Liebe Conny!
Ich weiß nicht, wie Du es findest, dass ich Dir diese Zeilen so öffentlich hinterher schreibe. Ich denke, Du würdest Dich freuen. Ganz sicher bin ich mir nicht. Denn mitten in unserer aufmerksamkeitssüchtigen Zeit hast Du zu den letzten schlichten Menschen gehört, die so sehr viel gar nicht brauchen, um zufrieden zu sein.
Sicherlich: Du warst kein großer Mensch. Schon rein körperlich nicht. Du warst erstaunlich klein. Zum Ende hin warst Du auch noch unfassbar dünn und abgemagert.
Du warst auch nicht groß in den Dingen, die Leute heutzutage für groß erklären. Du hattest kein fettes Auto. Du hast weder bei einer Bank noch als Spitzensportlerin Karriere gemacht. Du warst gelernte Reinigungskraft und zuletzt über lange Jahre hinweg arbeitslos.
Für mich bist Du ein riesengroßer und ein sehr erfolgreicher Mensch gewesen. Denn Du hattest, wonach man sehr lange suchen muss: ein gutes, starkes Herz!
Elf Jahre haben wir unter einem Dach gewohnt, seit ich jenes Schloss gekauft hatte, in dem schon Deine Eltern gelebt haben und auch gestorben sind. Mit Dir, liebe Conny, ist mit anderen Worten die mit weitem Abstand dienstälteste Schlossbewohnerin gegangen.
Mit dem starken, warmen, guten Herz in diesem kleinen Conny-Körper hast Du es hinbekommen, eine Familie zu gründen und zusammenzuhalten. Du hast es geschafft, zwei Söhne großzuziehen und zwar so, dass aus beiden anständige Menschen geworden sind. Du hast eine stabile, gute Ehe mit Deinem Ronald geführt. Deine Wohnung war immer tiptop sauber.
Dabei waren Deine Startbedingungen ins Leben nicht gerade rosig. Der Alkohol spielte schon in Deiner elterlichen Familie eine verheerende Rolle. Dass keiner Deiner Söhne in die Falle der Sucht gegangen ist, ist vielleicht der wichtigste Triumph Deines Lebens, die großartigste Leistung Deiner mütterlichen Liebe.
Aber während Du mit Deinem lieben Ronald zusammen den Laden der Familie am Laufen gehalten hast, mit Zähigkeit und Kraft und Liebe, gab Dein Körper schon immer mehr nach.
Trotzdem kaum ein Wort der Klage. Du nahmst es hin, etwas überrascht darüber, dass es jetzt so schnell zu gehen hatte. Etwas enttäuscht auch, dass es so rasant dahinging mit Dir. Aber ohne ein böses Wort.
Elf Jahre haben wir uns gekannt. Und ich wüsste keine einzige Situation, in der Du auch nur den Hauch von Bösartikeit gezeigt hättest. Aber in den Momenten der größten Not, als ich verzweifelt und fast ohne Hoffnung in der schwärzesten Schloss-Tinte saß, da tauchtest plötzlich Du auf und hattest tröstende Worte für mich dabei.
Liebe Conny, ich weiß nicht, wo Du jetzt bist. Sicher viel weiter weg als je zuvor in Deinem Leben. Denn das hast Du fast zu 100% auf Schloss Weitersroda verbracht. Nicht einmal bis Masserberg bist Du gekommen.
Drum schau Dir jetzt die andere Welt an. Wenn Du aber dableiben möchtest: Ich habe die anderen Schlossgeister gefragt, den Eucharius von Heßberg und die Salome Schmidt etwa: sie hätten nichts dagegen, Verstärkung zu erhalten.
Bleib also bei uns, wenn Du magst, liebe Conny.
Und ansonsten: gute Reise.
Servus, Dein Flori
Foto: Privat
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Florian Ernst Kirner – Leichter als Luft
Eine verrückte Zeitreise durch das gentrifizierte Berlin vom 11. September bis heute. Donna Fauna, der Kanarienquex und das Weazel – drei Gewächse der Berliner Elektroszene – erleben auf LSD den 11. September 2001! Die Wucht des Ereignisses katapultiert das Trio endgültig in die Gegenwelt der Drogenkultur – bis sie im gentrifizierten Berlin wieder erwachen. Dort geraten sie in einen aberwitzigen Fight mit einem Immobilienkonzern, lernen alternative Medienleute, Neureiche und den mysteriösen Freiherrn von Tadelshofen kennen. Das Projekt „gesellschaftlicher Aufstieg“ erweist sich als Spiel mit dem Feuer. Ein faszinierender Ritt durch eineinhalb Jahrzehnte Zeitgeschichte. Glänzend beobachtet, mit brillantem Humor und Sprachwitz aufgeschrieben.
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Dirk C. Fleck (ausgezeichnet mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis 1994 und 2008)
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