Die Zukunft des ländlichen Raumes steht auf dem Spiel
Reurieth (ls). Auf der kürzlich stattgefundenen Tagung des Regionalverbandes der Landsenioren Südthüringen wurden tiefgreifende Probleme der Entwicklung auf dem Land erörtert. Vizepräsident Albert Seifert von der Agrargenossenschaft „Milzgrund“ e.G. gab zunächst einen Überblick über die Arbeit der Landsenioren und ihres Verbandes im zurückliegenden Jahr, bevor er auf Probleme der Landwirtschaft wie Naturschutz, Tierwohl und das Energieproblem einging.
Dabei wurde kritisiert, dass die Landwirtschaft immer wieder in ein schlechtes Licht gerückt wird und für Fehlentwicklungen durch Politik und Wirtschaft immer wieder herhalten muss. Toralf Müller, Vizepräsident des Thüringer Bauernverbandes und Chef der Agrarunternehmen Pfersdorf/Reurieth führte an Beispielen von Abkommen der Regierung mit den USA und Argentinien (Rindfleischeinfuhren) an, wie die deutsche Landwirtschaft geopfert wird. Außerdem gab er einen tieferen Einblick in die momentane Ernte- und Marktsituation.
Eine Steilvorlage zur Diskussion über die künftige Entwicklung des ländlichen Raumes hat bekanntlich Prof. Gropp vom IWH (Institut für Wirtschaftsforschung Halle/Saale) gegeben, der den „ländlichen Raum“ abschaffen möchte und damit eine Welle der Empörung entgegenschlägt. Das wurde auch beim Treffen der Landsenioren in Reurieth bei allen geäußerten Meinungen deutlich.
Der Vorstand der Landsenioren hatte die Politiker aller Parteien (waren alle eingeladen) gebeten, sich aus ihrer Sicht zur Entwicklung des ländlichen Raumes zu äußern. „Es darf uns nicht gleichgültig sein, wenn ein Wissenschaftler aus Halle gegen den ländlichen Raum vorgeht“, formulierte Albert Seifert und fand Zustimmung im Saal. Die Landsenioren und der Bauernverband werden sich einmischen und eine solche Entwicklung nicht zulassen, einfach weil er lebenswert ist und auch die Landwirtschaft trotz aller Widrigkeiten immer noch funktioniere, so Seifert.
Für den Präsidenten Gerold Schmidt sei in gewisser Weise der „ländliche Raum schon abgehängt“, wenn man die Entwicklung betrachte. Doch gerade deshalb trete der Landseniorenverband für die Belange der Menschen und der Landwirtschaft ein und werden die Interessen der ländlichen Bevölkerung gegenüber Politik und Gesellschaft vertreten, so Schmidt. Deshalb müsse man die Gespräche mit den Politikern und den Medienvertretern suchen, um das Ansehen zu verbessern.
„Der ländliche Raum hat Zukunft, wenn es die Politik auch will“, sagte Henry Worm. Ein solcher Satz aus dem Mund eines Landespolitikers lässt natürlich hoffen. Doch was gehört zu einer solchen Entwicklung? Für Kristin Floßmann bedeutet ländlicher Raum vor allem auch „Daseinsfürsorge“, das heißt es gehören Krankenhäuser und Ärzte dazu, eine Versorgung, die in komfortabler Reichweite für die Bürger ist, wie z. B. Bäcker, Fleischer, Kindergärten und Schulen, die erhalten werden müssen. Gerade die von der Landesregierung vorgegebenen Größenangaben, die fast alle Schulen betroffen hätten, von Themar über Römhild oder Hildburghausen bis Heldburg, seien nicht haltbar gewesen. Deshalb sei man zurückgerudert. Zur Daseinsfürsorge gehöre aber auch die Ortskernbebauung, so Floßmann, und es müsse Schluss mit dem „Flächenfraß“ sein.
Auch das Landratsamt nehme die anstehenden Probleme ernst und werde gegen solche Ideen (gemeint ist Gropp) ankämpfen, erklärte Roland Müller als dessen Vertreter, denn „unser Kreis ist 100% ländlicher Raum“. „Wir können die Region nicht danach messen, ob es bezahlbar ist oder nicht“. Er sei begnadeter Weise schon viel in der Welt herumgekommen und habe (Fehl)Entwicklungen gesehen. Als Beispiel nannte er Nord-Norwegen, wo es Prämien gab, wenn Leute die Region verlassen haben. Heute versuche man das rückgängig zu machen.
Zur Entwicklung des ländlichen Raumes gehöre auch der Breitbandausbau für ein schnelles Internet (jeder kennt die Probleme im Unterland und anderswo). Viele Länder seien viel weiter als Deutschland. Hier führte er als Beispiel Albanien an, wo man „in jedem kleinen Bergdorf vier Balken auf dem Handy“ habe.
Katharina Schmidt, die selbst auf dem Dorf lebt (Zeilfeld), liegt der ländliche Raum am Herzen. Sie sehe beispielsweise „Windräder im Wald als allerletzte Möglichkeit“ in der Energiewende. Für eine Versorgung regte sie an, einen regionalen Wochenmarkt, ähnlich wie in Coburg, in Hildburghausen einzuführen. Dem wurde aber widersprochen, weil er auch in Coburg rückläufig sei, weil es, gemessen an der Zeit, nicht rentabel sei und sich keine neuen Händler finden. Ebenfalls wurde in der Diskussion mit Blick auf die verheerenden Waldschäden einem „zu späten Waldumbau“ widersprochen, der schon nach der Wende eingesetzt habe.
Mit dem gebürtigen Themaraner Thomas Jakob, der für den Hildburghäuser Wahlkreis antritt, stellte sich den Landsenioren ein neuer Mann vor, der der SPD zu neuem Ansehen verhelfen könnte. Er ist Chef der Bewährungshilfe am Oberlandesgericht Jena und pendelt an den Wochenenden oft nach Themar. Für ihn ist die Heimatregion leistungsfähig und es müsse das Problem angegangen werden, wie man Leute wieder zurückgewinnen könne. Das sei auch eine Herausforderung, die sich die (neue) Landesregierung stellen müsse. „Hier muss das große Fachwissen der Landwirte eingearbeitet werden“, so Jakob. Denn „was Thüringen ausmacht, das ist die ländliche Region“, so der SPD-Politiker, und dazu gehörten die Vereine, die Kirchen, Verkehrseinrichtungen und auch die Gasthöfe. Er verstehe sich als Ansprechpartner der Region und sicherte seine Unterstützung und Hilfe zu, wenn es durch den Dschungel von Anträgen oder bürokratischen Hindernissen gehe.
Fazit: Halten alle Wort, dann wird und bleibt der ländliche Raum lebenswert.
Titelbild: Blick in den Saal zur Tagung des Regionalverbandes. Foto: ls