Auf Vogelzählung folgt Vogelschreddern
Leserbrief. Es ist Erntezeit, zumindest wenn es sich um Grünschnitt für die gefräßigen Biogasanlagen und Silos der ansässigen Großagrarbetriebe handelt. Begleitet wird dies von einer sich jährlich wiederholenden beispiellosen Tragödie – der Zerstörung zahlloser Brutstätten heimischer Bodenbrüter durch zu frühe Mahd.
So geschehen unter anderem in Neuendambach, wo am 14. und 15. Mai die gesamte mit Kleegras bestellte Ackerflur zusammen mit allen Dauergrünflächen gemäht wurde. Das heißt, die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche des Ortes ist zur Zeit ohne Bewuchs. Bis dahin gehörte der häufig zu hörende Gesang der Feldlerche wie seit langem nicht mehr zum Frühling 2020 des kleinen Dorfes.
Versuche, den Maschinenführer zum Höherstellen des Mähwerks zu bewegen oder eine Teilfläche mit besonders vielen Brutplätzen zu schonen, schlugen fehl.
Die Vorgehensweisen hinsichtlich Mähzeitpunkt und Flächengrößen bleiben den Landwirten freigestellt und fallen in die Rubrik der „guten fachlichen Praxis”, welche man in diesem Fall noch mit der Lizenz zum Töten ergänzen könnte. Es ist schlichtweg ein Skandal, denn dieses Gemetzel findet zeitgleich im ganzen Bundesgebiet statt.
Schlechte Zeiten für Bodenbrüter wie Feldlerche, Kiebitz, Rebhuhn, Bekassine, Wachtelkönig und Braunkehlchen. Durch Verschieben des Mähzeitpunktes auf Ende Mai wäre ein Großteil der bis dahin flugfähigen Jungvögel in der Lage, zu flüchten.
Ein ebenso großer Skandal ist das Nichtreagieren der Politik vor dem Hintergrund eines dramatischen Artensterbens. Es nützt niemandem, wenn das Bundesumweltministerium in einem Bericht zur Lage der Natur die industrielle Landwirtschaft als Hauptursache des Artenrückgangs ausmacht, ohne tiefgreifende und wirksame Gegenmaßnahmen konsequent durchzusetzen.
Solange das Totalversagen der Politik in diesem Bereich anhält, sei an jeden Landeigentümer appelliert, im Vorfeld einer Landverpachtung zu bedenken, dass mit der Entscheidung für einen Pächter auch feststeht, ob sein Eigentum zukünftig zum Teil des Problems wird oder zur Lösung des Selbigen beiträgt.
Eines steht fest, solange der Naturschutz nicht großflächig auf unseren Feldern und Wiesen Einzug hält, wird das Artensterben der treue Begleiter unseres Wirtschaftens bleiben.
In Neuendambach wurde die gesamte abgeerntete Ackerfläche einige Tage später mit einem Totalherbizid totgespritzt. Gülle Gülle Gülle! Soviel zur guten fachlichen Praxis in der deutschen Landwirtschaft.
Frank Schelhorn
Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (Mitteldeutschland)
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