Fahrradtour vor 70 Jahren
Leserbrief. Im Jahr 1951, als es wieder Fahrradbereifung gab, kam der Lehrer der Oberstufe Hellingen auf die Idee eine größere Fahrradtour mit einigen Schülern zu unternehmen. Es meldeten sich zwei Jungen aus der 7. Klasse, aus der 8. Klasse drei Mädchen und ich. Es wären noch viele andere mitgefahren, die hatten aber kein einsatzfähiges Fahrrad.
Die Vorbereitungen wurden getroffen, die Fahrräder überprüft und der Lehrer gab bekannt was alles mit zu nehmen ist: Werkzeug, Verpflegung, Bekleidung, Toilettenartikel und Handwaschpaste für eventuell anstehende Reparaturen. Montagfrüh, pünktlich um sieben Uhr ging es los. Am ersten Tag fuhren wir über Römhild, Meiningen, bis nach Unterkatz. Es dämmerte schon als wir in der Schule unser Quartier bezogen.
Als wir am nächsten Morgen zum Fenster rausschauten waren wir erschrocken, weil wir direkt in den Friedhof blickten. Wir brachen auf zu einer schönen Fahrt durch die Vorderrhön, die in Bad Liebenstein endete. Hier bezogen wir Quartier, legten am nächsten Tag eine Fahrpause ein und besichtigten die schöne Stadt und ihre Kuranlagen. Gegen Abend fuhren wir zu unserem nächsten Etappenziel Bad Salzungen. Hier waren wir im Kurhaus am See untergebracht und konnten etwas von der „Kurluft“ schnuppern.
Am nächsten Tag brachen wir zu einer erlebnisreichen Fahrt in den Thüringer Wald auf. Über Trusetal und Brotterode fuhren wir zum Inselsberg. Bei strömenden Regen erreichten wir, meistens das Rad schiebend, den Gipfel. Ohne einen Fernblick zu erhaschen stiegen wir wieder ab und fuhren durchnässt bis Friedrichroda, wo wir aber kein Quartier bekamen. Nur die Fahrräder durften wir unterstellen.
Zum Glück hatte der Lehrer noch Verbindung mit seiner Heimatstadt und wir bekamen eine Unterkunft in einer Erfurter Jugendherberge. So fuhren wir mit der 2Thüringer Waldbahn“, was für uns ein besonderes Erlebnis war, nach Gotha und dann nach Erfurt. Von der Stadt haben wir nicht viel gesehen, denn wir fuhren schon früh wieder zurück zu unseren Fahrrädern nach Friedrichroda. Wir machten eine schöne Fahrt durch den Thüringer Wald und übernachteten in der Nähe von Oberhof, in einer Holzhütte mitten im Wald. Am nächsten Tag fuhren wir frisch und fröhlich nach Hause.
Es war eine große Leistung für Zwölfjährige, denn Gangschaltung und Ähnliches gab es zu dieser Zeit noch nicht. 50 Jahre lang habe ich mir vorgenommen diese herrliche Tour zu wiederholen, was aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht geklappt hat. Vielleicht kann ich die Tour, wenn es die Umstände erlauben doch noch, mit dem Auto und meiner Frau wiederholen.
Lothar Götz
Streufdorf
Titelbild: Fahrradreparatur vor der Bäckerei in Dermbach/Rhön. Foto: Privat
(Leserbriefe spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider. Um die Meinung der Leser nicht zu verfälschen, werden Leserbriefe nicht zensiert und gekürzt. Mit der Einsendung geben Sie uns automatisch die Erlaubnis, Ihren Leserbrief in unserem Medium abzudrucken und online auf unserer Internetseite zu veröffentlichen.)