Lassen Sie sich gut behandeln…
Leserbrief. „Lassen Sie sich gut behandeln,“ war meine Philosophie in meinem Kosmetikstudio. Früher, damals als ich noch normal (bzw. überhaupt) arbeiten durfte. Nun, da mein Berufsstand und unsere Studios ja scheinbar nur noch Horte einer potenziell lebensbedrohlichen Gefahr für dieses System darstellen. Tja, selbst dran Schuld und eben Augen auf bei der Berufswahl.
Ich, 50 Jahre, verheiratet und seit 2014 selbständige Kosmetikerin, Fachfußpflegerin und Einzelkämpferin. Kein Ladengeschäft in 1A-Lage in der Stadt, dafür liebevoll eingerichtete Räumlichkeiten auf dem eigenen Grundstück, auf dem Dorf mit mobilen Angeboten. Ja, ja, ich kann es schon wieder hören: „Dir geht es doch noch gut. Du hast einen Mann, der das Geld verdient. Kopf hoch! Da kann man halt nichts machen, da müssen wir eben durch, du kannst doch wenigstens Geld beantragen,“ und so weiter. Ehrlich? Das kann nicht euer Ernst sein!
Ab wann darf ich bitte verzweifelt sein? Ich bin es. Den ersten Lockdown habe ich klaglos, einsichtig und irgendwie auch dankbar hingenommen, wie die meisten. Das Ostergeschäft? – gelaufen! Dann erstmal nur Füße – keine Gesichtsbehandlungen. Der Sommer bringt wieder etwas Normalität. Ab August flattern dann die Weihnachtssachen im Geschäft ein. Soll ich einkaufen? Habe ich die Möglichkeit Waren an die Frau oder den Mann zu bringen? Ich habe mich in der vergangenen Saison nicht so richtig getraut und letztlich damit auch Recht behalten. Dann wird der Laden wieder dicht gemacht zum 2.November 2020. Spinnen die?(!) Die einkommensstärkste Zeit im Jahr!
Ich und viele Kolleginnen, die ich kenne, haben versucht zu retten was an Terminen zu retten war und bis einschließlich 1. November 2020 alles abgearbeitet was möglich war. Sicher gibt es Kolleginnen, die einen beachtlichen Teil ihres Umsatzes über Produktverkäufe generieren. Ich auch, wenngleich mein Hauptanteil am Umsatz die Dienstleistung an sich ausmacht. Der Produktverkauf läuft nun einmal meist im Zusammenhang mit einer Behandlung. Für mich rentiert sich auf keinen Fall die Investition in einen professionellen Onlineshop, zumal die Kunden in den allermeisten Fällen die Möglichkeit haben, auch direkt bei der jeweiligen Kosmetikmarke einzukaufen.
Die ersten Kunden rufen dann Anfang Dezember an: „Frau Mathes, meine großen Zehen tun wieder so weh, meine Druckstelle, mein Hühnerauge…“ Okay, die Infos auf der Handwerkskammer-Webseite sind irgendwie schwammig. Meine Kunden sind aber auch in Not. Freitag rufe ich deshalb bei meinem zuständigen Gesundheitsamt an, ich will Klarheit. Darf ich im Notfall oder darf ich nicht. Am anderen Ende – ein „Ausbund an Inkompetenz“. Meine Frage müsste ich schriftlich per E-Mail stellen. Gut. Mache ich. Rückruf erfolgte dann am Sonntagvormittag: „Ja. Nein. Eigentlich nicht und wenn, dann wirklich nur Notfälle mit ausführlicher Dokumentation und Fotobeweis. Und falls doch, ist eine Massage an den Füßen unbedingt zu unterlassen.“ Aha? Es wurde, laut seiner Aussage bereits eine Kollegin verfolgt, die nach der Fußpflege auch noch die Füße eingecremt hat. Ich finde ja, die Kollegin hat sich mit dieser Handlung nun wirklich einer strafrechtlichen Verurteilung empfohlen. Auf meine Nachfrage, worin denn nun genau der infektionsschutz hygienische Unterschied zwischen einer Fußpflege in meinem Studio und der in einer Podologiepraxis bestehe, gab es die folgende Antwort: „Das kann ich Ihnen nicht sagen, das ist eben so.“ Danke für`s Gespräch!
Der Kosmetikbereich, Fußpflege- und Nagelstudios hatten auch schon vor Corona ein Hygienekonzept! Wir arbeiten schon immer mit Handschuhen, Schutzbrillen, medizinischen Mundschutz. Wir desinfizieren, sterilisieren und autoklavieren wie es sich schon immer gehört. Zum Schutz und zum Wohl unserer Kunden und auch zu unserem eigenen Schutz. Wir arbeiten in den allermeisten Fällen in einer komfortablen 1:1 Situation. Laufkundschaften sind in dieser Branche eher selten und Termine liegen oft so, dass sich Kunden nicht begegnen.
Lasst uns wieder arbeiten! Lasst uns leben! Wir sind für unsere Kunden relevant und diese sind es für uns! Dienstleistung braucht Nähe, Berührung und Begegnung. Dies sind zutiefst menschliche Bedürfnisse, die auch wir mit unserer Arbeit, in unserer Branche erfüllen.
Ich denke, wie viele andere Selbstständige, steckt jeder von uns Herzblut, Motivation und sein Vermögen ins Geschäft. Ein konkretes Zieldatum zur Wiedereröffnung würde mir Hoffnung geben. Vielleicht wird daraus für einige von uns aber auch ein Zieldatum zur endgültigen Geschäftsaufgabe.
Bis dahin gilt: In dringenden Notfällen wenden Sie sich bitte an das bayerische Staatsministerium oder an das örtliche Gesundheitsamt! Ich darf Ihnen leider nicht helfen.
Ihre Sandra Mathes
Kosmetikerin, Fußpflegerin und gelernte „Ossi“
Nüdlingen
(1970 in Meiningen geboren und aufgewachsen in Milz)
Foto: Pixabay
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