Das Dörfchen Massenhausen – eine Betrachtung zum Jahresende
Straufhain/Massenhausen (ls). Der Lockdown in unserem Landkreis lässt Zeit zum Stöbern in Chroniken und Aufzeichnungen, mit einem Blick auf Daten oder Begebenheiten, auf Geografisches oder Kommunalpolitisches, auf Vergangenes und Gegenwärtiges.
So fiel beim Stöbern der Blick auf den kleinen Ort Massenhausen. Erstmals urkundlich vor 825 Jahren erwähnt, hätte die ehemals kleinste Gemeinde Deutschlands (zumindest zur Wendezeit), nur einen Steinwurf von der Landesgrenze zu Bayern entfernt, beinahe das gleiche Schicksal ereilt wie Leitenhausen (1972), Billmuthhausen (1978) und Erlebach (1982). Denn alle drei Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht, lediglich die Friedhöfe von Billmuthhausen und Leitenhausen ließ man nach Protesten bestehen.
Auch in Massenhausen sei seit 1961 nur noch abgerissen worden, heißt es in der Festschrift zur 800-Jahrfeier des Ortes, darunter Gutshof und Gestüt. Ein Gehöft wurde sogar erst 1989 Opfer der Abrissstrategie. Die Rettung für Massenhausen kam im gleichen Jahr mit dem Fall der Mauer bzw. dem Fall der Grenzzäune und der damit einhergehenden politischen Wende. Und bereits im Juni 1995 feierte Massenhausen sein Ortsjubiläum mit vielen Gästen und einem tollen dreitägigen Festprogramm. Gelegenheit, 25 Jahre später ein wenig in der Festschrift zu blättern bzw. an die Geschichte von Massenhausen zu erinnern.
Die Geschichte von Massenhausen ist auf das engste mit der des Rittergutes und des ehemaligen Gestüts verbunden. Denn die Ersterwähnung von Massenhausen vor 825 Jahren geht nicht, wie bei vielen Ortschaften in unserem Kreis der Fall, auf eine Schenkungsurkunde an das Kloster Fulda zurück, sondern auf die Erwähnung eines Rittergeschlechts von Massenhausen, dessen Ritter gewaltsam Klostergüter von Veilsdorf an sich gerissen haben sollen. Das sei aus einer Papsturkunde von 1195 hervorgegangen, ausgestellt vom Bischof Coelestin III. von Würzburg, in der Wiedergutmachung gefordert wird. Der Name soll dabei auf ein adliges Geschlecht und einen „Arnold von Massenhausen“ zurückgehen.
Die Geschichte dieses Rittergutes, später herzogliches Gut bzw. ab 1920 zu einem namhaften Gestüt entwickelt, zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Ortsgeschichte. Der neue aus Schlesien stammende Rittergutsbesitzer Max von Schalscha-Ehrenfeld galt als der Experte in der Pferdezucht und errichtete am Ortsrand von Massenhausen ein Gestüt, ähnlich dem Gestüt Bockstadt, das er zu einem erfolgreichen Unternehmen ausbaute. 1926 erfolgte eine Abkopplung des Gutes, auf dem Landwirtschaft betrieben wurde, vom eigentlichen Gestüt, das äußerst rentabel arbeitete. Doch die Weltwirtschaftskrise von 1929 hinterließ auch in der Pferdezucht ihre Spuren, sie wurde aber nie aufgegeben.
Unter wechselnden Gutsbesitzern wurde das Gestüt von den letzten Besitzern, der Familie Carl von Butler bis zur vollständigen Enteignung 1952 weitergeführt und später als „Volkseigenes Gestüt (VEG) Bockstadt-Massenhausen“ bis 1963 bewirtschaftet. Der letzte Besitzer des separaten Gutes von 1926 sei bereits 1945 von den sowjetischen Besatzern enteignet, verhaftet und später von deren Geheimpolizei erschossen worden, ist in der Ortsgeschichte nachzulesen. Aus historischer Sicht zu erwähnen wäre noch, dass sich die Grabstätten einstiger Rittergutsbesitzer, Emmeline Jacobi (1828-1900) und der großherzogliche Ökonomiekommissar Max Ortmann (1851-1910), auf dem Friedhof in Massenhausen befinden. Dieser Friedhof existiert übrigens seit 125 Jahren, denn 1895 trat die Gemeinde aus der Friedhofsgemeinschaft mit Adelhausen/Eishausen/Steinfeld aus und errichtete ihren eigenen.
