender-Bestimmung des Oberschenkelknochens, aus dem die Probe für die DNA-Analyse genommen wurde. Das heißt es sollte festgestellt werden, ob der Probeknochen (Oberschenkel) zu einer Frau oder einem Mann gehörte. Würde er von einem Mann stammen, wäre das ein eindeutiger Beweis, dass dieser Knochen ausgetauscht wurde!
- Ein weiterer Nachweis der Identität zwischen der Dunkelgräfin und der Prinzessin könnte durch einen Abgleich der Isotopenstrukturen von Wasser aus den Schlossquellen von Versailles und dem Backenzahn, mit dem Frau Prof. Dr. Wittwer-Backofen das Lebensalter der Dunkelgräfin bestimmt hatte, erbracht werden.
- Eine DNA-Analyse vom Schädel würde klären, ob die Vermutung berechtigt ist, dass auch dieser ausgetauscht wurde. Trifft das zu, ist erklärlich, warum die DNA-Sequenz mit den Referenzsequenzen nicht übereinstimmt. Eine erneute DNA-Analyse von einem anderen Knochen, zum Beispiel Hüftknochen oder Wirbel, aus dem Skelett sollte das vorliegende Ergebnis überprüfen.
- Eine DNA-Analyse von der Herzogin von Angoulême ist von grundlegender Bedeutung für die weitere Forschung und Beweisführung. Die Herzogin von Angoulême ist der Überlieferung nach die Ernestine, die von der Königin Marie Antoinette in die Königsfamilie aufgenommen wurde. Ernestine ersetzte die echte Prinzessin vor der Übergabe an die österreichische Abordnung am 26. Dezember 1795 und wurde als Madame Royale mit dem Herzog von Angoulême verheiratet. Sie wurde nach ihren Tode 1851 in der Bourbonengruft im Franziskanerkloster Kostanjevica in Nova Gorica im heutigen Slowenien beigesetzt. Es sollte mittels DNA-Analyse dringend der Nachweis erbracht werden, ob zwischen ihr und der Königin Marie Antoinette eine Verwandtschaft besteht. Fällt der Nachweis negativ aus, ist die Herzogin nicht die Prinzessin. Dann würde die Option erhärtet, die Tochter der Marie Antoinette kann in Hildburghausen die Dunkelgräfin gewesen sein.
Für diesen Film war die Entnahme von Proben für eine DNA-Analyse versucht worden, man hatte aber keine Genehmigung erhalten. Denkbar ist, dass der Franziskanerorden vorsichtshalber abgelehnt hatte, um sich später nicht vorzuhalten, den Leichnam einer falschen Prinzessin als Herzogin von Angoulême zu verwahren. Auf Dauer wird die katholische Kirche die Ablehnungshaltung nicht aufrecht erhalten können, schließlich handelt es sich im Fall Dunkelgräfin mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen kriminellen Fall.
Die Unterschiebung einer anderen Toten um zwei sich ausschließende Fakten zu harmonisieren ist eine verwegene Idee. Und doch ist dieser Erklärungsversuch ein quotenfördernder Beitrag, der mehr mit Glauben und Esoterik zu tun hat als mit seriöser Wissenschaft. Man hat eine These aufgegriffen, die einfach gestrickt, leicht verständlich ist und beruhigend wirkt. Aber sie ist falsch, weil sie jeglicher wissenschaftlichen Basis entbehrt. Kurz gesagt, es ist eine Zumutung für uns aufgeklärte Menschen – die heute im 21. Jahrhundert in den Kosmos fliegen – solche Probleme mittels Hellseher lösen zu wollen.
Der renommierte Chemie-Professor Dr. Thomas Prohaska von der Universität für Bodenkultur Wien (Standort Tulln) hat die Isotopenanalysen durchgeführt. Gegen Ende des Filmes kam er noch einmal zu Wort. Bezüglich der vorliegenden Ergebnisse sagt er: „… Das ist die Wahrheit, aber was diese bedeutet… ?“ und schaute fragend in die Kamera. Er wusste es nicht. Offenbar sind berechtigte Zweifel an diesem letzten Film angesagt – zu viele Widersprüche, Ungereimtheiten und falsche Interpretationen. Aber vielleicht können wir mit unseren Vorschlägen ein wenig dazu beitragen, der Lösung näher zu kommen.
Liebe Leserinnen, liebe Leser, was meinen Sie? Gibt es doch Leute, die an einer Aufklärung des großen Rätsels von Hildburghausen nicht interessiert sind und das gerade wieder verhindern wollen?
Hans Georg Otto / Suhl
In Zusammenarbeit mit:
Roland Eyring, Eishausen
Bernd Nickel, Aachen
Dr. Wolfgang Otto, Greifswald
Titelbild: Doppelbildnis „Portrait von Therese mit 8 Jahren (links)“ und „Prinzessin Marie Therese Charlotte (rechts)“. Foto: Privat