Die große Maschine
„Lasst’s ihn doch amal hin. Vielleicht macht er’s ja besser.“ Diese Worte sprach mein Urgroßvater, der Kabarettist und Kneipenwirt Theo Prosel. Sie zeugten von keiner besonderen Weitsicht. Denn gemeint war Adolf Hitler. Vielleicht macht der es ja besser…
Die Lage der Künstler und der Gastronomen war verzweifelt in diesem Krisenjahr 1932. Der politische Betrieb in Berlin wusste derweil nichts weiter zu tun, als die soziale Lage der Arbeiter und der wachsenden Masse der Arbeitslosen noch zu verschlechtern.
Mein Urgroßvater war nun kein Mensch, der auf Krieg und Massenmord aus war. Als das böse Erwachen kam, versteckte und unterstützte er Künstlerfreunde jüdischer Abstammung. Seine geliebte Kneipe „Simplicissimus“ wurde 1944 ausgebombt, nachdem dieser Hitler, den man dann eben doch amal hingelassen hatte, einen Weltkrieg begonnen hatte.
Warum erzähle ich das?
Nun: es wird ja über den AfD-Wähler, das unbekannte Wesen, jetzt viel diskutiert, landauf, landab. Wählt der AFD-Wähler die AfD, weil er ein Nazi ist oder aus Verzweiflung oder beides? Worüber verzweifelt der AfD-Wähler? Wie alt, wie jung ist der AfD-Wähler? Welche Haarfarbe und Schuhgröße hat er, der AfD-Wähler?
Mir ist „der AfD-Wähler“ so fremd nicht. Schließlich wohne ich in Hildburghausen. Bei dem hiesigen Wahlergebnis wäre es rein technisch schwierig, niemanden zu kennen, der AfD wählt.
Was ich nun mit dem AfD-Wähler teile, ist die Wut und eine grundsätzliche Ablehnung der derzeitigen Verhältnisse in der Welt und in diesem Land. Ich bin auch besorgt. Ich bin auch stinksauer. Ich protestiere regelmäßig auf der Straße. Ich finde, dass es so nicht weitergeht.
Die Grundfrage ist: Woran liegt das eigentlich alles und wie sehen bessere Verhältnisse aus?
Ich würde zunächst festhalten wollen, dass wir auch schon abgezockt und verarscht wurden, bevor 2015 eine Million syrische Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Und an den Kriegen in der Welt, die solche Fluchtwellen produzieren, verdienen haargenau dieselben Leute prächtig, die auch dafür sorgen, dass wir hier unten immer weniger verdienen, egal, wie wir uns abstrampeln.
Diese Leute haben sich eine tolle Maschine gebaut. Auf der einen Seite wirft man die Arbeit, die Gesundheit, die Sicherheit, die Heimat und das Leben von Milliarden Menschen hinein – und auf der anderen Seite spuckt die Maschine Milliarden Euros, Dollars, Huans oder meinetwegen auch Bitcoins wieder aus.
Auch Wälder, Wasser, Land, Luft und Meere frisst diese unersättliche Maschine und macht sie zu Geld, Geld, Geld. Aber das Geld kriegen immer nur sehr wenige und meistens die selben Leute. Der Rest kriegt wieder mal nichts.
Wird nun die AfD diese Maschine brechen? Wird sie sich für uns mit den Superreichen anlegen? Oder ist sie nur ein weiterer Trick, um noch mehr Menschen in die große Maschine zu lotsen?
Ich denke, wir brauchen etwas anderes. Denn auch der „Flüchtling“ und „der AfD-Wähler“ sind doch am Ende nur verschiedenfarbiges Futter für die gleiche, große Maschine. Wir brauchen stattdessen die Solidarität aller Menschen, um die große Maschine endlich gemeinsam zu brechen.
Oder, etwas poetischer formuliert:
„Alle hier unten zusammen – gegen die Arschlöcher da oben“.
Prinz Chaos II.
Weitersroda
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