Ich kandidiere!
Keine Angst. Ich kandidiere weder für den Stadtrat, noch als Bürgermeister oder Ministerpräsident oder für ein anderes politisches Amt. Ich kandidiere für den Vorsitz des Hildburghäuser Werbering e.V. Die Wahlversammlung findet am 22. Oktober im Stadtcafé am Markt statt.
Ich kündige das auf diesem Wege an, weil es eventuell auch andere Menschen auf den Plan ruft. Vielleicht auch solche, die sich sagen: „Der Kirner? Das müssen wir verhindern!“ Wunderbar. Tut das. Schließlich gibt es viele Gründe, mich nicht zu wählen. Ich bin ein schlechter Verwalter, ich leide unter Bürokratophobie. Ich habe auch bisher schon genug zu tun.
Wie auch immer und das gilt nicht nur in Sachen Werbering: Bringt Euch ein, macht einen Schritt nach vorne. Das ist gut. Demokratie ist gut. Verschiedene Optionen sind gut. Wir brauchen neben den Parteien starke Akteure in der Tiefe und Breite der Gesellschaft.
Der Werbering – die Vereinigung der Gewerbetreibenden, der Gastronomen, der Dienstleister, der Selbständigen und Geschäftsleute in unserer Kreisstadt – sollte (wieder) zu so einem Akteur werden. Dafür müsste er ein Ort sein, an dem leidenschaftlich über Perspektiven und Ansichten debattiert wird.
Kern dieser Debatte wäre aus meiner Sicht, wie wir die Kreisstadt wieder nach vorne bringen können.
„Gegen“ irgendwas oder irgendwen zu sein, ist auf die Dauer auch kein Konzept. Am 27. Oktober ist jetzt noch einmal Landtagswahl. Dann ist bis zur Bürgermeisterwahl erst einmal Ruhe im Karton.
Deshalb kommt es ab sofort darauf an, Projekte zu entwickeln, die unsere Stadt nach vorne bringen. Ein Zurück zu einer vermeintlich „guten, alten Zeit“ wird es dabei nicht geben können. Wir müssen Hildburghausen fit machen für eine Zukunft, die turbulent und voller Herausforderungen sein wird. Das verlangt erst einmal, dass wir wieder zusammenkommen als Bürger*innenschaft in dieser Stadt.
Wir brauchen dafür Orte, an denen die Menschen im Alltag zusammenkommen. Wir brauchen ein Forum. Wir brauchen … einen Marktplatz. Dabei geht es nicht nur darum, die Parkautomaten auf dem Marktplatz ersatzlos abzubauen und eine Beschilderung auf diesen zentralen und repräsentativen Ort im Herzen der Stadt auszurichten. Es geht darum, diesen Marktplatz zu einem offenen Treffpunkt für die Bürgerinnen und Bürger zu machen. Der Marktplatz sollte nicht nur zum Konsumieren einladen, sondern zum Verweilen.
Aber die Herausforderung geht weit darüber hinaus, den Marktplatz neu zu denken und anders zu gestalten. Hildburghausen als Ganzes steht vor der Aufgabe, sich auf eine radikale Veränderung in der Welt einzustellen. Denn die wird kommen, ob wir das gut finden oder nicht. Wir können passiv abwarten oder vorausschauend agieren.
Wie können wir uns vor Ort vernetzen? Wie können wir ein Stückweit unabhängiger werden von den Verrücktheiten eines Weltmarkts, der nicht nur Natur und Umwelt zerstört, sondern der auch die Menschen vor Ort wehrlos macht im Falle jener gewaltigen Krisen, die so sicher kommen werden wie das Amen in der Kirche?
Lasst uns ehrgeizig sein. Es geht nicht mehr ums Klein-Klein, ein zusätzlicher Fahrradweg hier, drei neue Parkplätze dort. Es reicht auch nicht, lediglich den Autoverkehr anders durch die Stadt zu leiten.
Wir als Werbering sollten Druck entfalten für ein funktionierendes Radwegenetz. Sind Mitfahrbänke in den Ortsteilen und Dörfern wirklich so eine revolutionäre Idee, dass sie uns in Hildburghausen überfordert? Ich bleibe auch dabei, dass das Pferd im ländlichen Raum eine gute Rolle spielen kann im Verkehrsmix der Zukunft. Und wieso eigentlich fahren heute weniger Busse als zu DDR-Zeiten? Ist das irgendwie ein Naturgesetz oder kann man das ändern? Tut es unserer Stadt wirklich gut, Besucher mit einem völlig verwahrlosten Bahnhof zu begrüßen?
