Ein kleiner Funke bleibt
Eisfeld. Ein Vierteljahrhundert lang hat Gudrun Mundt mit und für mehrfach-schwerstbehinderte Menschen gearbeitet. Nun hat sich die Heilpädagogin und Leiterin der Tagesförderstätte Eisfeld in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.
Immer in Bewegung – körperlich wie geistig; immer auf der Suche – nach neuen Möglichkeiten, neuen Herausforderungen; immer am Ball – vor allem für die ihr anvertrauten Menschen: So wird Gudrun Mundt wohl nicht nur ihren Kolleginnen und Kollegen der Werkstatt für angepasste Arbeit (Wefa) Eisfeld in Erinnerung bleiben, sondern vor allem den Beschäftigten der Tagesförderstätte (TF) für mehrfach-schwerstbehinderte Menschen, die sie seit mehr als zwei Jahrzehnten betreut und gefördert hat.
Vieles hat Mundt in dieser Zeit mit aufgebaut und eingerichtet, begonnen 1996 im Berufsbildungsbereich (BBB) der Wefa Eisfeld, anschließend im Wohnheim für Menschen mit Behinderung in Seßlach. Dann erfolgte erneut der Ruf nach Eisfeld, dem sie 1999 nur allzu gern folgte, wartete doch mit der Leitung des Förderbereiches eine neue Herausforderung auf die heute 67-Jährige. „Den damals Verantwortlichen war es wichtig, eine fachliche Leitung in diesem Bereich der Wefa einzusetzen“, erinnert sie sich.
Sie entwickelte ein entsprechendes Konzept für den Betrieb einer Tagesförderstätte für mehrfach-schwerstbehinderte Menschen, angefangen von der Tagesstruktur bis hin zu Planung und Umsetzung, wobei sie stets die individuelle Förderung eines jeden Einzelnen und dessen Persönlichkeitsentwicklung in den Fokus stellte, wie sie mit Nachdruck betont. Damals habe es noch keine Vorlagen für den Förderbereich gegeben, weshalb sie sich alles selbst erarbeiten musste.
Immer an ihrer Seite: die Eltern der Beschäftigten, denen sie den größten Dank entgegenbringt für die gute Zusammenarbeit und das Vertrauen, das sie von Anfang an in sie gesetzt haben. „Ohne sie wären unsere Dokumentationen gerade in der Anfangszeit wohl im Sande verlaufen“, sagt Gudrun Mundt. Doch: „Dokumentation muss sein. Täglich reflektieren wir über jeden einzelnen Beschäftigten, seine Fortschritte, seine Bedürfnisse. Man darf nie vergessen: Wir arbeiten hier mit erwachsenen Menschen mit dem Recht auf Arbeit und Bildung“, bekräftigt sie. „Es ist wichtig, miteinander, gemeinsam zu arbeiten, abzuwägen, welcher Beschäftigte Assistenz benötigt und in welchem Umfang. Deshalb ist die Teilhabe am Arbeitsleben ganz individuell definiert.“ Dabei wird besonders darauf geachtet, jedem Beschäftigten die Zeit zu geben, die er braucht. „Wir arbeiten ohne Druck und mit positiven Verstärkern“, erklärt sie. Ihre Arbeit empfand die frisch gebackene Rentnerin nie als solche: „Meine Arbeit ist meine Berufung“, bestätigt sie und ergänzt: „Auch die kleinsten Fortschritte unserer Beschäftigten bereiten mir noch immer Gänsehaut.“
Damit die Beschäftigten der Wefa auch einmal die Arbeit ihrer Kollegen der Tagesförderstätte kennenlernen und umgekehrt, hat Gudrun Mundt vor einigen Jahren die sogenannte Werkstatt-Rallye ins Leben gerufen. „Auf diese Weise haben unsere Beschäftigten auch die anderen Arbeitsbereiche der Wefa genauer unter die Lupe genommen, und die Wefa-Beschäftigten konnten sich ein Bild von der Arbeit ihrer Kollegen in der TF machen“, erklärt Mundt. Leider liegt die Werkstatt-Rallye wie viele andere Gruppenangebote pandemiebedingt auf Eis. Denn 2020 war ein besonders herausforderndes Jahr, sowohl für die Beschäftigten als auch für die Mitarbeiter. „Plötzlich kamen viele Veränderungen auf uns zu“, erinnert sich Mundt. „Vieles brach auf einem Tag auf den anderen weg, die Werkstatt musste sogar geschlossen werden. Doch gemeinsam haben wir diese außergewöhnlichen Umstände gemeistert.“
Dass Arbeit nicht alles im Leben ist, weiß die engagierte 67-Jährige genau, denn die zahlreichen Aktivitäten in der Freizeit und die arbeitsbegleitenden Maßnahmen sprechen Bände von dem, was Gudrun Mundt aufgebaut und vorangetrieben hat – vieles davon im Ehrenamt. Bestes und populärstes Beispiel ist die Installation der hauseigenen Tanzgruppe, der „Wefa-Funken“, die 1997 ihren ersten öffentlichen Auftritt zum Fasching in Eisfeld absolvierte und seitdem von keiner Diakonie- und Wefa-Veranstaltung wegzudenken ist. Sogar in Eisfeld und Umgebung sind die Tänzer aus der Werkstatt bekannt, manche Auftritte führten sie bis nach Coburg, Kronach und Sonneberg zur Ausgestaltung von Festen oder Umzügen.
Zum jährlich stattfindenden Talentwettbewerb reisten die Kollegen aus den Werkstätten Sonneberg, Seßlach, Wildenheid und Hildburghausen an, um ihr meist gesangliches oder tänzerisches Talent unter Beweis zu stellen. Darüber hinaus initiierte Gudrun Mundt zahlreiche arbeitsbegleitende Maßnahmen wie Töpfern oder kreatives Gestalten. Aber auch die Bewegung kam nie zu kurz, sei es in der Gruppe „Fitness einmal anders“, in der die Beschäftigten Sport mit Alltagsgegenständen machen konnten, oder in der Schwimmgruppe, die regelmäßig erfolgreich bei den Special Olympics vertreten war. „Es soll vor allem Spaß machen und Freude bringen“, lautete das Credo aller Aktivitäten, die Mundt mit den Beschäftigten der Wefa und der Tagesförderstätte unternahm.
Ihr großes ehrenamtliches Engagement blieb nicht unbeachtet, und so wurde sie vor gut fünf Jahren von Hildburghausens Landrat Thomas Müller mit der Thüringer Ehrenamtscard ausgezeichnet. Und auch die Wefa Hildburghausen und die Kirchgemeinde Eisfeld wussten ihren Einsatz mehr als zu schätzen. „In Eisfeld haben wir beispielsweise mit der Kirchgemeinde ein Theaterstück entwickelt, in das wir aktiv eingebunden waren; ebenso im Lutherjahr 2017“, erzählt die 67-Jährige.
So ganz wird Gudrun Mundt noch nicht aus dem Wefa-Leben verschwinden, behält sie doch nach wie vor die Wefa-Funken sowie das Töpfern und den Sport mit den Beschäftigten im Auge – ehrenamtlich. Ihren beispiellosen Einsatz vor und hinter den Werkstatt-Kulissen krönten ihre Kollegen aus Eisfeld zum Abschied mit dem Überreichen des goldenen Kronenkreuzes der Diakonie als Anerkennung und Dank für ihr haupt- und ehrenamtliches Engagement.
Fotos: Archiv Wefa