Alles nur Wahlkampfgetöse oder ist die CDU jetzt vollends außer Rand und Band?
Erfurt / Landkreis Hildburghausen. Gut ein Vierteljahrhundert lang hat die CDU, früher eben immer in den Thüringer Regierungen – für sanierte oder neu gebaute Straßenbeiträge von den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Kommunen kassiert, sogenannte Straßenausbaubeiträge. Jetzt dürfen in Thüringen derlei Beiträge nicht mehr erhoben werden. Das hat der Landtag letzte Woche beschlossen. Das Gesetz gilt rückwirkend zum 1. Januar 2019. Das ist gut für die Kommunen und auch für alle Bürgerinnen und Bürger.
Komisch ist allerdings: Die CDU, die 25 Jahre lang munter das Geld im Namen des Staates eintrieb, hat jetzt beim Gesetzgebungsverfahren keinerlei Änderungsvorschläge eingebracht und sich dann in der Abstimmung billig der Stimme enthalten.
Da frage ich mich: Wie verzweifelt muss der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring sein? Oder versucht er gar das Landesparlament auszuhebeln?
Doch kurz zur Replik: Seit 1991, als das erste Kommunalabgabengesetz, in dem die besagten Beiträge geregelt sind, beschlossen wurde, kämpft Die Linke, damals PDS, gegen die gesetzliche Regelung. Mit Start der rot-rot-grünen Koalition wurde darüber gesprochen, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Deshalb wurde auch mit dem Gemeinde- und Städtebund sowie mit der Landes-CDU gesprochen. Als es sogar ähnliche Initiativen in Bayern durch den dortigen Ministerpräsidenten Söder gab, kam auch in Thüringen etwas mehr Bewegung auf: die SPD wurde überzeugt und das Projekt in Angriff genommen. Die komplizierte rechtliche Materie war Gegenstand stundenlanger Beratungen der Abgeordneten in Arbeitskreisen und Ausschüssen des Landtages.
Und nun hat die rot-rot-grüne Regierung wieder den Bürger entlastet: Nach 28 Jahren wurden das Gesetz zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge beschlossen. Bis zur Verabschiedung hatte sich die CDU – jetzt Oppositionspartei – offen gehalten, ob sie das Gesetz unterstützt oder nicht, was absolut legitim ist. Ganz klar. Aber es kamen keinerlei Änderungsanträge, Hinweise oder auch nur ähnliches seitens der CDU-Fraktion. Vielmehr hat sich die CDU heimlich mit enthaltender Stimme bei der Abstimmung aus dem Staub gemacht. Das Gesetz haben die drei Koalitionsfraktionen allein beschlossen – bei Enthaltung der CDU. Und genau das ist eigentlich schon unfassbar. Immerhin geht es um einen Meilenstein in der Thüringer Geschichte und eine gewichtige Sache für alle Bürger, bei der Mann und Frau sich nicht stumm enthalten sollten.
Doch wer jetzt denkt, das war es, der irrt. Erst nach der Abstimmung begann das eigentliche Schauspiel: Unter nicht nachvollziehbaren Gründen wurde die Landtagssitzung durch die von der CDU gestellten Landtagspräsidentin unterbrochen. Dann präsentierte Maik Mohring der Presse von der CDU-Fraktion einen ganz neuen Antrag: darin will die CDU-Fraktion Beiträge rückwirkend bis 1990 abschaffen. Kaum eine Stunde zuvor hatte sich jedoch die CDU-Fraktion gerade der Abstimmung enthalten, wo es „nur“ um eine Rückwirkende Abschaffung bis 1. Januar 2019 ging. Denn – auch das muss ehrlich gesagt werden – hier geht es um 600 Millionen Euro. Wo genau diese 600 Millionen Euro plus Zinsen herkommen sollen, verriet Herr Mohring natürlich nicht. Wahrscheinlich aus dem Landeshaushalt, Einsparungen beim Personal, weniger Lehrer, weniger Polizisten, so wie es bis 2014 war.
Aber noch viel verwerflicher an diesem Schauspiel ist die Dreistigkeit, wie die CDU-Fraktion mit Vorsatz versucht, das demokratische Parlament zu umgehen. Dass sie trotz Kenntnis der demokratischen parlamentarischen Abläufe nichts, aber auch rein gar nichts bis zu diesem Zeitpunkt zur Diskussion eingebracht hat. Über dieses Agieren von Herrn Mohring samt CDU-Fraktion war selbst ein hochrangiger Vertreter des Gemeinde- und Städtebundes sehr überrascht. Denn der neue Antrag fordert keine Anhörung, keine Diskussion und keine Experten, die sich dazu äußern könnten. Nein, nicht mal zum Beschluss ist er dem Parlament gestellt worden. Wahrscheinlich soll das, wie es ein CDU-Mann intern ausdrückte „unser Staatsstreich sein, damit stürzen wir #r2g“. Und ab Montag will die Landes-CDU Unterschriften für ihren neuen Vorstoß sammeln. Das ist einfach nur verantwortungslos und weit weg von guter Demokratie.
Steffen Harzer
Landtagsabgeordneter
Fraktion Die Linke
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