Wenn sich im kommenden Jahr der Mauerbau zum 60. Mal jährt, wird sich noch so mancher Einwohner an die Zeit der völligen Abschottung und Isolierung erinnern. Das eiserne Tor, unmittelbar hinter dem Ortsausgang auf der Straße nach Lempertshausen sollte sich für 28 Jahre schließen. Die 1972 erlassene Grenzordnung erschwerte zudem das Leben in diesem abgeriegelten Ort weiter. Verschärfend für das Vorhaben, auch Massenhausen zu schleifen, mag der schwere Grenzzwischenfall vom 19. Dezember 1975 dazugekommen sein (Tagespresse vom 15. Dezember 2020) als Werner Weinhold zwei Grenzsoldaten brutal niederschoss.
Schließlich erging im August 1979 eine Information an die Gemeinde Massenhausen, in der vom Rat des Kreises der Bestand der Wohnhäuser (13) mitgeteilt wurde sowie die für den Abriss vorgesehenen Gebäude. Noch im gleichen Jahr und ein Jahr später betraf es jeweils ein Wohnhaus und eine Scheune. 1986 erfolgte die komplette Sprengung des ehemaligen Gestüts und 1989 ein weiteres bereits erwähntes Gehöft. So wurde systematisch auf eine Liquidierung hingearbeitet.
Wie sich die Zeit von 1949 bis 1989 auf den Ort auswirkte, mögen einige wenige Zahlen der Einwohnerentwicklung verdeutlichen. Gab es genau 100 Jahre vorher in Massenhausen 79 Einwohner, so stieg die Zahl 1949 auf 103. Danach ging es bergab, denn 1964, ein Jahr nach der endgültigen Auslagerung des Gestüts waren es noch 58 Einwohner und Ende 1989 nur noch 12 Bewohner, wie auch auf einer Schautafel im Ort zu lesen ist. Im Jubiläumsjahr 1995 war die Zahl wieder 27 Einwohner gestiegen. Wie Straufhains Bürgermeister Tino Kempf informierte, sind es gegenwärtig 34 Einwohner, davon 18 weibliche. Und nach Auskunft der VG „Heldburger Unterland“ sind laut Statistik unter den 34 Bewohnern drei Kinder zwischen drei und 13 Jahren. Die beiden älteren Kinder gehören zur Familie Anja Schöpke und Michael Jendis, eigentlich zwei Großstädter.
Die Schmuckdesignerin und Künstlerin Anja Schöpke und ihr Mann haben genau dieses Fleckchen Erde für sich entdeckt und als lebenswert empfunden. Übrigens erhielt die Familie 2019 den Baukulturpreis der Initiative Rodachtal (IR) als Anerkennung für außergewöhnliche baukulturelle Leistungen. Sie hatten einen Bauernhof erworben und umgebaut bzw. umgestaltet. Beim Rundgang durch den Ort kann man noch einige andere wunderschöne Gehöfte bzw. Anwesen bewundern. Dass im Ort auch neu gebaut wurde bzw. wird, zeigt sich an verschiedenen Stellen, so z.B. beim Neubau am Ortseingang. Es fühlen sich also auch junge Leute wohl in Massenhausen am Grünen Band. Auch gibt es in Massenhausen wieder Pferde, wenn auch kein Gestüt. Ebenso verfügt der Ort wieder über ein Backhaus, das in den 1990er Jahren über die Gemeinde Straufhain rekonstruiert und saniert wurde.
Massenhausen erreicht man über die Kreisstraße von Eishausen aus oder in Richtung Bad Rodach über Adelhausen und Lempertshausen (Bayern). Von Lempertshausen bis Massenhausen sind es knapp 2 km. Diese Straße wurde übrigens unmittelbar nach der Wende schon 1990 wieder topp instandgesetzt. Eine Wanderung nach und durch das beschauliche Dörfchen lohnt sich.
Fotos: ls