Der kleine Thüringer Wald und die Windräder
Zur Podiumsdiskussion am 2. Oktober 2019 in Schleusingen
Leserbrief. Die Podiumsdiskussion im Saal des Schleusinger Rehazentrums diente nicht dem Ziel einer sachlichen Abwägung von Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Vorhabens, sondern seiner Ablehnung bis hin zur Verteufelung.
Das war schon ersichtlich an der Gestaltung des Podiums („Windkraftanlagen im Kleinen Thüringer Wald? NEIN DANKE!)“ und dem provokatorisch davor postierten Sarg mit der Aufschrift „Kleiner Thüringer Wald“.
Das setzt sich dann fort mit der Hetzrede des Herrn Gruber aus St. Gangloff und dem gezeigten Horrorvideo über den Schaden, der angeblich durch Windräder verursacht wird.
Das Publikum schwimmt mehrheitlich auf dieser Welle, klatscht Beifall für die demagogische Schau und stört bei sachlichen Erwägungen.
Als die Akteure gefragt werden, was für sie der Wald bedeutet, wissen sie dann mit treuherzigem Augenaufschlag auch nichts anderes zu sagen als „Natur, gute Luft, Erholung und natürlich Heimat“.
Das ist ja alles richtig, aber nur der kleinere Teil der Wahrheit. Keiner traut sich zu sagen, dass der Wald seit Menschengedenken Wirtschaftsraum ist, der dem Menschen als Lebensgrundlage diente und dient, denn er liefert Nutzholz der verschiedenen Arten bis hin zum Brennholz, dass heute viele mit Wonne im Kamin verfeuern, obwohl es andere Wärmequellen gibt. Er beherbergt das Wild, das in schöner Regelmäßigkeit geschossen und verzehrt wird. Darüber regt sich keiner der Windkraftgegner auf, sondern fordert dafür mit Nachdruck den Schutz von rotem Milan und Schwarzstorch.
Die Plakatmaler von Gethles und anderen Orten befestigen ihre Plakate an der Straße und haben oftmals hinterm Haus oder in der aus Holz gebauten Scheune lange Stapel von Brennholz gelagert. Das ist kein wertloses Abfallholz, sondern kernig und gesund, sonst hat es ja keinen Heizwert. Sie mögen bitte mit wachem Blick durch Ihre Wohnräume gehen und schätzen, wieviel Holz in Ihrem Mobiliar steckt.
Am Schleusinger Bahnhof werden Woche für Woche ganze Züge mit wertvollem Nutzholz beladen. Woher es nur kommen mag?
Kein verantwortlicher Politiker hat die Absicht, um der Windkraft Willen ganze Wälder abzuholzen. Keiner schlägt doch die Lehren aus, die uns unsere Vorfahren in Spanien, Portugal und auf dem Balkan geliefert haben, als sie riesige Wälder abholzten, um Schiffe zu bauen, was die Verkarstung ganzer Gebiete zu Folge hatte.
Nein, auf der Suche nach alternativen Wegen der Energiegewinnung kommen die Menschheit und auch die Thüringer Landesregierung am Windrad nicht vorbei. Es ist daher schäbig und verlogen, wenn die CDU auf teuren Riesenplakaten fordert: „Schluss mit dem Windradwahnsinn“. Andere Oppositionspolitiker setzen angesichts der bevorstehenden Wahlen nun seit einigen Wochen auf das gleiche Pferd. Nach den Wahlen werden sie dann wieder still sein, weil sie wissen, dass es unumgänglich sein wird. Maßgebliche langjährige CDU-Politiker der Region wie Landrat Müller und Altbürgermeister Brodführer sitzen im Planungsausschuss der Regionalen Planungsregion Südwestthüringen und haben 2017 keine, zumindest keine öffentlich geäußerten Einwände gegen die definierten Vorzugsgebiete gehabt. Wie auch, wenn 45% der Fläche Südwestthüringens von Wald bedeckt sind!!! Dann kommt man eben nicht umhin, etwa 30-40 Hektar davon für den Bau von Windrädern zu nutzen.
Und es wäre mannhafter, die zwei Vorranggebiete zu begründen, als im Amtsblatt zu verkünden, dass man auch gegen Windräder im Wald sei.
Es gehört zu den Pflichten verantwortungsbewusster Politiker, notwendige und richtige Entscheidungen zu begründen und zu vertreten, auch wenn es Ängste und daraus resultierenden Widerstand gibt.
Zu welchen Blüten das Wirken von Panikmachern und Demagogen führt, habe ich kürzlich im Feldatal (Gegend von Kaltennordheim – Dermbach) erlebt. Da trugen Ortsschilder doch tatsächlich Trauerflor, weil sie „wegen Südlink sterben werden“! Wegen Südlink wird kein Dorf sterben, schon gar nicht im Feldatal, denn die unterirdische Stromleitung soll durch das Werratal geführt werden! Die Sargbauer vom Kleinen Thüringer Wald bewegen sich auf ähnlichem Niveau.
Eine Überlegung zum Schluss: die Witterungsverhältnisse der letzten zwei Jahre haben dem Wald auch in Südthüringen sehr geschadet. Unter Umständen werden größere Rodungen nötig sein. Man sollte doch prüfen, ob diese Flächen nicht für Windräder genutzt werden können. Diese Prüfung ist aber die Aufgabe von Fachleuten und nicht von Stimmungsmachern.
Gernot Kusche
Schleusingen
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