Offener Brief an Landrat Müller: Die Aufgaben Ihres Hauses können auch in diesen coronösen Zeiten nicht nur auf Infektionsschutz reduziert werden
Leserbrief. Sehr geehrter Landrat Müller! Diesen Offenen Brief so zu formulieren, dass er nicht weitere Gräben aufreißt, sondern verschiedene Akteure wieder zusammenführt, verlangt mir Selbstdisziplin ab. Denn wie so viele, die in der Kultur, im Breitensport, in der Veranstaltungsbranche tätig sind, schwanke ich immer mal wieder zwischen Wut und Frustration.
Übrigens nicht deshalb, weil ich Covid-19 für harmlos hielte. Das tue ich nicht. Ich habe mein diesjähriges Paradiesvogelfest – es wäre das zehnte Jubiläum gewesen – ohne Murren abgesagt.
„Großveranstaltungen sind bundesweit untersagt“, hieß es. In Ordnung. Das habe ich eingesehen. Ab wann aber ist eine Veranstaltung eine Großveranstaltung? Auf diese Definition warten wir – mehr als 3 Millionen Menschen in Deutschland, die wirtschaftlich von der Veranstaltungsbranche abhängen – vergeblich. Bis heute.
Auch auf Sie, lieber Herr Müller, hat man lange warten müssen. Die gesamte Corona-Krise hindurch waren Sie auf Tauchstation – während die Rechtsaufsicht Ihres Hauses und Teile des Gesundheitsamtes im Corona-Clinch lagen – mit Leuten, die in diesem Landkreis seit Jahrzehnten verlässliche Aktivposten des kulturellen Lebens, des Tourismus, des Sports und des Brauchtums sind.
Ich habe Ihnen deshalb vor kurzem eine Email geschrieben, lieber Herr Müller. Ich habe Sie gebeten, vermittelnd einzugreifen, um diese Konfrontationsstellung aufzulösen.
Schließlich kann die Aufgabe Ihres Hauses auch in diesen coronösen Zeiten nicht auf Infektionsschutz reduziert werden, so wichtig er natürlich ist. Ein Landratsamt hat aber viele Aufgabenbereiche – dazu gehören auch: Tourismus, Kultur, Soziales, Wirtschaft, Heimatpflege und Sportförderung.
Ich habe nun in den letzten zwölf Jahren in der Tat sehr viele, unterm Strich gute Erfahrungen mit dem Landratsamt gemacht – und es gibt kaum ein Büro in der Wiesenstraße, mit dem ich noch nicht zu tun gehabt hätte. Sogar mit dem oft gescholtenen Bauamt und mit der KFZ-Stelle habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Zu Beginn des Lockdowns ist außerdem der Krisenstab Ihres Hauses mit der Anwesenheit von Wandergesellen auf Schloss Weitersroda durchaus sachlich und lösungsorientiert umgegangen.
Nun hatte ich allerdings schon weit vor Corona den Eindruck, dass die überragende Rolle, die den hiesigen Festivals für die regionale Entwicklung zukommt, noch nicht umfassend erkannt wird.
Hildburghausen hat sich zu einem bedeutenden Veranstaltungsstandort entwickelt. Und wenn zum Paradiesvogelfest 1.500, zum Woodstock Forever 3.000, zum Countyfest 5.000, zum Heidewitzka 12.500 Besucher kommen, dann sind das Leute, die hier nächtigen, tanken, essen, trinken und einkaufen. Es sind auch Leute, die die Kunde von der Schönheit und Lebendigkeit Südthüringens in die Welt hinaustragen.
Das gleiche gilt für den Triathlon, für das Kuhschwanzfest und auch für die Kirmeskultur. Diese Events sind das pochende Herz unseres gesellschaftlichen Lebens, bedeutende wirtschaftliche Motoren – und durchaus auch Kernbestandteil einer intakten Demokratie.
Sätze, wie die vorangegangenen, hätte ich mir in den vergangenen Monaten von Ihnen gewünscht, Herr Müller. Denn kaum eine Branche hat die Corona-Krise so hart getroffen, wie die Veranstaltungswirtschaft, Tourismus, Gastronomie und den Kulturbereich.
Nun freilich haben Sie, Herr Landrat Müller, sich vor wenigen Tagen öffentlich zu Wort gemeldet. Aber Ihre Verlautbarung war eine Enttäuschung, sicher nicht nur für mich. Zusammengefasst haben Sie in einer Tonlage, die eher drohend als vermittelnd wirkte, lediglich mitgeteilt, was alles verboten und weiterhin nicht erlaubt ist, was also nicht geht. Kein Wort der Anerkennung für unsere Leistungen als gesellschaftliche Akteure fand sich in Ihrer Erklärung. Keine ausgestreckte Hand und keine aufgezeigten Lösungswege, wie ein halbwegs normales gesellschaftliches Leben wieder möglich werden könnte.
Ich möchte deshalb mit diesem Offenen Brief erneut darauf dringen, dass wir nunmehr zu einer Kultur des Miteinanders zurückkehren. Ich möchte wieder das Gefühl haben, dass alle an einem Strang ziehen für die Region.
Nun versuchen wir bekanntlich, Hildburghausen vom 25. bis 27. September 2020 zum Leuchten zu bringen. Wir, das sind in dem Fall: Kreisstadt, Hildburghäuser Werbering und IHK Südthüringen. Ich möchte hiermit Sie, lieber Herr Müller, auffordern: Reihen Sie sich in dieses Wir ein!
Zwar gibt die neue Thüringer Veranstaltungsverordnung keine Handhabe mehr, dieses Event komplett zu untersagen. Hibu wird leuchten. Die Veranstaltung wird stattfinden.
Die Frage ist nur: wie?
Wird es nach einem nervenaufreibenden Tauziehen und einem juristisch aufgeladenen Papierkrieg Auflagen geben, die eine sinnvolle Durchführung des Events kaum mehr möglich machen? Oder dürfen wir auf das Wohlwollen des Landratsamtes rechnen? Erstellen wir also gemeinsam ein Hygienekonzept, das den Erfordernissen des Infektionsschutzes ebenso Rechnung trägt wie den Erfordernissen eines gelungenen Stadtfestes?
Ich stelle diese Fragen öffentlich. Das ist freilich ungewöhnlich. Aber in den vergangenen Wochen ist viel Vertrauen verloren gegangen – unnötigerweise, wie ich glaube.
Dabei muss und dabei darf es nicht bleiben. Springen wir alle über unseren Schatten. Kommen wir wieder zusammen. Denn diese Region hat eine großartige Zukunft – wenn wir zusammen daran arbeiten. Wenn wir – gerade in Krisenzeiten – zusammenhalten!
Darum möchte ich Sie, lieber Herr Müller, herzlich, öffentlich und in aller Form bitten:
Helfen Sie mit, Hildburghausen vom 25. bis 27. September zum Leuchten zu bringen!
Mit freundlichen Grüßen
Florian Kirner
Weitersroda
Foto: Pixabay
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