Die Grundschulen, der Straßenausbau und die GEZ
Leserbrief. Die Stilblüten im Wahlkampf und die Postenschacherei zu Erfurt kennen offenbar keine moralischen Grenzen mehr. Wurde bis dato durch die christlich politische Gesinnungsorganisation mit fragwürdigsten Ausschweifungen in das rechte Lager, mit Schummeleien beim Plakatierungsgedöns und widersprüchlichsten Slogans in allen Medien auf sich aufmerksam gemacht, so wird nun langsam der Zenit der Volksverdummung erklommen.
Und nein, hierbei meine ich nicht das Plakat mit der Aufschrift „Erhalt unserer Schulstandorte“, auf dem der Herr Landrat und die „Frau von Direktmandatsträgerin“ in die Sonne lachen, als hätten sie seit einer Ewigkeit kein schöneres Erlebnis gehabt, als dem Wähler kund zu tun: „Ja, wir haben die Grundschulen in Veilsdorf und Reurieth platt gemacht, aber das war nicht so gemeint“.
Und kaum erwischt bei dieser Pinocchio-Nummer, wird im Flyer der Dame noch mit dem Superslogan „Kurze Beine, kurze Wege“ auf dem Postweg nachgetreten. Eine schallende Ohrfeige für die Kinder, die im Alter von 6 bis 9 Jahren jeden Tag einen Schulweg von 1 bis 2 Stunden zusätzlich in Anspruch nehmen müssen, in Orte, in denen sie nicht wohnen und für die Eltern, die verbittert um die Erhaltung eines Restes kulturellen, dörflichen Lebens in ihren Heimatgemeinden gekämpft haben, um schlussendlich wieder einmal genau von den auf dem Plakat abgebildeten Versprechern mit Füssen getreten zu werden. Vielleicht habe aber nur ich den Wortwitz mit den „kurzen Beinen“ nicht verstanden und er soll eine Art Selbstironie ausdrücken, für die ich noch nicht reif genug bin. Denn der Volksmund weiß ja, dass nicht nur Kinder „kurze Beine“ haben. Doch halt, ich schwofte ab.
Die Straßenausbaugebühr, ein Thema, das seit 30 Jahren die Gemüter in East Germany erhitzt, ist der Zug, auf dem die Frau des Kreisstadtbürgermeister auf ihrer Facebook-Seite vollmundig aufspringt. Diese Umlage existiert seit diesem Zeitraum, in dem 25 Jahre lang die Glaubensgenossen der Landtagskandidatin an der Macht im Freistaat waren und wurde trotz permanenten Gegenwindes aus der Bevölkerung exzessiv durch die schwarze Volkspartei ausgelebt. Hierbei war es egal, ob die Bürger durch teilweise 5-stellige Kostennoten an ihre Existenzgrenzen geführt wurden. Es wurde knallhart durchgezogen. Keiner der vier CDU Ministerpräsidenten in diesem viertel Jahrhundert hat hier Gefangene gemacht.
Doch nun siehe da, kaum hat die Landesregierung, ohne die Stimmen der CDU, festgelegt, dass die Umlage ungerecht war und in Zukunft nicht mehr erhoben wird, springt Frau Kandidatin aus dem Westenfelder Gebüsch, mit dem Versprechen unterm Arm, die kompletten 30(!) Jahre ungerechter Beitragserhebung zurück abzuwickeln. Hallo??? Wir reden hier von über 300 Millionen Euro, wir reden hier über einen Verwaltungsaufwand unbekannten Ausmaßes und wir reden hier über den größten Mumpitz, der bisher seinen Weg in die Thüringer wahlkampfwahnbenebelte Öffentlichkeit gefunden hat.
Wie dies finanziert werden soll, ist bisweilen offen. Aber eins ist Fakt: die Regierung selber besitzt gar kein Geld, sie nimmt es aus unserer Brieftasche und verteilt es, vorzugsweise zuerst an sich selber. Und auch die monatlichen plus-minus 8.500 Euro, die so eine Direktkandidatin für Grunddiät, Wahlkreisbetreuung, Mehraufwendungen und Wegeentschädigung heimschleppt, würden hierzu bei weitem nicht reichen. Eventuell kämen wir der Sache näher, wenn wir die zusätzlichen Pöstchen aus Beraterverträgen, Vorstandssitzen und alle anderen möglichen und zuweilen unmöglichen Lobbyisten-Tätigkeiten mit einbeziehen, doch das weiß noch nicht mal das Finanzamt so genau.
Und wer weiß, was als nächstes aus der Tröte der verzweifelten Wahlkampfneurotiker erschallt? Vielleicht wird ja morgen schon die GEZ von der CDU abgeschafft und zurückgezahlt oder die Mehrwertsteuer? Denkbar ist augenblicklich alles, denn „versprechen” kann Frau sich ja mal, ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.
Karl Schüler
Römhild
(Leserbriefe spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider. Um die Meinung der Leser nicht zu verfälschen, werden Leserbriefe nicht zensiert, gekürzt und korrigiert. Mit der Einsendung geben Sie uns automatisch die Erlaubnis, Ihren Leserbrief in unserem Medium abzudrucken und online auf unserer Internetseite zu veröffentlichen.)
Foto: Privat