REGIOMED-KLINIKEN GmbH prognostizieren für ihre Einrichtungen eine Deckungslücke von ca. 18 Millionen Euro Liquidität
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) klappt den Rettungsschirm zu und gewinnt den Bürokratie-Oscar
Coburg. Mit dem „COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz“ hatte der Gesetzgeber Ende März 2020 den Krankenhäusern einen finanziellen Ausgleich für das Freihalten von Betten zugesprochen. Das Verschieben planbarer Operationen und der Aufbau zusätzlicher Intensivkapazitäten sollte den Krankenhäusern Luft verschaffen, sich auf die Versorgung von SARS-CoV-2 Patienten zu konzentrieren und Infektionsrisiken zu reduzieren.
Die Bundesregierung klappt mit einem jetzt bekannt gewordenen Referentenentwurf offenbar den „Rettungsschirm“ für die Krankenhäuser zu. Die Koalition plant demzufolge, die Ausgleichszahlungen zunächst nur noch um 14 Tage zu verlängern und erwartet dabei nicht, dass die Zahlungen über den 15. Juni hinaus verlängert werden: „Eine darüber hinausgehende weitere Verlängerung wird aufgrund der Entwicklung des Infektionsgeschehens nach derzeitigem Stand nicht erforderlich werden“, heißt es in der Verordnung.
Die Wahrheit ist: Krankenhäuser laufen derzeit und absehbar keineswegs im Normalbetrieb. Auch wenn sich die derzeitige Entwicklung sinkender Infektionszahlen entlastend für die Krankenhäuser auswirkt, ist die Pandemie mitnichten vorbei. Der Impfschutz der Bevölkerung ist noch nicht ausreichend, und die Auswirkungen der Mutationen sind kaum abschätzbar. Gerade in der Region in der die REGIOMED-KLINIKEN GmbH die medizinische Versorgung verantworten sind die Infektionszahlen mit Inzidenzen >100 in Thüringen noch sehr hoch. „Daher steht außer Frage, dass die Krankenhäuser eine Absicherung ihrer Budgets Liquiditätshilfen über Ausgleichszahlungen erhalten müssen um die Versorgung aufrecht zu erhalten“, so der Hauptgeschäftsführer Alexander Schmidtke.
Die REGIOMED Kliniken erhielten bis zum 30. Mai 2021 gut 14,5 Millionen Euro an Ausgleichzahlungen, bis 15. Juni 2021 werden noch ca. 1 Million Euro erwartet. Pro Tag erhalten die Klinikstandorte (außer Neustadt) ca. 92.000 Euro, pro Monat ca. 2,8 Millionen Euro. Auf das Jahr hochgerechnet sind dies prognostiziert etwa 34 Millionen Euro. „Somit fehlen unserem Klinikverbund bis Ende 2021 ca. 18 Millionen Euro an Liquidität“, rechnet Schmidtke vor.
Der Rückgang der stationären Patienten beläuft sich auf knapp 7.000 Patienten. Von Januar bis Mai waren in den Kliniken der REGIOMED Kliniken in 2019 27.609 Patienten, während in der gleichen Zeit in 2021 nur 20.772 Patienten stationär versorgt wurden. Dies entspricht einem Rückgang von 25 Prozent. Aus Sicht des Hauptgeschäftsführers Schmidtke hängt das mit den hohen Inzidenzwerten in der Region während der Pandemie zusammen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass die stationären Patientenzahlen kurzfristig (2021/2022) wieder auf das Niveau von 2019 ansteigen werden. Fazit ist: Es entsteht eine erhebliche Deckungslücke, denen der REGIOMED Konzern selbst nur mit massiven Strukturveränderungen und Kostenreduzierungen entgegentreten kann. Die wirtschaftlichen Folgen und Konsequenzen treffen in der Regel besonders die kleinen Krankenhäuser.
In dieser ohnehin schwierigen Lage ereilte die bundesdeutschen Kliniken letzte Woche eine weitere Hiobsbotschaft: Trotz Pandemie belastet zusätzliche Kontrollbürokratie die Mitarbeiter der Kliniken und gefährdet die Versorgung. Statt die Krankenhäuser etwas zur Ruhe kommen zu lassen, um die dringend notwendige Konsolidierung der Strukturen und den Übergang in den Normalbetrieb zu unterstützen, schaltet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die sogenannten Strukturprüfungen des Medizinischen Dienstes für erlösrelevante Leistungen scharf. Die nun veröffentlichten mehrere hundert Seiten starken Prüfungs- und Begutachtungsrichtlinien überfordern Kliniken und den Medizinischen Dienst selbst. Das ursprünglich verfolgte Ziel des Bürokratieabbaus verkehrt sich einmal mehr ins Gegenteil: Das BMG gewinnt erneut den Bürokratie-Oscar. Nach monatelanger Prüfung im BMG, Zeit die den Kliniken für die Vorbereitung verloren gegangen ist, stellt sich jetzt heraus, dass weitere Verschärfungen eingebaut worden sind. Die Kliniken müssen nun zur Einhaltung der vorgegebenen Fristen innerhalb von vier Wochen Aktenordner voller Belege und Nachweise zusammenstellen. Die dringende Bitte um Aufschub wurde ebenso ignoriert wie zahlreiche inhaltliche Änderungsvorschläge.
Scheitern Kliniken an dieser ungerechtfertigten Nachweislast, bedeutet das für bereits lang etablierte Abteilungen hohe Einnahmeausfälle. Dies kann auch Abteilungen treffen, die ihre Strukturen, Prozesse und Qualität gut im Griff haben wie zum Beispiel die Geriatrie, die Schlaganfallversorgung oder die Intensivmedizin. Die Folge wegbrechender Erlöse sind absehbar zahlreiche Gerichtsverfahren und die Gefährdung der Patientenversorgung.
Das BMG zeigt mit seiner Unerbittlichkeit erneut, dass es nicht um Versorgungs- und Qualitätssicherung geht. Vielmehr hat das Ministerium ein weiteres Instrument zum Abbau von Kapazitäten mit dem Rasenmäher gefunden.
Alexander Schmidtke verärgert: „Der Zeitpunkt hätte nicht schlechter gewählt werden können. Was treibt das BMG, die Kliniken so unter Druck zu setzen. Statt diesen neuen bürokratischen Auswuchs auszusetzen, wurde er sogar noch verschärft. Wir können unseren Beschäftigten nicht noch mehr Verwaltungs- und Nachweisarbeit zumuten. Hier muss der Gesetzgeber endlich eingreifen. Die radikale Entbürokratisierung gehört zu den dringendsten Aufgaben einer neuen Krankenhauspolitik!“.
Foto: Südthüringer Rundschau