Wenn einen die Vergangenheit einholt
Leserbrief. Nach der Wende hatte jeder Bürger der „ehemaligen“ DDR die Möglichkeit,einen Antrag zu stellen, um zu überprüfen, ob oder wann er von der Staatssicherheit der DDR erfaßt und überprüft wurde.
Noch heute werden Hunderte von Anträge auf Akteneinsicht gestellt. Tausende Akten konnten noch nicht erfaßt werden, unzählige Akten lagern noch unter Verschluss. Die aktuellen Bemühungen der Politik, die Schließung der Außenstellen und wenn, dann nur im einem Zentralachiv die Unterlagen zu erfassen, stoßen auf großem Widerstand. Vor einigen Tagen habe ich von der Außenstelle Suhl meine komplette Akte erhalten. Es waren nicht nur einige Informationen über meine Vergangenheit, sondern über 100 Seiten einer langwidrigen Bespitzelung.
Bringt es was, alles noch einmal aus der Vergangenheit aufleben zu lassen? Wenn man nach fast 30 Jahren Aus- und Abschnitte seines Lebens aus Sicht der „damaligen Sicherheitsorgane“ erfährt, berüht es einen sehr.Wenn Freunde und Bekannte von heute, Mitarbeiter bzw. als IM für die Stasi tätig waren, muß man selbst entscheiden, was zählt mehr – das „Heute“ oder die „Vergangenheit“.
Viele sagen, laßt die Vergangenheit ruhen. Aber eine Zukunft ohne Vergangenheitsbewältigung ist sehr schwer. Jeder soll bzw. muß alleine entscheiden, welchen Einfluß eine Akteneinsicht in seiner heutigen Situation hat.
In der ehemaligen DDR wurde man bespitzelt, das war jedem bekannt. Doch wie ist es heute, bin ich ein freier Mensch ohne Bespitzelung? Nein, heute werde ich nicht in der damaligen Form bespitzelt, aber dafür überall erfaßt und registriert. Ob beim Telefonieren, beim Einkaufen mit Kundenkarte. Überall werde ich erfaßt, obwohl der Datenschutz angeblich sehr groß geschrieben wird.
Vielleicht haben wir auch eines Tages die Möglichkeit, bei den heutigen Behörden einen Antrag zu stellen, was alles über meine Person erfasst wurde.
Wolfgang Moers
Hildburghausen
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