Landrat Thomas Müller antwortet auf die offenen Briefe von Frank Fischer und Florian Kirner
Landrat Thomas Müller antwortet auf die offenen Briefe von Frank Fischer: „Das eine sagen und das andere tun“ vom 7. September und Florian Kirner: „Die Aufgaben Ihres Hauses können auch in diesen coronösen Zeiten nicht nur auf Infektionsschutz reduziert werden“ vom 8. September in der Südthüringer Rundschau:
Offener Brief. Es ist nicht meine Art, auf offene Briefe in gleicher Weise zu reagieren. In diesem Falle tue ich es, da es sich um einen Sachverhalt handelt, der momentan Viele beschäftigt – an Corona scheiden sich die Geister.
Als sich Mitte März 2020 mit dem Lockdown das Leben für uns Alle veränderte, war eine Situation eingetreten, die wir Alle nicht kannten. Täglich erreichten uns Bilder von untragbaren Zuständen auf Intensivstationen in Krankenhäusern, von bis über die Belastungsgrenze hinaus arbeitenden Ärzten und Pflegekräften, von Leichensäcken in Kühlzelten, weil die Bestattungsunternehmen die Toten nicht mehr beisetzen konnten u.v.m. Diese Bilder kamen in erster Linie aus Italien, Frankreich, Spanien, den USA, Brasilien und Russland. Uns blieb das in Deutschland im Wesentlichen erspart. Unserem Gesundheitssystem und den dort Arbeitenden sei Dank.
Die Allermeisten haben die staatlichen Maßnahmen, die das gesellschaftliche, wirtschaftliche und private Leben extrem stark eingeschränkt haben, als richtig und notwendig empfunden. Wir haben die gerade in den ersten Wochen extrem starken Kontaktbeschränkungen ertragen und durchgestanden. Die Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen, die unendlich viele Verbote und Einschränkungen mit sich brachten und noch bringen, sind nicht vergessen. Nun maße ich mir nicht an einzuschätzen, welche konkrete Maßnahme welche Wirkung erzielt hat. Wahrscheinlich ist es aber so, dass der konsequente Lockdown bundesweit dazu geführt hat, dass unser Gesundheitssystem zu keiner Zeit überfordert war.
Mit dem Wissen von heute wäre wahrscheinlich nicht jede Maßnahme in aller Schärfe so durchgeführt worden. Ich denke hier vor allem an solche, die Kindergärten und Schulen betrafen. Schlau daherreden kann und darf heute jeder, aber was wäre gewesen, wenn…
Aber nun zu den Briefeschreibern in den Printmedien.
Lieber Frank, im Gegensatz zu dir, bleibt mir „lieber Frank“ nicht im Halse stecken. Eine Freundschaft muss auch unterschiedliche Sichtweisen und stürmische See aushalten. Eine Schönwetter-Freundschaft taugt nicht viel.
Lieber Frank, ich werde nicht auf jede deiner Fragen im Einzelnen eingehen, dies würde hier den Rahmen sprengen, aber glaube mir, ich könnte das ganz leicht. Du bist als Unternehmer gefrustet, das verstehe ich, und holst zum Rundumschlag aus. Das der Bergsee Ratscher in seiner jetzigen Form ohne Fischer und Hahn nicht so dastehen würde, ist unstrittig. Dass ihr euch dafür persönlich so stark einsetzt, ist aller Ehren wert.
Frank, du weißt aber auch über die Problemlagen am Bergsee Ratscher Bescheid, die durch Corona noch deutlicher hervorgetreten sind. Der Betrieb der Anlage als Campingplatz, als Badesee und als Veranstaltungsort ist vor dem Hintergrund der Lage nicht mehr so gestaltbar wie es vor Jahren war.
Baurechtliche, hygienische aber auch ablaufbedingte Problemstellungen kommen zusammen. Wenn dort relativ enthemmt unter Alkoholeinfluss gefeiert wird, es Körperverletzungen gibt, die Polizei zu mehreren Einsätzen gerufen wird und das Landratsamt vom Gesundheitsministerium aufgefordert wird, ist Handeln der Verwaltung zur Gefahrenabwehr erforderlich.
