Antwort auf Leserbrief: „Fridays for Future“ nun auch in Hildburghausen
Antwort auf Frau Schildburg und Herr Hausen, erschienen in SR, KW 13
Leserbrief. Sehr geehrte Frau Ines Schwamm, sehr geehrter Herr Jürgen Salier,
mit größten Freuden las ich die von Ihnen fiktiv unter Pseudonymen verfasste Konversation über die Unmöglich- und Unhöflichkeit einer „Fridays for Future“ Demonstration in unserem beschaulichen Städtchen Hildburghausen.
Und eins muss ich Ihnen lassen – Propaganda im Sinne der AfD nachplappern gehört zu ihren Kompetenzen, mehr dann aber auch nicht.
Denn tatsächlich war ich eine dieser Schulschwänzerinnen, die es sich heraus nimmt, für ihre Zukunft zu protestieren. Dass ich mich dann damit im Gegensatz zu Ihnen in meinen Erfahrungen nicht nur auf Sekundärquellen verlasse, möchte ich nochmals ganz besonders hervorheben.
Und tatsächlich haben Sie Recht – auf meinem Zeugnis werden wohl drei unentschuldigte Fehlstunden auftauchen – ist halt aber auch irgendwie der Sinn eines Streiks, nicht wahr?
Und lassen Sie uns ehrlich sein, ich hätte lieber den Unterricht mitgemacht. Ja, tatsächlich wäre es mir lieber gewesen, in Mathe etwas über die Integralrechnung zu erfahren, als früh morgens auf einem kalten Marktplatz für mein Recht auf eine lebenswerte Zukunft einzustehen.
Und dabei muss ich mich besonders bei Ihnen und Ihrer Generation bedanken: Ohne Ihre tüchtige Vorarbeit hätte ich mich womöglich noch mit lebensnahem Gymnasialstoff der 11. Klasse befassen müssen! Vielen Dank also, dass Sie die Erde so heruntergewirtschaftet haben, dass ich Stoff für eine Zukunft lerne, die es so nie geben wird.
Vielen Dank auch nochmals, dass Sie hervorheben, wie jung die „Fridays for Future“ Bewegung ist! Eine 16-jährige zu sehen, die trotz einer sozialen Angststörung Reden vor den weltweit machtvollsten Politikern hält, auf ihr Aussehen zu reduzieren ist dann halt wiederum nicht mehr ganz so wissenschaftlich, aber was weiß ich da schon, ich schreibe ja nur gerade eine wissenschaftliche Arbeit.
Greta Thunberg verpasst übrigens auch seit mehr als 30 Wochen 20% ihres Unterrichts und komischerweise sind ihre Englischkenntnisse halt trotzdem fortgeschrittener als die der Politiker, die besonders gerne auf ihre Schulpflicht hinweisen.
Und allgemein, Schüler*innen darauf hinzuweisen, sie sollen mit dem Protestieren aufhören, weil wir Wissenschaftler*innen brauchen, die den Klimawandel aufhalten, ist ein super Tipp! Wenn wir dann in zirka 15 Jahren lauter ausgebildete Physiker*innen haben, ist der Klimawandel halt aber auch schon unumkehrbar. Aber Sie sind da wahrscheinlich schon tot, also noch aus dem Planeten Gewinn ziehen, wo es nur möglich ist. Schließlich werden die 23.000 Wissenschaftler*innen, die unsere Bewegung unterstützen, besonders von Ihnen ernst genommen.
Tatsächlich überrascht mich Ihre Aussage, es hätte nur wenig Anteilnahme an unserer Demo gegeben. Aber dass Schüler trotz des Gerüchts, es gäbe prophylaktische Sechsen, an der Demonstration teilgenommen haben, betont erneut ausschließlich unsere Schulverdrossenheit.
Wirklich dankbar bin ich jedoch für Ihre Aufforderung an „Kinder“, sich aktiv am Umweltschutz zu beteiligen! Ernsthafte schulische Konsequenzen zu riskieren, um zu verdeutlichen, dass es eine radikale Wende in der Klimapolitik bedarf, ist nämlich tatsächlich nicht genug.
PS: Also ich lebe vegan und laufe zur Schule, und Sie so?
Merle Koch
Hildburghausen
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