Die Mörder und der Tiefe Staat
Der Terroranschlag von Halle ist schockierend. Überraschen kann eine solche Tat niemanden, der die Entwicklung unseres Landes zur Kenntnis genommen hat – und das fortgesetzte Staatsversagen in Sachen Rechtsterrorismus.
Nein, es ist noch schlimmer. „Staatsversagen“, das klingt nach Pleiten, Pech und Pannen. Wir reden aber über eine unsichtbare, schützende Hand, die den Netzwerken des Rechtsterrorismus immer wieder segensreich zu Hilfe eilt, wenn deren Zerschlagung droht. Wir reden über erhebliche Geldmittel, die aus Töpfen des Verfassungsschutzes in die rechtsterroristische Szene eingespeist wurden.
Der neuerliche Untersuchungsbericht des Thüringer Landtages zum Terrornetzwerk „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zeigt all dies einmal mehr überdeutlich auf.
Es geht nicht um Pleiten, Pech und Pannen, wenn die Verhaftung von Mördern wieder und wieder in letzter Minute vereitelt wird – aus dem staatlichen Sicherheitsapparat heraus. Oder wenn höchst relevante Akten beim Verfassungsschutz und in Landeskriminalämtern geschreddert werden. Oder aber, wenn es über Jahre hinweg zu einem geheimnisvollen Zeugensterben im Umfeld der juristischen Aufarbeitung des NSU-Komplexes kommt.
Dass der NSU kein Drei-Personen-Kleinbetrieb gewesen ist, sondern Teil eines weitaus größeren Netzwerks, das bis heute nicht zerschlagen wurde, zeigte sich auch kürzlich im Mordfall Lübcke. Der Mörder dieses Regierungsdirektors in Kassel war den Sicherheitsbehörden bekannt – aus dem direkten Umfeld der NSU-Mörder. Er hatte Verbindungen zu Combat 18, einem rechtsterroristischen Netzwerk, das unglaublicherweise noch nicht einmal verboten worden ist, bisher.
Die Verbindung Rechtsterrorismus – Geheimdienste reicht sehr weit zurück. In den letzten Monaten des zweiten Weltkriegs nahm der Geheimdienstchef der Nazis an der Ostfront, ein gewisser Reinhard Gehlen, Kontakt mit den Amerikanern vom Geheimdienst OSS auf. Die US-Geheimdienstler waren sehr interessiert an Gehlen, der kistenweise Dokumente gebunkert hatte. Aus dem OSS wurde bald die CIA. Und die CIA unterstützte den Nazi Reinhard Gehlen großzügig dabei, einen privaten Geheimdienst namens „Organisation Gehlen“ aufzubauen. Die war im bayerischen Pullach daheim. Und 1956 entschied dann die Regierung Adenauer, diese „Organisation Gehlen“ in einen offiziellen Geheimdienst des westdeutschen Staates umzufunktionieren. Die war dann immer noch in Pullach daheim, war mit Geheimdienstkadern des Dritten Reichs gespickt und hieß fortan: Bundesnachrichtendienst.
Der Attentäter von Halle soll nun ein Einzeltäter gewesen sein. Ein Einzeltäter, einmal mehr. Wie immer, wenn Nazis in Deutschland morden. Nun mag es sein, dass er seine Tat wirklich selbst geplant und seine Waffen und Bomben, von denen die meisten dann auch nicht richtig funktionierten, selber gebaut hat.
Aber schauen wir der Tatsache doch ins Auge: Walter Lübcke wurde Opfer eines Mordes aus dem NSU-Umfeld, nachdem die rechte Szene von offenen Faschisten bis hin zu Beatrix von Storch (AFD) und Erika Steinbach (Ex-CDU) den Mann zum Gegenstand einer mehrjährigen Hetzkampagne gemacht hatte.
Auch der Mörder von Halle schwebte nicht mir nichts, dir nichts aus dem blauen Himmel über Halle herab, vor das Tor der Synagoge. Die Bauanleitungen für seine Mordwerkzeuge stammen aus jenen einschlägigen Ecken des Internets, in denen er auch die Bausätze für seine kranke Hassideologie gefunden hat.
Deutschland 2019. Wir leben in gefährlichen Zeiten. Lasst uns wachsam und wehrhaft sein. Wir sollten uns auch bei der Landtagswahl am 27. Oktober gut überlegen, in welche Richtung wir von hier aus weitergehen wollen. Keinen Millimeter nach rechts, würde ich dringend vorschlagen – wenn wir wollen, dass diesen Mordbanden endlich das Handwerk gelegt und ein friedliches Zusammenleben in Deutschland für die Zukunft gewährleistet wird.
Prinz Chaos II.
Weitersroda
Foto: Pixabay
Abschließend: Werbung.
Ein gewisser Florian Kirner hat einen Roman geschrieben. Er heißt „Leichter als Luft“. Er ist im Westendverlag erschienen. Er ist überall im guten Buchhandel, aber natürlich auch bei Amazon und Co. erhältlich.
Ich persönlich rate zum Kauf im Büro der „Südthüringer Rundschau“, Johann-Sebastian-Bach-Platz 1, Hildburghausen und zu diesem Buch.
Die Bücher, die es dort zum Preis von 17,95 Euro gibt, sind handsigniert!
Florian Kirner hat die in der Rundschau erhältlichen Bücher exklusiv für Sie signiert.
Das Roman-Debüt von Prinz Chaos II.
Florian Ernst Kirner – Leichter als Luft
Eine verrückte Zeitreise durch das gentrifizierte Berlin vom 11. September bis heute. Donna Fauna, der Kanarienquex und das Weazel – drei Gewächse der Berliner Elektroszene – erleben auf LSD den 11. September 2001! Die Wucht des Ereignisses katapultiert das Trio endgültig in die Gegenwelt der Drogenkultur – bis sie im gentrifizierten Berlin wieder erwachen. Dort geraten sie in einen aberwitzigen Fight mit einem Immobilienkonzern, lernen alternative Medienleute, Neureiche und den mysteriösen Freiherrn von Tadelshofen kennen. Das Projekt „gesellschaftlicher Aufstieg“ erweist sich als Spiel mit dem Feuer. Ein faszinierender Ritt durch eineinhalb Jahrzehnte Zeitgeschichte. Glänzend beobachtet, mit brillantem Humor und Sprachwitz aufgeschrieben.
„Kirner erzählt auf fantastische Weise vom Anfang und dem Ende unseres Zeitalters der Verwirrung. Seine Sprache surft meisterhaft auf dem Aberwitz der Ereignisse. Das erstaunlichste an „Leichter als Luft“ ist jedoch, dass hier etwas gelungen ist, was kaum noch zu erwarten war: die Wiederbelebung einer totgesagten literarischen Gattung, des Sittenromans.“
Dirk C. Fleck (ausgezeichnet mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis 1994 und 2008)