Offener Brief an Kathrin Kern-Ludwig
Offener Brief von Jörg Zinn, Erster Beigeordneter der Stadt Schleusingen:
Schleusingen. Sehr geehrte Frau Kern-Ludwig, seit einiger Zeit verfolge ich Ihr ehrenamtliches Engagement und ihre Beiträge in den lokalen Printmedien. Ihre aktuelle Kritik am Schleusinger Bürgermeister und der Arbeit der Stadtverwaltung kann ich jedoch nicht unkommentiert lassen.
Nach Ihrer Wahlniederlage um das Schleusinger Bürgermeisteramt hatten Sie zunächst öffentlich erklärt, sich (kommunal-)politisch nicht mehr engagieren zu wollen. Es ist sicher lobenswert und gut für die demokratische Kultur im Stadtgebiet, dass Sie das nun doch tun.
Seither vertreten Sie mit Ihren Mitstreitern, die Sie auf der Homepage von #provinzEnthusiasten 18sind1 nur mit Vornamen nennen, in verschiedenen Konstellationen in (Bürger-)Initiativen, Interessen einzelner Teile der Bevölkerung – gegen Windkraft, für Tourismusförderung und Radwegebau. Dabei beanspruchen Sie stets, dass die Vorschläge und Argumente der Initiativen von der Mehrheit der Bevölkerung vertreten werden.
Damit sind sie Teil einer „außerparlamentarischen“ Einflussnahme in Schleusingen geworden, die selbst aber nichts zu entscheiden und somit zu verantworten hat, aber öffentlichkeitswirksam Meinungen zu beeinflussen sucht. Entscheiden und Verantworten, unterschiedliche Positionen diskutieren und abwägen – und vor allem Kompromisse schließen – müssen letztendlich die Rätinnen und Räte im Stadtrat.
Gerade deshalb ist es schade, dass Sie und ihre sich zweifelsfrei in großartiger Weise ehrenamtlich engagierenden Partner sich nicht im vergangenen Jahr zur Wahl für den Stadtrat gestellt haben. Damit hätten Sie bei erfolgreichem Abschneiden Einfluss aber auch Verantwortung gewonnen. Die gewählten Vertreter im Stadtrat und der Bürgermeister sind auf kreative Ideen, Informationen und Vorschläge aus der Bevölkerung angewiesen, um diese abwägen zu können. Mittel direkter Demokratie – also Bürgerbeteiligung – wie Bürgerbegehren und -entscheid oder amtliche Petitionen sind dafür besonders gut geeignet, um ein annähernd realistisches Meinungsbild für die Entscheidungsfindung zu bekommen und Einzelinteressen in ihrer Bedeutung zu begründen.
So hat der Bürgermeister viele Maßnahmen anberaumt, Kontakte geknüpft um z.B. das Regionale Entwicklungskonzept (REK „Tourismus im Stadtgebiet“ nachhaltig fördern zu können. Im Kleinen passiert hier über die vielen Vereine im Stadtgebiet ehrenamtlich schon eine ganze Menge. Vielleicht wäre das auch für Sie eine Überlegung, einen Verein zu gründen. Dann wären Sie in der Lage selbst Fördermittel – z.B. über die RAG LEADER – einzuwerben und als juristische Person aufzutreten, hätten aber auch die Verantwortung und die Arbeit mit einer Vereinsführung. Der Unterstützung der Stadtverwaltung in fachlichen und organisatorischen Fragen können Sie sich sicher sein.
Statt die Meinungsmache im Schleusinger Videotext oder den sozialen Medien zum (Corona-)Schwimmbadbetriebskonzept in diesem Sommer mit zu befeuern, wäre es ratsam gewesen, Sie hätten eines der offenen Bäder besucht, und die Fachleute der Stadtverwaltung vor Ort befragt. Das rate ich im Übrigen jedem Bürger, der Informationen aus dem Rathaus zunächst nicht nachvollziehen kann. Bürgermeister und Verwaltungsmitarbeiter geben hier gerne Auskunft.
Sie haben recht damit, dass ein(e) Bürgermeisterkandidat(in) wissen muss, dass ihm oder Ihr das Amt alles abverlangen werde. Das weiß Herr Henneberg bei aller Kritik, auch von mir, durchaus. Ich selbst war einer der größten Kritiker Hennebergs Amtsvorgängers Klaus Brodführer und habe ihm u.a. das Leben mit den Mitteln der Thüringer Kommunalordnung nicht einfach gemacht. Doch haben wir in der Ratsfraktion immer anerkannt, wenn er Recht hatte, eigene Fehler eingestanden und ggf. Anträge zurückgezogen.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Zinn
Erster Beigeordneter der Stadt Schleusingen
Foto: Pixabay