In zahllosen Gesprächen im Landratsamt und vor Ort (im Übrigen habe ich dir per WhatsApp geantwortet) haben wir auf die Notwendigkeit zum Abstellen der Missstände hingewiesen und versucht, auf das Herstellen von Mindesthygienestandards hinzuwirken. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, des Rechtsamtes und des Ordnungsamtes arbeiten seit Wochen über der Belastungsgrenze im Interesse des Gesundheitsschutzes der Allgemeinheit. Sie arbeiten eben nicht willkürlich und selbstherrlich, sondern das Gegenteil ist der Fall. Wann immer es zu Anfragen oder Veranstaltungsanzeigen kommt, wird beraten und erklärt. Viele Sachen, von denen niemand etwas in der Zeitung liest, können genehmigt und durchgeführt werden. Aber immer in den Leitplanken der gültigen Rechtsverordnungen und den Vorgaben nach Infektionsschutzgesetz.
Frank glaube mir, da gibt es von Veranstalter zu Veranstalter qualitativ große Unterschiede bezüglich der eingereichten Hygienekonzepte. Gerade Bürgerinnen und Bürger, die ehrenamtlich und nicht gewerblich aktiv sind, haben Konzepte erstellt, die vorbildlich sind.
Wir müssen uns als Landratsamt eben nicht, wie du schreibst, daran messen lassen, wie viele Veranstaltungen wir genehmigt oder nicht genehmigt haben. Wir müssen uns ausschließlich daran messen lassen, rechtskonform zu handeln, die Gefahrenlage abzuwägen und das Gesundheitsbedürfnis der Bevölkerung zu wahren. Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage ist die Entscheidungsfindung oftmals nicht für Jeden zufriedenstellend.
Herr Kirner, und nun noch ein paar wenige Bemerkungen zu dem von Ihnen Geschriebenen. Vieles von meinen Ausführungen von oben passen auch auf Ihren Brief, so dass ich Dopplungen vermeiden kann. Woraus Sie sich jedoch das Recht und die Gewissheit nehmen, zu behaupten, dass ich während der gesamten Coronakrise auf Tauchstation war, ist gelinde gesagt eine Frechheit. Sie haben nicht ansatzweise eine Ahnung davon, was alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit Monaten in dieser schwierigen Situation leisten müssen. Wenn Sie mit Tauchstation meinen, dass ich nicht, wie manch anderer Zeitgenosse, täglich zum Thema in der Zeitung zu lesen war, dann beruhigt mich das.
Im Übrigen habe ich mich mehrfach geäußert und werde das auch weiterhin tun. Wenn eine meiner jüngsten Verlautbarungen für Sie eine Enttäuschung war, dann nehme ich das zur Kenntnis. Diese Verlautbarung hatte jedoch inhaltlich nicht das Ziel einer Danksagung. Ich nehme den Ball aber jetzt sehr dankbar auf. Glauben Sie, mir fehlt das was das Leben so schön macht, nicht auch? Kultur und Kunst, Theater, Gesang, Musik, Sport und so vieles mehr. Ich fühle und teile die Sorgen mit Allen, die gerade in dieser schwierigen Zeit ihrem Hobby nicht nachkommen konnten oder die sogar in ihrer beruflichen Existenz bedroht sind.
Unser Gemeinwesen funktioniert (momentan gerade sehr gebremst) auch deshalb so gut, weil wir eine hohe Qualität im Bereich von Kunst, Kultur und Sport aufweisen können.
Umso mehr freut es mich natürlich, wenn langsam auch in diesem Bereich wieder etwas mehr Normalität eintritt. Das von Ihnen angesprochene Event „Hibu wird leuchten“ gehört zweifellos dazu.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Müller
Landrat
Foto: Privat