Gemeinde- und Städtebund fordert Strategiewechsel: Abkehr von den reinen Inzidenzwerten
Erfurt/Landkreis Hildburghausen. In der Landesauschusssitzung des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen in dieser Woche wurde sehr konstruktiv über mögliche Öffnungsstrategien im aktuellen Lockdown gesprochen. Dabei wurde immer wieder auf die prekäre Lage in verschieden Branchen hingewiesen. Um die Beratungspunkte der Sitzung, die als Videokonferenz stattfand, zu untermauern, wurde ein gemeinsamer Brief an die Thüringer Landesregierung und alle Abgeordneten des Thüringer Landtages, erarbeitet und verabschiedet. Alle Teilnehmer*innen waren sich einig, dass eine Öffnungsstrategie, nicht ausschließlich an den Inzidenzwerten festgemacht werden kann. Kreisvorsitzender Sven Gregor, der ebenfalls an der digitalen Sitzung teilnahm, erhofft sich mit diesem gemeinsamen Appell einen neuen Weg der Öffnung auch in unserem Landkreis Hildburghausen. „Wir müssen gemeinsam Wege finden, die auf der einen Seite dem Gesundheitsschutz dienen, aber ein einigermaßen freies und selbstbestimmtes Leben für unsere Bürger*innen ermöglicht“, so Sven Gregor.
Weiterentwicklung einer Corona-Strategie
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Ramelow,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,in unserer heutigen Sitzung des Landesausschusses des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen haben wir u. a. sehr intensiv darüber beraten, wie der Freistaat Thüringen mit der Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie umgehen sollte.
Jenseits aller in diesen Zeiten auch formulierten Schuldzuweisungen in der Frage, warum Thüringen mit seinem Inzidenzwert mittlerweile deutlich auf dem letzten Platz liegt, hat in unserem Landesausschuss ausschließlich eine sachliche und kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema stattgefunden. Im Ergebnis können wir Ihnen mitteilen, dass unser Landesausschuss ohne Gegenstimme eindringlich fordert, schnellstens eine Strategie zum weiteren Umgang mit der Pandemie zu entwickeln oder ggf. eine vorhandene Strategie anzupassen.
An erster Stelle wird hier eindeutig die Forderung formuliert, sofort davon abzurücken, den reinen Inzidenzwert als Basis für Öffnungsstrategien jeglicher Art zu betrachten.
Es hat sich gerade in der Vergangenheit sehr deutlich gezeigt, dass lokal begrenzte Infektionen über das Schicksal von Landkreisen und kreisfreien Städten im Ganzen entscheiden. Wir haben Landkreise in Thüringen, die an einer Grenzseite kaum von Infektionen betroffen sind und sich den Öffnungsregeln der angrenzenden Bundesländer stellen müssen, während teilweise über 50 Kilometer weit entfernt an der anderen Grenze des Landkreises ein hohes Infektionsgeschehen dafür ausschlaggebend ist, dass der gesamte Landkreis keine Lockerungsmaßnahmen ergreifen kann. Das gilt für Kitas und Schulen aber auch für Gewerbebetriebe, Geschäfte usw.
Wir fordern dringend die Abkehr von den reinen Inzidenzwerten hin zu einer lokalen Betrachtung.
Wir halten das deshalb für gerechtfertigt, weil ein sehr entscheidender Grund für die starke Reglementierung in der Vergangenheit unter anderem auch gewesen ist, die Gesundheitsinfrastruktur so vor dem Einbruch zu bewahren. Mittlerweile kann aus unserer Sicht aber davon ausgegangen werden, dass es durch Testungen und Impfungen gelungen ist, die einst akut bestehende Gefahr sehr deutlich abzumildern. Mit Blick darauf, dass die Akzeptanz von Einschränkungen in der Bevölkerung täglich abnimmt und die Aussichtslosigkeit von Gewerbetreibenden, Gastronomen, Künstlern in Hinblick auf ein „normales“ Leben täglich wächst, müssen wir handeln.
Dazu brauchen wir klare und konsequente Regelungen in Bezug auf Impfungen und Tests. Wir haben die Befürchtung, dass die Sorge um nicht vorhandenen Impfstoff schon bald abgelöst werden könnte von der Sorge um die Frage, warum vorhandener Impfstoff nicht verabreicht werden kann. Uns sind Beispiele benannt worden, nach denen Hausärzte, Kliniken und auch sonst medizinisch geschultes Personal sofort Impfungen durchführen könnten, dies aber durch die Konzentration auf die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen nicht umgesetzt werden kann. Wir bitten mit Nachdruck darum, unverzüglich klare Regeln aufzustellen, diese konsequent zu verfolgen und im Ergebnis alles dafür zu tun, dass so viel wie möglich getestet und geimpft wird.
Jedes bürokratische Hindernis, das diesem Ziel im Weg steht, muss unverzüglich beseitigt werden!
Wir machen uns große Sorgen und bitten daher darum, unseren Appell ernst zu nehmen und unverzüglich zu handeln.
Für Rücksprachen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Brychcy
Präsident
Foto: Südthüringer Rundschau