Heidewitzka oder Stalingrad?
Die bedeutendste Nachricht des Wochenendes ist medial deutlich zu kurz gekommen. Sie lautet: 12.500 Menschen! So viele waren beim fünften Heidewitzka-Festival auf der Langen Heide. 12.500 Menschen, über 100 Acts auf den Bühnen, in Hildburghausen, bei einer Elektroparty!
Nun kommt das Heidewitzka zwar perfekt organisiert, wunderbar liebevoll und positiv verrückt daher – aber eben nicht als „politische Kundgebung“. Der Festivalveranstalter Danny Brohm muss deshalb für vieles, was dem Festivalveranstalter Tommy Frenck bisher vom Steuerzahler spendiert wird, selber bezahlen.
Und irgendwie ist das Heidewitzka genau dadurch politisch, dass es eben gerade nicht „politisch“ ist: sondern einfach nur sympathisch, friedlich, fantasievoll, ausgelassen, voller Gemeinsamkeit und Hoffnung! Die Botschaft des Heidewitzka lautet „Friede, Freude, fette Bässe“. Und nicht: Rassismus, Hass und musikalische Schlachtplatte.
Nehmen wir zur Kenntnis: Der Festivalstandort Hildburghausen wird keineswegs von rechtsaußen dominiert. Auch das Woodstock Forever in Waffenrod (15. – 18. August 2019) wird vier- bis fünfmal so viele Besucher ziehen wie der frenckische Faschistenfasching 2019.
Rückblick!
Wie herrlich war dagegen das Jahr des Führers, 2017! 6.000 Herrenmenschen aus ganz Europa beim „Sturm auf Themar“. Hitlergrüße, Hakenkreuze, verbotene Lieder! Das ganze Bierzelt schreit „Sieg Heil“, die Polizei hat die Hosen voll, die Gerichte winken alles durch, die Schwarzköpfe trauen sich nicht auf die Straße: ein Landkreis bibbert vor Angst.
Wer freilich, wie der Herr Frenck und seine Kameraden, davon träumt, den deutschen Faschismus in historischen Uniformen nachzuspielen, der muss auch damit leben, dass auf so einen herrlichen Blitzkrieg-Sommer ein böser russischer Winter folgt. Und dann noch einer. Und schwupps schreiben wir schon das Jahr 1943 und des Schnitzelführers sechste Armee sitzt durchgefroren und eingekesselt im heutigen Wolgograd fest – das damals noch den Namen Josef Stalins trug.
Zu dessen deutschem Massenmörderkollegen Adolf Hitler bekennen sich Frenck und Kameraden mit der allergrößten Offenherzigkeit. Wer das aber tut, wer die Menschheitskatastrophe 1933 – 1945 auf T-Shirts als „Goldene Jahre“ bezeichnet – der muss damit leben, dass jeder anständige Mensch rein gar nichts mit ihm oder mit ihr zu tun haben will.
Das gilt auch dann, wenn „die Schnitzel da echt gut schmecken“ oder der betreffende Hitlerverehrer „privat“ ein „total netter Kerl“ ist. (Reinhard Heydrich, der Organisator der Judenvernichtung, war ein exzellenter klassischer Pianist. So what?)
Endlich reagiert der Staat!
Dazu kommen 45 Straftaten auf dem Acker vor Themar, noch einmal 15 Ordnungswidrigkeiten und 19 Platzverweise oben drauf. 79 polizeiliche Vorkommnisse binnen zwei Tagen – eine reife Leistung. Das reichte dann von Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beleidigung, Bedrohung und dem Tragen von Nazi-Symbolen – bis hin zur Festnahme eines per Haftbefehl gesuchten rechtsextremistischen Gewalttäters.
Sorry: wer so eine Meute nach Themar einschleppt, braucht sich nicht zu wundern, dass die Polizei Vorkehrungen trifft und die Bevölkerung sich über solche Besucher nicht freut.
Wundern hat man sich ja auch viel eher müssen, dass eine klare Linie seitens Versammlungsbehörde, Innenministerium und Polizei so lange auf sich hat warten lassen. Jahrelang ist uns alles das, was diesmal dann eben doch gegangen ist, als „juristisch nicht machbar“ verkauft worden. „Wir müssen“, hieß es sinngemäß: „dem braunen Mob den roten Teppich ausrollen und leider auch für goldene Klobrillen auf deren Dixieklos mit Steuergeldern aufkommen, weil: aus rechtlichen Gründen…“
Jetzt hat Landrat Müller endlich die Leitung der Versammlungsbehörde ausgetauscht, Bodo Ramelow hat den Chef des Innenministeriums ausgetauscht, das Gericht in Meiningen winkt nicht mehr jede braune Zumutung durch – und siehe da: es geht doch ganz anders!
Und wenn Gerichte und Behörden eine klare Linie vorgeben, funktioniert es dann auch mit der Polizei. Deren Verhalten gegenüber rechtsextremen Umtrieben wird oft und sehr zu recht kritisiert. Diesmal gab es nichts zu kritisieren. Im Gegenteil: Geniales Einsatzkonzept. Hervorragende Arbeit. Danke!
Aber war der Polizeieinsatz nun etwa übertrieben? Nein, und nochmal: er war überfällig. Man hätte schon vor vielen Jahren so durchgreifen müssen.
Die Macht der Einzelnen!
Wie wichtig bei all dem Repräsentanten sind, die entschlossen nach vorne gehen, wenn es gefährlich wird, zeigt sich an dem unermüdlichen Bürgermeister von Themar, Hubert Böse. Wenn seine Stadt bedroht ist, stellt der gute Böse sich aufrecht dagegen und bleibt da stehen. Des Morgens, des Nachmittags, Abends, Nachts: Hubert Böse ist auf dem Posten! Was für ein sympathischer, sturer Hund!
Aber es sind Viele gewesen, die diese Wendung ermöglicht – und die auch diese neue Linie der Behörden von unten durchgesetzt haben. Die Frauen von Themar, die engagierten Kirchenleute, die hervorragenden Bündnisse für Demokratie, Mobit, eine ganze Reihe lokaler Unternehmen und Vereine – kurz: alle möglichen Leute, die keine Lust darauf haben, dass Intoleranz und Herrenmenschenallüren sich breit machen.
Wird der Herr Frenck jetzt übrigens T-Shits drucken mit dem Motto: „Der Flop von Themar“ oder „Division Stalingrad“? Da hätte er glatt Chancen, mich auch einmal als Kunden zu gewinnen…
Konstruktiv nach vorne!
Es war ein gutes Wochenende für alle, die es satt haben, dass unser schöner Landkreis immer nur mit Nazi-Eskapaden in die Medien kommt (- wobei wir für den Fall, dass der Herr Frenck das künftig nicht mehr schafft, ja immer noch auf das Amtsblatt unseres Kreisstadtbürgermeisters zurückgreifen können…).
Die Nazis in Hildburghausen sind aber nicht plötzlich weg. Der Rassismus und der Hass sind nicht mit einem Mal verschwunden aus vielen Herzen und Hirnen.
Dennoch: das vergangene Wochenende war ein Wendepunkt. Der Nimbus der braunen Unbesiegbarkeit ist gebrochen.
Wenn wir uns jetzt aufmachen, die drängenden Probleme unserer Zeit gemeinsam und vernünftig zu lösen, steht auch in Hildburghausen einer guten Zukunft nichts im Wege.
Prinz Chaos II.
Weitersroda