Strategie & Supermarkt
Kürzlich habe ich meine alljährliche Runde durch die „Innenstadt“ von Hildburghausen gedreht, um die dortigen Geschäfte mit Plakaten für das Paradiesvogelfest (vom 29. Mai bis 2. Juni 2019) zu versorgen.
Dortige Geschäfte? Es werden von Jahr zu Jahr weniger. Wie man hört, denken weitere Ladenbetreiber ans Aufhören.
Das ist keine exklusive Hildburghäuser Problematik. Der gute, alte Fachhandel hat einen jahrzehntelangen Niedergang hinter sich – dank eines globalisierten Kapitalismus, der auf Massenumschlag und standardisierte Kettengeschäfte setzt.
Gegen diese Dampfwalze hat der kleine Laden oft keine Chance. Vor allem, wenn die örtlichen Entscheidungsträger keine Strategie verfolgen, die den Einzelhandel unterstützt.
Der Neubau am früheren Schlossplatz in Hildburghausen beispielsweise ist ein Mahnmal der Ideenlosigkeit.
Man hätte aus diesem Platz zwischen Markt und Schlosspark einen Meilenstein der Stadtentwicklung machen können. Mit vielen kleinen Läden, mit spannender Gastronomie, mit bürgernaher Dienstleistung.
Mit einer ansprechenden Gestaltung von Außenanlagen, die zum Verweilen einladen, hätte dieser Ort im Herzen der Stadt sogar als neuer Treffpunkt und Forum der Bürger dienen können.
Das hätte die Stadt zwischen Marktplatz und Schlosspark aufgewertet und das Stadtzentrum nachhaltig belebt.
Hätte, hätte, Fahrradkette. Stattdessen wurde mit reichlich Pfusch am Bau ein liebloses 08/15-Betonmonster hingestellt. Die Ladenflächen wurden verscheuert an den 47. Supermarkt in Hibu – und an weitere Filialen anonymer Großkonzerne.
Natürlich gehe auch ich jetzt dort öfter einkaufen. Was soll man tun, inmitten des absurden Hildburghäuser Supermarktterrors?
Mir war aber ehrlich gesagt die charmante Brachfläche vorher lieber als dieses Architekturverbrechen. So wurde das Stadtschloss gewissermaßen ein zweites Mal, und endgültig gesprengt.
Diese krasse Fehlentwicklung fiel bekanntlich noch in die Zeit von Bürgermeister Steffen Harzer. Um aber ganz sicher zu gehen, dass das Aussterben des Fachhandels im Herzen der Stadt auch wirklich weitergeht, wird diese falsche Linie unter „Oberbürgermeister Professor Dr.“ Holger Obst und seinem „Gefolge“ im Stadtrat unbeirrt fortgesetzt.
Bald also wird das Kaufland massiv erweitert und ausgebaut. Alle Proteste des Werberings waren vergeblich.
Noch mehr Kaufkraft fließt ab aus dem Stadtzentrum. Die meisten Steuereinnahmen fließen ebenfalls ab. Zum Standort der Konzernzentrale.
Gleichzeitig verwaist die Stadt rund um unseren wunderschöner Marktplatz, mit seinem geschlossenen Ensemble jahrhundertealter Architektur.
Es ist ein Jammer.
Prinz Chaos II.
Weitersroda
Fotos: Südthüringer Rundschau