Stürmischer Frühling 1945
Hellingen. Ab Mitte März 1945 waren im südlichen Thüringer Raum immer wieder Kanonenschüsse der nahenden Front zu hören. Der Volkssturm und die Schulkinder wurden zur Verteidigung der Heimat aufgerufen. Vorführungen zur Handhabung von Panzerfäusten und ähnlichen Waffen wurden durchgeführt.
Versprengte deutsche Soldaten waren unterwegs. Acht deutsche Königstiger-Panzer fuhren in Richtung Front. Auf den Hauptstraßen zu Bayern wurden Sperren errichtet und die Straßen aufgegraben. So auch in Hellingen die Straße nach Maroldsweisach.
Am 8. April 1945 überschritten dann aber die Amerikaner die thüringisch-bayerische Grenze auf einer Ortsverbindungsstraße zwischen Zimmerau und Rieth. In Hellingen schlugen an diesem Tag zwei Granaten ein. Die Bürger hatten sich in den Kellern versschanzt. Gegen Abend verkündete ein SA-Mann: „Alles geht nach Hause, die Ami´s kommen erst morgen, und alle haben in ihren Häusern zu bleiben.
Am 9. April 1945 gegen 9 Uhr erreichten die amerikanischen Truppen Hellingen. Vorneweg ein Jeep mit der amerikanischen Flagge. Neben dem Fahrer saß ein hochgradiger Offizier und dahinter standen zwei Soldaten mit MG im Anschlag. Nachfolgend kamen jede Menge Militärfahrzeuge. Es fiel kein Schuss und es wurde niemand belästigt. Nachher konnte man erfahren, dass weiße Fahnen am Schloss und an der Mühle gehisst wurden.
Die Amerikaner besetzten das Dorf und einige Bauern mussten dafür ihre Häuser räumen. Das Schloss wurde zur Kommandantur, wie später auch bei den Sowjets. Alle Fotoapparate, Ferngläser und Waffen wurden eingezogen. Am 12. und 13. April 1945 zogen große amerikanische Truppenverbände mit aller Art Fahrzeugen wie Panzerspähwagen, LKW, Jeeps und Amphibienfahrzeuge durch den Ort. Staunend standen die Kinder am Straßenrand und bekamen von den Soldaten Süßigkeiten zugeworfen. Viele sahen in ihrem Leben zum ersten Mal Kaugummi und dunkelhäutige Soldaten.
Vom 9. bis zum 14. April 1945 war Ausgangssperre. Ab 16. April durften die Bauern wieder auf ihre Felder. Es herrschte große Not im Dorf, es fehlte an Allem. Streichhölzer und Zigaretten wurden stückweise verkauft. Schmuggler und Strauchdiebe trieben ihr Unwesen, sie boten Schnaps, Zigaretten, Feuerzeuge und deren Zubehör zu horrenden Preisen an.
Als im Juli die Sowjetarmee einzog, wurde es nicht besser, im Gegenteil, die Bauern mussten auch Lebensmittel abgeben und die Grenze nach Bayern wurde dicht gemacht. Die Einwohner mussten für die Besatzer an der Grenze Blockhäuser errichten und einen 30 m breiten Streifen entlang der Zonengrenze durch den Wald schlagen. Es häuften sich Einbrüche in Vorratsräume, Keller und sogar auch in Bienenhäuser. Ob es immer die Sowjetischen Soldaten waren, wie vermutet, konnte niemand feststellen.
Lothar Götz
Streufdorf
Titelbild: Das Hellinger Schloss. Foto: Lothar Götz