„Der Lockdown zwingt uns in die Knie!“
Maja Panvini betreibt den Salon MP Hairstyle in Darmstadt. Um auf die Situation von Friseuren, der Gastronomie, des Einzelhandels, von Sportvereinen und allen Dienstleistern, die coronabedingt schließen mussten, aufmerksam zu machen, hat sie folgenden Leserbrief veröffentlicht:
Leserbrief. Ich sitze Tag für Tag in meinem Heim und überlege, wie es mit meinen Angestellten und allgemein mit meinem Unternehmen weitergehen soll. Bereits mit dem 1. Lockdown ist das Ostergeschäft weggefallen, womit es natürlich auch für die Zeit vom 25. März bis 5. Mai 2020 starke Umsatzeinbrüche gab. Mieten mussten jedoch weitergezahlt, Umbauten nach coronabedingten Auflagen vorgenommen und der Salon so eingerichtet werden, dass die Hygienebedingungen der aktuellen Situation entsprachen, was mit sehr viel Kraft und finanziellem Aufwand verbunden war. Viele – wenn nicht sogar alle – Rücklagen waren verbraucht. Nach der Wiedereröffnung gab es ein kurzes Aufatmen. Durch die Einnahmen konnten wir viele Stundungen, ausstehende Zahlungen oder Kredite zum Teil ausgleichen.
Jedoch bereits im November mussten wir wieder starke Umsatzeinbußen hinnehmen. Kunden sagten ihre Termine ab – entweder erkältungsbedingt (so durften wir sie in Zeiten Coronas nicht bedienen) oder aus Angst vor Ansteckungen. Schon da mussten wir jeden Cent umdrehen und hofften auf ein Plus in der Weihnachtszeit.
Dann der Schock: Lockdown 2 – die Katastrophe! Wieder mussten wir schließen, und das im Weihnachtsbetrieb – dem umsatzstärksten Monat des Jahres! Übrigens einem Lockdown, der laut Herrn Spahn nie mehr kommen sollte. Wie sagte er so schön: „Man würde mit dem Wissen heute, das kann ich Ihnen sagen, keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen. Das wird nicht noch mal passieren.“ Quelle: https://www.bz-berlin.de
Ich nenne das grob fahrlässig, nicht vertretbar und sogar anfechtbar! Wem sollen wir denn noch glauben? Es wird zwar immer von Hilfen für unsere Betriebe gesprochen, aber hierzu haben wir unterschiedliche Szenarien, die uns das Leben bürokratisch erschweren:
1. Die Beantragung dieser Hilfen ist so kompliziert aufgebaut, dass nur schwer zu erkennen ist, was, wo, wie und wann zu erfolgen hat.
2. Anträge auf Unterstützung dürfen inzwischen nur noch über den Steuerberater erfolgen, weil es im vergangenen Lockdown Betrugsfälle gab.
3. Jedoch kostet jede Frage beim Steuerberater Unmengen an Geld und der Antrag zusätzlich noch 600 bis 1.000 Euro! Wie sollen wir das alles finanzieren?
4. Nicht zu vergessen, dass man bis heute noch keine Anträge stellen kann!
5. Es besteht zwar die Möglichkeit Überbrückungshilfe 2, die die Fixkosten zu maximal 90 Prozent decken, zu beantragen, aber nur für diejenigen, die mindestens 30 Prozent Umsatzrückgang im Dezember nachweisen können. 99 Prozent aller Friseure in ganz Deutschland können das nicht, denn wir haben für unsere Kunden die letzten möglichen Tage vor dem kurzfristig angekündigten Lockdown rund um die Uhr (auch nachts) gearbeitet.
Warum werden diese Hilfen nicht gleichberechtigt vergeben, wie für die Geschäfte, die 2020 geschlossen und deren Leistungen mit 75 Prozent des Vorjahresumsatzes berechnet wurden? Heißt es nicht, dass eine Gleichberechtigung herrschen soll?
Ist das jetzt das Ende???
Ja, ich weiß – die Zahlen der Neuinfektionen müssen sinken!
Ja, ich weiß – man muss die Risikogruppen schützen!
Ja, ich weiß – was sollen die Politiker denn noch machen!?
Dennoch – immer öfter stellt sich mir die Frage, ob wirklich schon jemand den Sinn der Schließungen von z.B. Friseuren hinterfragt hat, wenn dadurch gleichzeitig der Schwarzarbeit die Türen geöffnet werden? Glauben Sie mir, diese sind inzwischen sehr weit offen oder aber die Deutschen haben tatsächlich innerhalb der letzten zwei Wochen per YouTube Haare schneiden gelernt bzw. die Balayagetechnik, chemische Verbindungen oder das Setzen von Highlights etc. Ich bin fasziniert davon, wieviele Menschen diese Techniken „anscheinend“ so schnell lernen konnten!
Systemrelevante Dienstleistungen sollen laut staatlicher Anordnung weiterhin verfügbar sein. Dabei muss ich zusehen, dass viele Deutsche weiterhin in den Urlaub fliegen – sogar bewusst den Lockdown und die Aufhebung von Präsenzunterricht für einen Urlaub nutzen. Solarien und Hundefriseure dürfen geöffnet bleiben. Stimmt – die sind natürlich auch systemrelevant.
Sarkasmus bei Seite, aber wie soll es denn nun weitergehen?
Ich sehe zu, wie meine Angestellten und ich untergehen, nur weil wir uns an die staatlichen Anordnungen halten und nicht – wie andere – schwarz weiterarbeiten! Das ist ein herber Schlag ins Gesicht und mir stellt sich die Frage wer uns endlich finanziell hilft, sodass auch wir anständigen Dienstleister den Lockdown überstehen. Wir kleinen und mittelständischen Unternehmen halten das System aufrecht und sicher haben die meisten von uns für viele Maßnahmen im Kampf gegen das Corona-Virus Verständnis. Wofür ich kein Verständnis habe ist die Tatsache, dass mir verboten wird zu arbeiten, obwohl ich alles mögliche für die Sicherheit meiner Kundschaft und meiner Belegschaft unternommen habe. Dass meine Existenz bedroht ist und ich bald alles verloren habe, obwohl die Nachfrage am Markt nach qualifizierten Friseuren groß ist. Bis heute ist der Friseur kein Hotspot und beinahe jeder Salon steriler als ein Krankenhaus.
Wenn wir wüssten, dass all unsere Fixkosten gedeckt werden, nicht erst nach vielen Monaten, sondern umgehend, dann könnten wir mit dem Lockdown deutlich entspannter umgehen und auch die Maßnahmen gegen das Corona-Virus beruhigt annehmen!
Mein Appell an unsere Politiker: Um eine Pleitewelle zu verhindern, muss SOFORT umsichtig und realitätsnah gehandelt werden. Schaut doch bitte auf das Ranking der Ansteckungsgefahr (bisher war meines Wissens nach nicht ein Frieseursalon ein Hotspot) und handelt nach diesem Wissen. Prüft gerne die Einhaltung der Verordnungen, aber lasst uns endlich wieder arbeiten.
In diesem Sinne, bleibt gesund und viel Kraft!
Maja Panvini
Darmstadt
Titelbild: Der Salon MP Hairstyle von Maja Panvini besteht seit 1. Dezember 2011 in Darmstadt. Foto: Privat
(Leserbriefe spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider. Um die Meinung der Leser nicht zu verfälschen, werden Leserbriefe nicht zensiert und gekürzt. Mit der Einsendung geben Sie uns automatisch die Erlaubnis, Ihren Leserbrief in unserem Medium abzudrucken und online auf unserer Internetseite zu veröffentlichen.)