Venedig am Rennsteig oder solide Tourismusfinanzierung in Masserberg
Leserbrief. Sehr viel Aufregung und berechtigter Protest gegen eine Erhöhung der Kurtaxe innerhalb von 3 Tagen von 0,60 Euro auf die stattliche Höhe von 3 Euro. Die Höhe der Kurtaxe verbindet auf einzigartige Weise Venedig mit Masserberg. Die Stadt in Italien mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten will ab Mai 3 Euro Kurtaxe, Masserberg seit dem 1. März. Der Gemeinderat konnte nicht anders abstimmen, viel zu kurz war die Zeit. Ohne diesen Beschluss wäre ein Einstieg von REGIOMED nicht möglich gewesen. Die Gemeinde hätte nicht rückzahlbare 27 Millionen Euro Schulden ab März gehabt. Auch die für einige „Heilbringende“ Fusion mit Schleusegrund hätte das Problem nicht gelöst.
Der Fehler aber liegt wieder einmal in der Vergangenheit. Trotz der immer angespannten Haushaltssituation der Gemeinde Masserberg hat man nie versucht bzw. wollte nicht versuchen, gerade im Bereich Tourismus Einnahmen zu generieren, die die Gemeinde von ihrem einzigen Standbein leben lassen kann, was bedeuten muss, dass auch in der Endkonsequenz die Infrastruktur der Kur- und Erholungsorte ein einladendes Bild bietet.
Die Gründe mögen vielfältig sein: eingefahrene „Strukturen“, die man nicht stören wollte, das Wissen um immer wieder fließende Finanzhilfen aus Steuergeldern oder die Weigerung, neue Wege zu gehen… Die Fraktion BI-OW hat neben anderen Haushaltsstellen die Finanzierung der touristischen Aufgaben immer wieder hinterfragt, Vorschläge eingebracht und seit 2016 darauf gesetzt, dass im Rahmen der neuen Tourismuskonzeption alles auf den Prüfstand kommt und man mit zukunftsorientiertem Blick auf die Dinge auch solide Finanzierungsgrundlagen erstellt.
Im Moment scheint es so, dass man nicht aus Fehlern der Vergangenheit lernen will und einzig die Leuchtturmstrategie verfolgt -koste es, was es wolle. Der Haushalt kann (scheinbar) durch die hohe Kurtaxe konsolidiert werden – in unseren Augen eine Fehleinschätzung, ohne in die Zukunft zu denken. Denn in 2020 muss die Beteiligung am Rennsteigticket und die neu zu etablierende Tourismusgesellschaft finanziert werden, was wiederum Haushaltslöcher entstehen lässt. Die von Fraktion BI-OW vorgeschlagenen Finanzierungsmodelle – bisher undiskutiert – enthalten Möglichkeiten, den Tourismus auf finanziell solide Füße zu stellen: Die rechtliche Grundlage für kommunale Einnahmen im Tourismus regelt das Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG).
Der bisher von der Gemeinde nur bei Übernachtungsgästen angewandte Paragraf 9 (Kurbeitrag) legt nur fest, welche Gemeinden wofür einen Kurbeitrag erheben darf, wobei die Höhe nach Bedarf durch den Gemeinderat bestimmt wird. Tagesgäste, deren Zahl (aus statistischer Sicht) etwa so hoch ist wie die Anzahl der Übernachtungen, können die Angebote wie Parkplätze, Wanderwege; Loipen kostenlos nutzen – oft lassen die Tagesgäste nicht einmal Umsätze bei gastronomischen Betrieben in der Region.
Ein kleiner Obolus in Form eines Tagestickets, den diese Gäste entrichten sollten, kann der Kommune Umsätze generieren, die bei 1.400 vorhandenen Stellflächen in allen Ortsteilen eine gute Einnahmequelle sichern. Bisher belaufen sich die Einnahmen für die Gemeinde auf lediglich einen Euro pro Jahr (siehe unten). Die Gemeinde muss aber dafür Parkplätze räumen, Loipen, Wege, Bänke usw. unterhalten. Ein „touristisches Tagesticket“ könnte all das enthalten. Für Inhaber einer gültigen Kurkarte wäre Parken weiter frei. Wichtig wäre aber unbedingt die Kontrolle.
