Offener Brief an Landrat Müller: DIE REBELLEN – Ein Drama in 3 Akten
Zu den Äußerungen von Landrat Thomas Müller in der Südthüringer Rundschau vom 10. September:
Leserbrief. Lieber Thomas (Müller), mit Interesse habe ich deine Ausführungen gelesen. Wir beide sind ja noch viel länger und enger miteinander bekannt als du und mein Freund Frank Fischer. Somit weißt du, dass ich von Zeit zu Zeit als Hobby-Schauspieler bei Lesungen auftrete. Vermutlich deshalb hast Du mir in diesem Jahr ein Schauspiel von ganz besonderer „Qualität“ geliefert.
Eigentlich wollte ich mich um Ordnung und Hygiene speziell der bei uns campenden Jugendlichen kümmern, fand mich jedoch plötzlich unfreiwillig als Hauptdarsteller wieder in dem Stück:
DIE REBELLEN – Ein Drama in 3 Akten
Rahmenhandlung:
Die Welt im Frühjahr 2020, Deutschland, Corona-Zeit. Groß-Veranstaltungen sind verboten. Nur im kleinen Thüringen regt sich Widerstand. Unser Landesvater Bodo Ramelow schreibt auf seiner Facebook-Seite:
1. „Veranstaltungen (unabhängig davon ob im Freien oder in geschlossenen Räumen) sind seit dem 13. Juni wieder erlaubt, wenn ein Infektionsschutzkonzept vorliegt und die Hygienemaßnahmen (wie Abstandsregelungen) eingehalten werden.“
2. „Die Infektionsschutzkonzepte müssen nicht im Vorfeld genehmigt werden. Sie werden stichprobenartig von den Gesundheitsämtern geprüft. Es müssen bei Veranstaltungen allerdings die Kontaktdaten der Besucher erfasst werden.“
Bodo Ramelow präzisiert das in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“:
„Dasselbe gilt für Kultur und Veranstaltungen. Ich hielt das Totalverbot, das zu der Zeit galt, für nicht mehr zielführend. Deswegen haben wir das auch seit dem 13. Juni nicht mehr. Veranstaltungen sind möglich, wenn ein stimmiges Hygienekonzept vorliegt. Es kann auch ein Konzert mit 1500 Menschen stattfinden, wenn der Platz groß genug ist.“
Darauf hatten wir, die Betreiber des „Bergsee Ratscher“ nur gewartet und begannen mit der Planung von Veranstaltungen. Eine versuchte Kontaktaufnahme mit dem Landrat scheiterte an dessen Absage. Wir hingen Plakate auf. Zwei Stück direkt vor dem Landratsamt. Das Landratsamt ist nicht bei Facebook. Und die „Berliner Zeitung“ wird dort auch nur unregelmäßig gelesen.
1. Akt: Auftritt und Abgang Landrat – Auftritt Rechtsamt
In einer Dienstberatung fällt so oder so ähnlich der historische und folgenschwere Satz: „Den Rebellen vom „Bergsee Ratscher“ muss jetzt mal das Handwerk gelegt werden!“ (‚Zwinker-Smiley‘)
Kurz darauf ist der Landrat irgendwie weg… Nicht ohne vorher per Pressemitteilung jedweden Veranstaltungen eine Absage zu erteilen.
Das Rechtsamt, allen voran Anka Cohn-Bendit (Name aus Datenschutzgründen geändert), hat die Ironie nicht ganz verstanden und legt los. Und niemand ist da, sie aufzuhalten.
Das Unterste wird zu oberst gekehrt. Jeder Stein wird umgedreht. Aktenberge werden gewälzt. Es herrscht Zeitdruck. Dabei passieren Fehler: Eine 11-seitige Untersagungsanordnung wird am „Bergsee Ratscher“ durch berittenen Boten zugestellt, allerdings ca. 5 Stunden nachdem per E-Mail ans Ordnungs-, Gesundheits- und Rechtsamt des Landratsamtes bereits sämtliche Veranstaltungsaktivitäten durch die Bergsee-Betreiber abgesagt wurden. Kosten der Anordnung: 1000 Euro (in Worten: eintausend Euro). Ziemlich teuer dafür, dass bereits alles gecancelt war.
Ein Bescheid über die sofortige Sperrung des einzigen und seit 35 Jahren problemlos genutzten und durch die Verkehrsbehörde ausgeschilderten Parkplatzes wird zugestellt. Ein Bauzaun wird in der Parkplatzeinfahrt platziert. Es ist Sommerwetter. Besucher irren mit ihren Fahrzeugen durch Heckengereuth. Sie parken Straßen, Wege und Felder zu. 14 Tage später fällt dem Bauamt auf, dass dieser Bescheid rechtswidrig ist. Er wird zurückgenommen. Der Bauzaun wird wieder entfernt. Jetzt erst entfernen Mitarbeiter des Straßenbaubetriebes die Wegweiser zum Parkplatz. Whow! Kosten des ersten Bescheides: 250 Euro, Zwangsgeld bei Zuwiderhandlung: 2 mal 3.000 Euro. Kosten des zweiten Bescheides: 0 Euro.
