Armes, krankes Internet.
Vergleichen wir einmal Facebook mit einem üblichen Glücksspielautomaten.
Man kann jeweils gar nicht so besonders viel selber machen. Man kann halt klicken oder Tasten drücken. Während man selbst dabei ziemlich bewegungslos herumsitzt, passiert im Automaten oder auf dem Bildschirm vermeintlich sehr viel. Eigentlich passiert zwar auch dort nichts, aber unsere Wahrnehmung wird über Augen und Ohren mit einer Vielzahl von Signalen beschossen.
Irgendwo in der Mitte drehen sich bunte Räder oder es rollen eben bunte, bewegte Bilder mit Text, Symbolen oder Videos über die Facebook-Startseite. Die Bilder, Ton- und Lichtsignale, lösen im Gehirn starke Reaktionen aus.
Gleichzeitig zieht uns das Gerät durch ein ausgefeiltes System von Belohnung und Bestrafung in seinen Bann. Verliere ich Geld am Automaten, Runde um Runde, oder werden meine Posts auf Facebook tagelang von niemandem beachtet, fühle ich mich als Verlierer, als Pechmarie, unbedeutend und vom Schicksal gestraft. Klingeln dagegen die Münzen im Fach oder es regnet viele „Likes“ oder zustimmende Kommentare schüttet unser Körper den Stoff Dopamin aus.
Der Neurotransmitter Dopamin gilt als „Glückshormon“ und eine Dopamin-Dusche ist für uns Menschen immer eine erfreuliche Angelegenheit – die aber auch süchtig machen kann. Wie man automatensüchtig werden kann, war mir immer schleierhaft. Bei Facebook hat es mich ziemlich erwischt.
Dabei ist der Deal miserabel. Ich schreibe kostenlos für Facebook und beliefere einen US-amerikanichen Tech-Giganten gratis mit Fotos aus meinem Privatleben. Dafür schränkt der meine Reichweiten künstlich ein, die ich dann durch Werbung wieder einkaufen soll. Gleichzeitig werde ich mit Werbung bombardiert, weil Facebook meine gesammelten Daten an Konzern Hinz und Agentur Kunz verscherbelt – und die Geheimdienste der Welt dürfen sich auch gerne bedienen und tun es auch, wie wir seit Edward Snowden wissen.
All das verhält sich bei Instagram und Co. ganz genauso.
Jetzt wäre es logischerweise sinnlos, „gegen das Internet“ an sich zu sein. Auch wenn es geflutet ist von Inhalten, die kein Mensch braucht, von Lügen und von Blödsinnigkeiten, hat die digitale Kommunikation zweifellos auch viele gute Seiten. Wir brauchen das Internet sogar dringend, um uns als Menschheit neu zu finden, um die alten Strukturen der Macht abzuschütteln und neue Formen der Demokratie zu entwickeln.
Aber tun wir das denn? Wie viel unproduktiven Streit haben wir im Netz erlebt, erlitten und mitbefeuert? Wie viele Stunden sitzen wir letztlich gelangweilt vor dem Bildschirm? Und tut uns das wirklich noch gut? Immer mehr Menschen stellen sich diese Frage.
Vielleicht geht es vor allem darum, die Gewichte wieder zu verschieben. Das Internet kann eine gute Rolle spielen, wenn es auf ein gesundes Maß in unserem Leben zurückgedrängt wird. Wenn wir die Kontrolle über unser digitales Kommunikationsverhalten zurückgewinnen – und wenn klar ist, dass der Anker unseres Lebens nicht in der digitalen Scheinwelt hängt, sondern im Zusammenleben mit unseren Freunden, den Nachbarn, Kollegen, der Familie, in echten Gesprächen und wirklichen Erlebnissen, in einem echten Dorf, einer echten Stadt, einem echten Wald, an einem echten See.
Prinz Chaos II.
Weitersroda
Nachtrag: An der Aktion „Winterlinde“ haben sich außerdem beteiligt: Alice Kube, Lukas Forkel, und Jörg Forkel. Vielen lieben Dank auch Ihnen!
Foto: Pixabay