Warum aber sollte ausgerechnet der Werbering sich mit solchen Fragen beschäftigen? Nun: Erstens einmal leiden speziell die Geschäftsleute in dieser Stadt darunter, dass Mobilität in Hildburghausen zu einem Problem geworden ist, dass diese Stadt verwaltungsseitig nicht besonders gut funktioniert und an Attraktivität deutlich zu wünschen übrig lässt.
Die simple Frage: „Wie soll Hildburghausen in zehn Jahren aussehen?“ kann kaum jemand befriedigend beantworten. Sie wird auch gar nicht gestellt. Hibu dümpelt vor sich hin in einer Zeit, wo es darauf ankäme, mit mutigen Ideen und der Bereitschaft zum Experiment und zur Veränderung die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen.
Der zweite Grund, warum der Werbering (und viele andere: die Vereine, die Kirchen, sonstige Institutionen…) sich neu aufstellen und einbringen sollte, ist der, dass wir diese Zukunftsfragen besser nicht alleine den Parteien überlassen sollten.
Das Grundproblem ist, dass speziell Kommunalpolitik heutzutage in ein solches Gespinst aus Vorschriften, Verwaltungsvorgaben, sogenannten „Sachzwänge“ und juristischen Spitzfindigkeiten eingesponnen ist, dass es für einen Stadtrat objektiv sehr schwierig ist, sich davon frei zu machen, um wenigsten ab und zu einmal frisch und mutig nach vorne zu denken. Dazu kommen die seltsamen Rituale des ewigen Parteienhickhacks.
Der Werbering kann all diese strukturellen Defizite nicht im Alleingang beheben. Es ist auch nicht die Aufgabe des Werberings, die Aufgaben des Stadtrats zu übernehmen. Der Werbering ist für die Interessen seiner Mitglieder da. Er soll die starke Stimme der Geschäftsleute in dieser Stadt sein.
Aber gerade kleine und mittlere Selbständige leiden in dieser Zeit massiv unter dem Auf und Ab des chaotischen Marktgeschehens und den Irrwitzigkeiten des grassierenden Bürokratismus. Sie sind auf eine kooperative Stadtverwaltung existenziell angewiesen, darauf, dass das Gemeinwesen um sie herum funktioniert, dass die Gesellschaft um sie herum auch den kleinen Ladeninhaber, den Gastronomen, die lokalen Dienstleister trägt.
Die oftmals brutale Dauerkonfrontation der Ära Obst mag unvermeidlich gewesen sein. Weder ich noch diese Zeitung haben sich dabei sonderlich zurückgehalten. Auf die Dauer ist das kein Zustand.
Wir sollten deshalb alle miteinander zu einem konstruktiven, nach vorne gerichteten Gespräch zurückfinden. Und noch einmal: „Wie soll Hildburghausen in zehn Jahren aussehen, wenn es gut gelaufen ist?“ Das sollte die Frage sein, an der wir uns wieder und wieder abarbeiten, die wir immer neu stellen und immer besser und klarer beantworten.
Ich biete dafür meine Mitarbeit an. In einer Phase, in der die Sinnhaftigkeit des Werberings infrage gestellt wird, mache ich damit einen Schritt nach vorne und sage: Ich finde den Werbering gerade jetzt sehr nötig. Ich hoffe, dass viele andere das auch so sehen. Dass sie sich ermutigt fühlen, auch einen Schritt nach vorne zu machen. Denn der Werbering braucht ein funktionierendes Team und eine aktive Mitgliedschaft.
Seid mutig. Übernehmt Verantwortung und bringt Euch ein – nicht nur im Werbering. Alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt sind gefordert, ihre Stimme vernehmbar zu erheben, das Schicksal unseres Gemeinwesens in die eigenen Hände zu nehmen. Wir brauchen eine aktive Stadtgesellschaft.
Nicht nur der Werbering kann dabei eine gute Rolle spielen. Sondern jede und jeder einzelne Bürger dieser Stadt.
Prinz Chaos II.
Weitersroda
Foto: Südthüringer Rundschau