Ein Alleinstellungsmerkmal für Hildburghausen
Hildburghausen. In den letzten Wochen gab es in der Rundschau eine intensive Diskussion: wie bekomme ich eine attraktive und lebendige Innenstadt hin? Wie es sich gezeigt hat, ist diese Debatte um die Strukturentwicklung überfällig, gut und wichtig.
Aber Ross und Reiter sollten doch genannt werden, wenn man diese Debatte führt. So zum Beispiel, dass ein Antrag der Fraktion Die Linke. zum Beschluss des Stadtrates geführt hat, für 1,5 h keine Parkgebühren in der Innenstadt mehr zu erheben. Wie auch die Fraktion bereits vorher gegen die Erhöhung der Parkgebühren gekämpft hat.
Für die Erhöhung der Gebühren zu kämpfen, war die Position des aktuellen Amtsinhabers, der aber immer nur anmerkt: „Der Vorgänger ist Schuld!“ – ohne daran zu denken, dass er fünf Jahre der Stellvertreter des Vorgängers war und mit seiner Fraktion alles mitgetragen und beschlossen hat.
Dann wird der Schlachthof und der Netto am Friedhof ins Spiel gebracht. Auch hier zeigt sich, dass es nicht nur in Erfurt geschichtsvergessene Vertreter der CDU gibt. Der Schlachthof ging nach der Insolvenz des damaligen ägyptischen „Inves-
tors“ Anfang der 90er Jahre an die Firma Och aus Lichtenfels. Ziel war… Bebauung. Dann ging auch die Firma Och pleite und der Insolvenzverwalter war wieder am Zuge.
Kürzen wir alles weitere ab: am Ende gab es zwei Bauträgerfirmen, die in der engeren Wahl des Insolvenzverwalters standen und mit dem gleichen Konzept um den Zuschlag geworben haben. Nun stehen mit Aldi, Netto und AWG Firmen am Standort, die eben nicht in die Innenstadt gehen.
Ähnlich, nur ohne Insolvenz, verhielt es sich am Standort Friedhof. Die dortige Eigentümerin suchte jemanden, der ihren Kaufpreis bezahlte. Am Ende eines langen Prozesses war dieses ein Bauträger, der die Firma Netto angesiedelt hat.
Vielleicht haben wir den einen oder anderen Supermarkt zu viel angesiedelt. Aber man muss auch die Schwierigkeiten betrachten, die zu diesen Entscheidungen geführt haben – und die Grenzen der tatsächlichen städtischen Eingriffsmöglichkeiten.
Anders – da haben die Schreiber der CDU-Fraktion Recht – verhielt es sich beim Kaufland. Da hatte die Stadt einen B-Plan, der besagte: Lebensmittelgroßmarkt und Möbel – alles weitere nicht!
Die Stadt war hier nicht in der Pflicht, weitere Zugeständnisse zu machen und den Vorbereich mit weiteren innenstadtrelevanten Sortimenten zu bestücken und damit zu vergrößern. Es gab hier genügend Hinweise, warum man eben keine Sortimentserweiterung zulassen sollte.
Aber zurück in die Innenstadt.
Natürlich müssen auch Feste und Veranstaltungen zur Belebung dort beitragen, aber eine Stadt kann auch nicht das ganze Jahr feiern. Und natürlich können auch Einzelhändler daran mitarbeiten, den Markt attraktiver zu gestalten. Aber deren Möglichkeiten sind in Zeiten von Amazon & Co eingeschränkt.
Deshalb muss unsere Innenstadt in Zukunft beim Service punkten. Dazu brauchen wir mehr soziale Einrichtungen und Anlaufstellen in der Stadt, Anlaufstellen für die Bürger, die dann auch die Frequenz bringen, die für die Einzelhändler notwendig ist.
Und da darf ich auf einige Entscheidungen bis 2014 verweisen. Etwa auf den Ausbau der alten Bürgerschule, der alten Zentralen-Oberschule (ZOS) zur Post und Kreismusik- und Volkshochschule. Oder auf den Ausbau des „Alten Rathauses“ zur Bibliothek und Touristinformation – damals sogar noch mit vernünftigen Öffnungszeiten! Oder der Neubau des Puschkinplatzes und der Unteren Marktstraße.
Aber auch die privaten Investitionen sind nicht zu vergessen, etwa die Schlossplatzbebauung – denn die gehört ebenfalls zur Innenstadt – die Investitionen ins alte Magnet-Kaufhaus zur Apotheke am Markt, oder im alten Kaufhaus am Markt zu einem modernen Wohn- und Geschäftshaus, oder der Wohnungsgesellschaft am Häfenmarkt.
Was wir mit alledem nicht auffangen konnten, ist die fehlende Frequenz an Besuchern durch den Wegzug des Landratsamtes im Jahr 2000. Die Schließung der Zweigstelle der Sparkasse 2017 war dann eine weitere dramatische Fehlentwicklung, bei der der entschlossenen Widerstand der Stadtführung erwartet worden wäre.
Nun wurde kürzlich ein „Konzept“ für die Innenstadt vorgelegt, das vor allem gar kein Konzept ist, sondern eine Ansammlung nostalgischer Verweise auf Dunkelgräfin, Joseph Meyer und Co. als Alleinstellungsmerkmale für die Stadt.
Aber für eine gute Innenstadtentwicklung reicht es nicht aus, auf die Größen der Vergangenheit zu verweisen, die ja durchaus im Stadtbild präsent sind. So die Büste von Joseph Meyer an seiner ehemaligen Wirkungsstätte, der heutigen Post, oder die Nachbildung des Archosauriers in Originalgröße am „alten Rathaus“.
Aber wie, frage ich Frau Schwamm, wie wollen Sie damit die Geschäfte mit Mietern und mit Leben erfüllen? Wie wollen Sie damit Investoren für die Stadt Hildburghausen gewinnen?
Am Ende wird es uns auch nichts nützen, Handelsflächen am Rande der Stadt gegen die Innenstadt auszuspielen. Wir brauchen beides, denn auch dort arbeiten Menschen und verdienen ihr Geld.
Wir brauchen letztlich ein Zusammengehen, gemeinsam für die Stadt und ihre Entwicklung. Dafür braucht es eine starke Allianz aus Werbering, Stadtrat, Stadtverwaltung und Bürgermeister. Das wäre dann mal ein Alleinstellungsmerkmal für Hildburghausen! Und nur das macht es möglich, die Fehler der zurückliegenden sechs Jahre nicht zu wiederholen, sondern für einen neuen Aufbruch in Hildburghausen zu sorgen.
In diesem Sinne – das Beste für Hildburghausen.
Ihr Steffen Harzer
Fraktion Die Linke.
Foto: Privat