„Corona. Und jetzt?“ – Der Schulalltag in Zeiten von Corona
Hildburghausen. Dass dieses Schuljahr ein außergewöhnliches, einmaliges werden sollte, ahnte Anfang März noch niemand. Zwar klangen die Meldungen aus Wuhan beunruhigend, doch China ist ja so weit weg! Aber dieses neue Virus namens Corona (oder auch COVID-19 SARS-CoV-2) kam ganz schnell immer näher. Im Skiurlaub in Österreich oder bei internationalen Fußballspielen steckten sich immer mehr Menschen mit der tückischen Krankheit an.
Bald gab es auch in Deutschland die ersten Fälle. Die Politiker mussten schnelle Entscheidungen treffen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und das Gesundheitswesen nicht zu überlasten. Trotzdem waren viele – Lehrer, Eltern und auch Schüler von der Entscheidung des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie am Nachmittag des 13. März 2020 (ein Freitag) überrascht: Ab Dienstag, den 17. März werden alle Kitas und Schulen in staatlicher Trägerschaft bis zum Ende der Osterferien (17. April 2020) geschlossen.
Wie jetzt – verlängerte Osterferien? Mitnichten, denn natürlich musste das Unterrichten irgendwie weitergehen, nur wie, war zu diesem Zeitpunkt niemandem wirklich klar. Also bekamen zunächst erst einmal alle Lehrer den Auftrag, für die drei Wochen bis zu den Osterferien für jedes Unterrichtsfach und jede Klasse Aufgaben zu erstellen, die von den Schülern zuhause – bald nannte man diese Form des Unterrichts „Homeschooling“ – bearbeitet werden konnten. Eine ganz neue, anspruchsvolle Herausforderung war das, sowohl unter technischen als auch inhaltlichen Aspekten.
Nach einem arbeitsreichen Wochenende brachten alle LehrerInnen am Montag (16. März) einen Stapel Aufgaben mit, die teilweise noch verteilt wurden, aber zum Großteil ab Dienstag (17. März) – der erste Tag der Schulschließung – auf der Homepage unserer Schule für alle Schüler einsehbar und zu lösen waren. Alle LehrerInnen waren für Rückfragen per E-Mail sowie telefonisch erreichbar und freuten sich über „Lebenszeichen“ ihrer SchülerInnen.
Von nun an herrschte gespenstische Ruhe im Schulhaus, ebenso wie in der gesamten Öffentlichkeit, denn die Politik verfügte nicht nur die Einstellung des Schulbetriebs, sondern ab dem 23. März einen „Lockdown“, d.h. ein umfassendes Kontaktverbot, verbunden mit einem Verbot von Großveranstaltungen aller Art und der Schließung von Gastronomie- und Dienstleistungsbetrieben.
Die drei Wochen bis Ostern und die anschließenden Ferien vergingen. Jeden Tag gab es neue Meldungen, Corona breitete sich aus, aber irgendwann wirkten alle Maßnahmen und die Zahl der Infizierten ging zurück. Doch an eine Öffnung der Schulen dachte noch niemand. Es gab bis dahin nur eine Notbetreuung für Kinder bis Klassenstufe 6, deren Eltern in „systemrelevanten“ Berufen arbeiten. Bald war klar, dass es nach den Osterferien nicht einfach „normal“ weitergehen wird. Also erstellten die Lehrer neue Aufgaben, ab jetzt für einen Zeitraum von jeweils zwei Wochen. Um den Schülern Rückmeldung über bis dahin geleistete Arbeit zu geben, wurden gleich am Montag nach den Ferien die gelösten Aufgaben von den Schülern abgegeben. Im Haupteingang wurden große Kisten für jede Klasse aufgestellt und jeder konnte sein „Paket“ dort ablegen, so wurden auch die Hygienevorschriften beachtet.
