„Manchmal ist das Glück ein Gast, der noch ein bisschen bleibt“ – Der Pennsylvania State University Concert Choir in Römhild
Römhild. Mitten in der Woche ein Römhilder Konzertwagnis! Das beschauliche Landstädtchen als Ziel eines amerikanischen Universitätschoares. Kann das gutgehen? Oh ja, sehr gut! Die Kirche voll, die Begeisterung überschäumend, der Abend ein Geschenk.
Am Nachmittag treffen sie ein, stürmen staunend und verblüfft unsere Kirche, gebaut längst vor „amerikanischer Zeit“, beginnen sofort mit den Proben und sind hingerissen von der Akustik. (What a sound!) Wer jetzt draußen vorbei läuft, der traut seinen Ohren nicht: Die Kirche singt! Die Mauern, die Fenster, das Dach – Alles tönt wie in tausend Stimmen, obwohl es doch „nur“ vierzig sind. Am Abend wird das noch überwältigender sein: Dann wird die ganze Welt singen, zumindest alle, die etwas vom Himmel (haeven) wissen.
Nach der langen, harten und strengen Probe kommt die vieltönige Jugend durchgefroren herüber ins Pfarrhaus (Pennsylvania kennt allerhand wärmere Orte als die Stiftskirche am 8. Mai 2019) „O, cakes!“, rufen die ersten und stürzen sich auf den reichhaltigen Römhilder Kuchen. Es wird laut, turbulent und fröhlich im uralten Gemäuer. Wir mischen Deutsch, Englisch und irgendetwas dazwischen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. (America meets Römhild) Es ist eine wunderbar offene und freundliche Jugend. Wir sind glücklich, sie bei uns zu haben, ausgerechnet am 8. Mai, diesem völkerüberspannenden Gedenktag der Kostbarkeit des Friedens.
Um 19 Uhr beginnt das Konzert. Es ist faszinierend, diese jubelnde Jugend zu hören und zu sehen. Eine Kirche im Licht und eine Welt, die (aus vierzig Kehlen) singt. Der Pennsylvania State University Concert Choir hat auch allerhand deutsche Liedtexte einstudiert. Sie klingen noch etwas vertrauter in diesem schönen Akzent: Bach, Brahms, Schumann, alles in einer staunenswerten Mischung aus Konzentration und Begeisterung, dazu die englische Chorliteratur und schließlich, zur Erhitzung der nun nicht mehr ganz so verhaltenen deutschen Gemüter: Spirituals. Der Funke springt über und wird zur Flamme. Der Applaus am Ende rauscht wie in Kaskaden durch das Gotteshaus und findet kein Ende. Irgendwann hören wir auf, die Zugaben zu zählen. Die Sängerinnen und Sänger und der großartige Dirigent Christopher Kiver sind sichtlich beglückt von einem solchen Auftakt der Konzertreise durch Thüringen und Sachsen. Wir auch. Nach kurzem zögerlichen Zurückschrecken greift die amerikanische Jugend sogar nach der reichlich dargebotenen Thüringer Bratwurst. Mancher auch zweimal. Es ist ein großherzlicher Abschied, als sie schließlich aufbrechen Richtung Gotha.
Am nächsten Morgen schließe ich die Kirche auf – und schau an: Sie singt immer noch! Manchmal ist das Glück ein Gast, der noch ein bisschen bleibt.
Gott sei Dank!
Thomas Perlick
Titelbild: Der Pennsylvania State University Concert Choir in der Stiftskirche Römhild. Foto: Privat