Eine weitere, bisher unbeachtete Einnahmequelle regelt ebenfalls das ThürKAG. Paragraf 9 nutzt man, Paragraf 8 regelt den sogenannten Tourismusbeitrag und das auch noch erstaunlich präzise. Zunächst ist geregelt, dass Masserberg zu den Gemeinden gehört, die diesen Beitrag erheben dürfen. Beitragspflichtig sind alle in der Gemeinde selbstständig tätigen Personen und Unternehmen, denen durch den Tourismus wirtschaftliche Vorteile erwachsen. Absatz 2 regelt noch präziser: „Die Abgabe bemisst sich nach dem besonderen wirtschaftlichen Vorteil, die dem einzelnen Abgabenpflichtigen aus dem Fremdenverkehr erwachsen.“ Objekte, auf die dieser Sachverhalt zutrifft, existieren in der Gemeinde, die allerdings bisher nicht mit einer solchen Abgabe belegt wurden: Zwei Skilifte, die mit mindestens 90 % von der Gemeinde finanziert wurden. Der Eigenanteil der Pächter betrug 10%. Deren Pacht deckt im Moment gerade die Kosten der Gemeinde(?). Obwohl die Anlagen der Gemeinde gehören, generiert die Gemeinde keine Erlöse. Ob das damit zusammenhängt, wer Pächter ist, mag jeder Leser für sich entscheiden, wobei die Qualität der Arbeit an den Liften hier nicht in Frage steht!
Ein weiteres wirtschaftlich genutztes Objekt ist der 1 Hektar große Parkplatz am Rennsteighaus im OT Masserberg. Das Rennsteighaus , bezahlt von der öffentlichen Hand erhöht die Attraktivität dieses Ortes und gleichzeitig die Kosten der Kommune (Betriebskosten, Beleuchtung Parkplatz). Erlös für die Kommune: 1 Euro pro Jahr. Pacht (Zum Vergleich – ein Urnengrab mit einem Quadratmeter kostet 30 Euro im Jahr – der Parkplatz ist 10.000 mal größer). Kein Vorwurf an den Pächter! Der Gemeinderat hat in den 1990er Jahren dazu einen Beschluss gefasst, weil der Pächter die Kosten für die bauliche Instandsetzung des Platzes übernahm. Dass sich die Baukosten in kürzester Zeit amortisiert haben, hätte der Gemeinderat damals überschauen und eine vernünftige Laufzeit eines solchen Vertrages festlegen müssen – Fehler der Vergangenheit, die uns heute auf die Füße fallen…
Ein von BI-OW vorgeschlagener Tourismusbeitrag für solche Objekte gestaffelt nach der Höhe des Eigenanteils und des wirtschaftlichen Vorteils könnte eine weitere Lösung sein, um auch hier Einnahmen für die Gemeinde zu generieren – wenn man will.
Ein Zitat des Bürgermeisters aus dem „Thüringen Journal“ zur Diskussion zur Erhöhung des Kurbeitrages auf 3 Euro: „Man darf nicht nur fordern, man muss auch mal geben!“ Nach dieser öffentlichen Aussage, sollte gerade er als einer der Pächter mit gutem Beispiel vorangehen (?).
Alle aufgezeigten Potenziale nutzend, könnte die Kurtaxe von 2 Euro / Übernachtung möglich und ausreichend sein. Die Gesamtheit der Einnahmen können entstehende Kosten decken und realistisch Überschüsse erzielen, die eine deutliche Qualitätssteigerung bei der Durchführung der kommunalen Arbeiten z. B. der Pflege der Wanderwege erwarten lassen. Aber auch die (Teil-) Finanzierung von Angeboten (z. B. regelmäßige Veranstaltungen in allen Ortsteilen), aber auch ein ortsverbindendes Shuttle- System kann und muss für die Gäste geleistet werden. Sicher ist, dass nur vorausschauende Planung von wiederkehrenden Einnahmen auf lange Sicht gewährleistet, dass die Gemeinde Masserberg tatsächlich einmal vom Tourismus leben kann. Dann wird es auch möglich sein, dass die Gäste der Region gerne (wieder)kommen, weil neben der tollen Natur die von der Kommune finanzierbaren Angebote und die Orte selbst attraktiv sind.
Bei allen Überlegungen zu Haushaltspotenzialen darf eins nicht passieren, nämlich dass Haushaltslöcher auf Kosten der Kinder gestopft werden. Ein neuer Kindergarten erzeugt sowohl in der Innen- als auch in der Außenwirkung Attraktivität und darf nicht vermeintlichen Sparmaßnahmen geopfert werden.
Hartmud Gießler
Almut Hopf
Bürgerinitiative OBERER WALD
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