Nun waren die Lehrer mit der Korrektur der Aufgaben beschäftigt. Es stellte sich heraus, dass viele Schüler fleißig gearbeitet hatten, aber mancher kam mit den hohen Anforderungen des häuslichen Lernens auch nicht so gut zurecht. Durch eine Reihe von Verordnungen und Maßnahmen, z.B. bei den Prüfungs- und Versetzungsbestimmungen, sorgte das Ministerium aber dafür, dass niemandem ein Nachteil für seinen weiteren Bildungsweg entstand.
Trotz aller Einschränkungen, Problemen und Nachteilen, die sich in den Wochen der Schulschließung gezeigt haben, bot die Situation auch einige Chancen für die Lernenden: Zwar konnten die LehrerInnen nur eingeschränkt helfen, aber die SchülerInnen konnten die Erfahrung von selbständiger, zielgerichteter und planvoller Arbeit in einer selbst gestalteten, ruhigen Lernumgebung machen. Zwar gab es regelmäßige und sicher auch anspruchsvolle Aufgaben, aber keinen Leistungsdruck und Schulstress. Zwar waren die sozialen Kontakte eingeschränkt, aber es gab auch keine sozialen Konflikte im Klassenzimmer und auf dem Schulhof. Diese Chancen zu nutzen, ist unterschiedlich gut gelungen, aber manch einer profitierte doch davon.
In den zwei Wochen nach den Osterferien wurde eine schrittweise Öffnung der Schulen vorbereitet. Wichtig war natürlich, dass unsere Abschlussklassen 10 und 9H wieder regelmäßig unterrichtet wurden und so gut auf die anstehenden Prüfungen vorbereitet waren. Nach dem Erarbeiten eines aufwendigen schulinternen Hygieneplans durften die beiden Klassen ab dem 4. Mai wieder täglich zur Schule gehen, schon eine Woche später kam die Klasse 9R dazu. Diese Klasse musste in zwei Gruppen aufgeteilt werden, denn die Anzahl der Schüler, die sich in einem Raum aufhalten durfte, wurde von der Raumgröße abhängig gemacht. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, das Einhalten bestimmter Laufwege im Schulhaus, klare Regeln für die Toilettenbenutzung, Einschränkungen im Sport- und Musikunterricht, der Aufenthalt im immer gleichen Raum den ganzen Tag – mit Schulalltag hatte das alles noch nicht viel zu tun. Aber es gab wieder Unterricht und für die Schüler auch wieder Gemeinschaft, denn gerade das Fehlen sozialer Kontakte machte vielen doch ganz schön zu schaffen.
Außerdem konnten drei Schülergruppen mit besonderem Unterstützungsbedarf sowie zwei Gruppen von DAZ-Schülern (Deutsch als Zweitsprache) ab dem 7. Mai betreut bzw. unterrichtet werden. So war doch wieder ein bisschen Leben im Haus.
Auch für die anderen Klassen wurde der Einstieg in den Schulbetrieb organisiert. Große Klassen mussten in kleine Gruppen aufgeteilt werden, es wurden „Notklassenbücher“ und Sitzpläne angelegt und alle Klassenräume wurden vom Hausmeister Herrn Frank so eingeräumt, dass der Mindestabstand eingehalten werden konnte. Die Klassenlehrer führten viele Telefonate mit den Eltern, um Angehörige von Risikogruppen zu erfragen und die notwendigen Infos zu verteilen.
In der Woche vom 18. bis 22. Mai durften dann erstmals alle Klassen wieder zur Schule kommen – vorerst nur an einem Tag bzw. zwei Tagen (Klassenstufe 8) in der Woche, aber die meisten (und nicht nur die Eltern) waren froh darüber, wieder mit Freunden und Freundinnen schwatzen und lachen zu können. Das konzentrierte Arbeiten im 45-Minuten-Rhythmus fiel einigen erstmal wieder schwer und musste geübt werden, schließlich dauerte die Zeit der Schulschließung länger als die Sommerferien! Auch das Unterrichten in kleinen Gruppen zeigte Vor- und Nachteile: Während effektives Arbeiten und individuelles Eingehen auf Einzelne gut möglich ist, beklagten viele LehrerInnen eine geradezu „gespenstische“ Ruhe in manchem Klassenzimmer.
