Bodo Ramelow im Interview: „Keine Festivals im Sommer in Thüringen“
Erfurt. Im gestrigen Interview mit MDR Thüringen sprach Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow über die Situation Thüringens in der aktuellen Corona-Krise.
Solange es weder einen Impfstoff noch Medikamente sowie sichere Testmethoden gibt, muss ein Alltag vorbereitet werden, in dem die Menschen Abstand voneinander halten. Thüringen stehe noch am Anfang einer Welle schwerer Erkrankungen. Er hält es deshalb nicht für sinnvoll, die Kontaktverbote bereits jetzt zu lockern. „Die Infektionsgefahr muss unterbunden werden, wenn wir das sicher einhalten und auch durchhalten, dann haben wir eine Chance zu einer ‚Normalität‘ zu kommen, die nicht mehr so normal ist wie das, was wir vorher hatten“ so Ramelow.
Keine Festivals im Sommer in Thüringen
Daher könne es auch keine Festivals geben. Veranstaltungen wie das “Rudolstadt-Festival“ im Juli oder das „SonneMondSterne Festival“ im August seien nicht vorstellbar. Damit die Festivals ein Jahr später stattfinden können, müssten die Veranstaltungsfirmen unterstützt werden. Ramelow habe deswegen bereits Gespräche mit einigen großen Veranstaltern geführt.
Lernprozess in der Bevölkerung erkennbar
Ramelow erkennt bei der Akzeptanz der Kontaktverbote in der Thüringer Bevölkerung nach eigenen Worten einen Lernprozess. Erst als die Gaststätten geschlossen wurden, habe eine neue Wahrnehmung eingesetzt. „Wenn wir gemeinsam verantwortlich damit umgehen, was jetzt gefordert ist, nämlich mit der neuen Herausforderung umzugehen, dann macht es auch kein Problem das wir einen Textilladen wieder eröffnen, das wir ein ganz normales Kaufhaus wieder öffnen. Wenn der Abstand eingehalten wird, wenn an der Kasse die Vorraussetzungen geschaffen sind, wenn das Geld nicht zum Überträger wird – wenn diese Maßgaben alle eingehalten werden, dann können wir uns auch diese Maßnahmen vorstellen in eine Normalität zu bringen“, sagte Ramelow.
Ramelow verteidigt die Thüringer Entscheidung zur Öffnung der Bau- und Gartenmärkte
Ramelow sagte, er habe bewußt entschieden die Bau- und Gartenmärkte zu öffnen. Die Nachbarbundesländer haben es anders gemacht. „Das Überleben unserer Gesellschaft hängt davon ab dass die Menschen, die einen Schrebergarten haben auch in die Schrebergärten gehen. Und dann sollen sie sich ihre Gemüsesachen, ihre Blumen und alles einkaufen können, wenn der Abstand gehalten wird“, so Ramelow. Die ersten Tage sei es schlecht gelaufen, weil die Kunden sich nicht an die Abstandsregeln gehalten hätten. „Ich habe die Konzernleitungen angerufen und denen gesagt , wenn ihr das nicht radikal ändert, dann werden wir die Läden schließen.“ Jetzt seien zwar die Warteschlangen lang, aber alle würden Abstand halten. „Wenn wir so miteinander umgehen, dann können wir auch in eine andere Realität des Alltags eintreten“, sagte er.
Auch in der Bildungspolitik sind Änderungen zu erwarten
Ramelow ist überzeugt davon, in der Schule andere Wege zu gehen. „E-Learning ist eine neue Form des Unterrichts die jetzt erst verstanden wird. Lange Zeit haben sich viele dagegen gewehrt und jetzt machen wir Homeschooling. Das wäre doch vor Wochen noch undenkbar gewesen. Die anstehenden Prüfungen sollten unter den Maßgaben des Infektionsschutzes stattfinden. Wenn das erfolgt ist, dann werden wir auch über eine andere Form von Schulunterricht in den Alltag eintreten, der aber nicht mehr so sein wird wie vorher“, so Ramelow.
Die Frage, wann Schülerinnen und Schüler wieder im Klassenraum sitzen können, sei derzeit nicht zu beantworten. Derzeit müssten der Infektionsschutz auch in der Schule und im Kindergarten durchgehalten werden.
„Wir muten der Bevölkerung etwas zu, das wir uns nie hätten vorstellen können.“
Deutschland hat zur Unterstützung der Wirtschaft einen „ungeheuren Schutzschirm“ aufgebaut. Thüringen habe bereits jetzt aus einem ersten Hilfspaket 35 Millionen Euro ausgereicht. Der Bund sichere zudem Kredite ab. Firmen, Vereine, Institutionen bekämen staatliche Hilfe. Ramelow erwartet allerdings auch Pleiten. „Unfallfrei wird das alles nicht sein“, sagte er.
„Einer trage des anderen Last“
Der Thüringer Ministerpräsident warb dafür, Menschen mit größerem Vermögen stärker an den Kosten der Corona-Krise zu beteiligen. Er berief sich dabei auf das Lastenausgleichsgesetz aus dem Westdeutschland der Nachkriegszeit, als Grundstücksbesitzer den Vertriebenen Boden abtreten mussten, wie seine Großmutter damals. Jetzt hätten alle, die über kleinere Einkommen verfügten, unter der Corona-Krise stärker zu leiden als Menschen mit größeren Einkommen. Die Ungleichheiten zwischen West- und Ostdeutschland mit seinen niedrigeren Einkommen drohten sich sonst zu verschärfen.
Das komplette Interview mit Ministerpräsident Bodo Ramelow als Video.
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