2. Akt: Auftritt Fußtruppen und Polizei
17. Juli 2020, ca. 17 Uhr: Trotz nochmaliger Absage der Veranstaltung per Facebook erscheinen ca. 10 Mitarbeiter des Landratsamtes, unterstützt von 8 Streifenwagenbesatzungen der Polizei. Alles wird besichtigt. Man glaubt an eine Verschwörung und sucht Anzeichen einer Veranstaltung. Man findet nichts! Der Campingplatz wird abgeriegelt.
Dramatische Szenen spielen sich ab. Camper sind voneinander getrennt. Einige sind im Bergsee-Gelände, deren Freunde stehen vor dem verschlossenen Tor. Manche versuchen über den Zaun zu steigen. Security tritt auf und schickt die Leute zurück über den Zaun.
17. Juli 2020, ca. 21 Uhr: Das Gleiche nochmal.
18. Juli 2020, ca. 19 Uhr: Nochmal dasselbe.
Müllbehälter werden besichtigt. Wochen später wird ein Pachtgrundstück auf denen diese stehen gekündigt.
Nebenhandlung:
Die Welt im Sommer 2020, Deutschland, Corona-Zeit. Groß-Veranstaltungen sind verboten. Nur im Thüringer Wald regt sich der Widerstand. Die Rebellen aus Waffenrod planen das „Woodstock forever Festival 2020“. Das Rechtsamt ist nun mit Waffenrod beschäftigt. „Woodstock forever“ wird verboten – Kosten des Bescheides: 850 Euro. Es zieht Ruhe ein am „Bergsee Ratscher“.
14. August 2020: Ein neuer Bescheid flattert ins Haus: Es dürfen ab sofort nur 100 Stellplätze mit Campern belegt werden, da zu wenige Duschen vorhanden sind. Kosten dieses Bescheides: 250 Euro, Zwangsgeld: 25.000 Euro. Der ziemlich hellseherische MDR-Rundfunk vermeldet 2 Wochen zu früh die Schließung des Erholungsgebietes. Das Fernsehen kündigt sich an.
18. August 2020: Es werden 2 Duschcontainer aufgestellt. Der MDR vermeldet ganztägig in den Hauptnachrichten das Aufstellen von 2 Duschcontainern am „Bergsee Ratscher“. Direkt vor der Verlesung der aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Institutes (RKI).
19. August 2020: Nun dürfen wieder 217 Stellplätze belegt werden.
3. Akt: Showdown
25. August 2020: Bescheid nach Infektionsschutzgesetz über die Schließung des Erholungsgebietes (außer Baden, Bootfahren und Dauercamping) – Kosten: 500 Euro, Zwangsgeld: insgesamt 40.000 Euro. Auch der Triathlon wird verboten. Der MDR berichtet korrekt.
Anfang September 2020: Anwälte treten auf. Der Thüringer Sportbund und das Sportministerium intervenieren.
Epilog:
Der Triathlon findet statt. Der „Borderland Ultra“-Lauf an den Gleichbergen wird genehmigt. Das Verwaltungsgericht Meiningen hebt die Schließung des Erholungsgebietes im Eilverfahren wieder auf. Die Kosten des Verfahrens trägt der Steuerzahler.
Der Bausschuss der Stadt Schleusingen stimmt einstimmig für die Empfehlung der Änderung des Bebauungsplanes „Bergsee Ratscher“ mit Einbeziehung des Parkplatzes. Die juristische Aufarbeitung dauert noch Jahre. Der MDR und alle anderen Medien berichten korrekt.
„Danke“ lieber Thomas! „Danke“ dafür, dass ich meine Zeit mit deinen Mitarbeitern verbringen durfte, statt mich um meinen „Laden“ zu kümmern. „Danke“ für den wirtschaftlichen Verlust und die Rufschädigung. „Danke“ eben.
Nicht alle deiner Mitarbeiter haben sich übrigens so verrannt. Manche halfen uns mit gutgemeinten Hinweisen, das Erholungsgebiet besser und sicherer zu machen. Ordnungsamt und Brandschutz zum Beispiel. Manchmal auch das Gesundheitsamt. Wir sitzen schließlich im selben Boot! Für Tourismus und Kultur im Landkreis Hildburghausen.
Nur Anka Cohn-Bendit hat das Wort „Zusammenarbeit“ neu definiert: „Wir beide können nicht im selben Boot sitzen“, meinte sie.
Bis zum heutigen Tag gab es am „Bergsee Ratscher“ übrigens 0 (NULL) Infektionen mit dem neuartigen Corona-Virus.
Der MDR. Ok, lassen wir das.
Thomas Hahn
Schleusingen
Erholungsgebiet “Bergsee Ratscher“
PS: Meine Gedanken wurden aufgeschrieben von meinem Freund und Kollegen Frank Fischer.
Foto: Südthüringer Rundschau
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