An den „Schultagen zuhause“ gab es weiterhin Aufgaben zu lösen, die über die Homepage zur Verfügung gestellt wurden. Hier hatte sich bei den Lehrern bald eine gewisse Routine eingestellt, sowohl inhaltlich als auch technisch. Das könnte man als einen positiven Aspekt der Corona-Krise bezeichnen: Die Notwendigkeit und die Bereitschaft, sich den Herausforderungen der digitalen Welt zu stellen, die von vielen angenommen und bewältigt wurde. Auch ist jetzt hier Gelegenheit für ein großes Dankeschön an Herrn Dummer, der die Homepage unserer Schule betreut. Regelmäßig und pünktlich hat er die neuen „Homeschooling“-Aufgaben sowie alle aktuellen Informationen hochgeladen und übersichtlich sowie optisch ansprechend präsentiert. Das war ein unverzichtbarer Beitrag dafür, dass das Lernen an unserer Schule weitergehen konnte.
Nachdem die Klassen 9H und 10 ihren letzten Schultag – leider nicht so aufwendig und kreativ wie sonst üblich – begangen hatten, konnten auch die Klassenstufen 5 – 7 wieder zweimal wöchentlich zur Schule kommen. An dieser Stelle muss unbedingt einmal erwähnt werden, welches Arbeitspensum in dieser Zeit von unserer stellvertretenden Direktorin Frau Leske geleistet wurde. Was sonst „nur“ am Schuljahresbeginn geplant werden muss, war jetzt eine tägliche Herausforderung: Ein gesonderter Stundenplan für jede einzelne Klasse bzw. Klassengruppe.
Die Prüfungen der Abschlussklassen konnten zu den festgelegten Terminen und ohne wesentliche Einschränkungen durchgeführt werden.
Die letzten Schulwochen vergingen in einer gewissen „neuen“ Routine. Der tägliche Blick in den „Newspoint“, die Vertretungsstunden-App, wurde für die meisten selbstverständlich. Die App erwies sich als unverzichtbares Kommunikationsmittel zwischen Schule und Schülerschaft. Dennoch hoffen alle auf einen normalen Schulbetrieb im neuen Schuljahr, denn die Motivation und Leistungsbereitschaft ließen in den letzten Schulwochen doch spürbar nach.
Am 16. Juli erhielten die Klassen 9H und 10 in einer verkürzten, aber dennoch feierlichen Zeremonie im Georgensaal ihre Abschlusszeugnisse. Allen Absolventen des Schuljahres 2019/20 sei hiermit ein herzlicher Glückwunsch ausgesprochen. Dieses Schuljahr wird wohl allen lebenslang als ein ganz besonders aufregendes und herausforderndes in Erinnerung bleiben.
Die traditionellen Veranstaltungen der letzten Schulwoche (Spaß-Sportfest und Sternwanderung) mussten ebenso wie alle geplanten Klassenfahrten und Exkursionen abgesagt werden. Schade, denn sie waren immer ein besonderer Höhepunkt und schmiedeten die Klassen- und Schulgemeinschaft ein bisschen enger zusammen. So wurden dann am Morgen des 17. Juli ganz unspektakulär in allen Klassen(gruppen) die Zeugnisse verteilt.
Im Schulhaus herrscht wieder gespenstische Stille, diesmal die ganz normale „Sommerferien-Stille“. Hoffentlich gibt es dann am 31. August, dem ersten Schultag des Schuljahres 2020/21 wieder den richtigen, alltäglichen, normalen Lärm!
Pia Schubert
Staatliche Regelschule „Dr. Carl Ludwig Nonne“
Foto: Südthüringer Rundschau