Trachtenkirmes in Heßberg
Heßberg. Eine alte Tradition in Heßberg ist die Trachtenkirmes, welche tatsächlich schon seit Jahrhunderten gefeiert wird. Dr. Armin Human schrieb 1878 hierzu:
„Wird die Kirmes mit einem sogenannten Plan gefeiert, so ziehen die mit bunten Tüchern und Sträußen geschmückten Planburschen von 16 bis 20 Jahren mit gleichaltrigen Mädchen vormittags mit Musik zur Kirche, nachmittags um 1.00 Uhr zum Plan. An den mit Kränzen geschmückten und an der Spitze bebänderten Planbaum hinter der Kirche wird dann eine halbe Stunde getanzt und von jedem eine kurze humoristische Ansprache gehalten, auch auf die Gesundheit der Ortsbeamten wird ein Gruß ausgebracht. Am anderen Tag bringt die sogenannte Kirmespredigt die launigen Unfälle des Jahres zum Besten.“ Wir können schon stolz sein, dass bei uns die Trachtenkirmes über die Jahrhunderte erhalten blieb. Das Aussehen der heutigen Tracht geht zurück auf die Bekleidung der vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung des 15. bis 19. Jahrhundert.
Der Rock aus schwarzem oder dunkelgrünem Tuch war vom Bund bis zum Saum in fest eingepressten engen Falten gelegt. Ein- oder zweifacher Besatz von hellgrünem Band brachte ihm die Bezeichnung „Bandrock“ ein. Innen war der Saum mit rotem Stoff ausgeschlagen. Dieser rote „Stoß“ sowie die weißen, mit Nähspitze verzierten Unterröcke, kamen besonders beim Tanzen zur Geltung, wenn die Röcke in weitem Bogen um die Beine der Tänzerinnen schwangen.
Darunter zog man ein weißleinenes Ärmelhemd. Die Schürzen waren und sind ein besonderes Putzstück. So gilt in Heßberg, dass zum Kirmesgottesdienst eine schwarze mit Stickereien und Perlen verzierte Schürze getragen wird. Am Samstagnachmittag ist die rote Schürze, rote Bänder und ein rotes Kränzchen Pflicht. Am Sonntag werden blaue Schürzen, Bänder und Kränze getragen, an den jeweiligen Abenden wird die weiße Schürze angelegt. Ein Tuch über dem Mieder macht die Tracht komplett.
Die Kirmesburschen tragen beim Umzug zur Kirche und am Plan einen schwarzen Frack (s. g. Schöß) sowie einen mit Blumen und buntem Tuch geschmückten Zylinder. Diese Zylinder werden von den Mädchen geputzt. Auch der „Gießerträger“, welcher die Gesellschaft beim Umzug anführt, ist nicht zu vergessen. Er trägt eine schwarze Hose, weißes Hemd sowie eine mit einem Sträußchen geschmückte weiße Schürze. Der blumenverzierte Gießer enthält das Bier, welches zu den Sprüchen am Plan den Plotzern und Plotzerinnen gereicht wird.
Die Tanzveranstaltungen werden mit den drei Pflichttänzen Walzer, Rheinländer und Hopser eröffnet. Beim abendlichen Tanz ist die Kirmesgesellschaft verpflichtet, alle Ehepaare des Ortes zu einer Extratour aufzufordern. Es darf möglichst niemand vergessen werden, da dies als Beleidigung aufgefasst wird. Nach der Extratour führt das Mädchen ihren Tänzer zur Kirmeskasse, wo er bezahlen darf.
Auch die Ständchen für den Ort sind eine wichtige Angelegenheit. Mit der Musikkapelle zieht die Kirmesgesellschaft von Haus zu Haus. Die Plotzer gehen dann zu jeder Familie und kassieren ab. Um die Gesellschaft bei Laune und Kräften zu halten gibt es unterwegs belegte Brote, Bier und Schnaps (das hatte mitunter auch fatale Folgen).
Am Sonntag gegen 22 Uhr ist mit dem Verlesen der Kirmespredigt ein weiterer Höhepunkt erreicht. Hier werden die Missgeschicke mancher Dorfbewohner aus dem letzten Jahr genüsslich zum Besten gegeben. Damit ist die Kirmes aber noch nicht beendet.
Seit 1966 wird am Montag der „Blaue Bock“ als feuchtfröhlicher Frühschoppen mit Eisbeinessen und lustigen Programmen gefeiert. Dieser Frühschoppen, welcher oftmals erst in den frühen Abendstunden endet, beschließt dann die Kirmes.
Die Kirmes wurde immer im Saal des Heßberger Wirtshauses gefeiert, letztmals 1995. Kein Wirt, der Saal marode und das Gebäude zum Verkauf gestellt – also entschlossen wir uns 1996, die Kirmes ins Festzelt am Sportplatz zu verlegen. Das war schon ein Wagnis für uns, denn die Kosten einer solchen Zeltkirmes sind immens. Die Vereine haben die Verantwortung übernommen und wir können rückblickend sagen, dass sich das Wagnis gelohnt hat.
Seit einigen Jahren gibt es bei uns auch eine Kinderkirmes. Ursprünglich entwickelte sich in Heßberg die Kinderkirmes aus einer Projektarbeit der damals noch vorhandenen Grundschule. Die Initiatoren waren die Lehrerinnen und Hortnerinnen der Schule, allen voran Hannelore Dietz und Ilona Söffler. Viele Jahre betreuten sie die Kinder und studierten die Pflichttänze mit ihnen ein. In den letzten Jahren haben Katja Fischer und Kathrin Witter dies übernommen und weitergeführt. Aufgrund der guten Resonanz feierten wir viele Male die Kinderkirmes separat, bis die Kinder bei den Großen im Zelt mitfeiern konnten.
Bis zum August 2017: Die Werrabrücke, welche zum Sportplatz und somit zum Kirmeszelt führt, ist durch das letzte Hochwasser so beschädigt, dass diese für jeden Fahrzeugverkehr gesperrt werden musste. Somit war es nicht mehr möglich, dort die Kirmes auszutragen. Eine Krisensitzung wurde einberufen, um Alternativen für einen neuen Standort zu finden. Die Entscheidung war alles andere als einfach, doch bevor die Kirmes komplett ausfällt, entschlossen sich die Vertreter aller Vereine, diese im Gemeindezentrum zu veranstalteten. Nach dem Motto: „Zurück zu den Wurzeln!“
Nur in enger Zusammenarbeit mit allen Vereinen und mit viel Engagement ist das möglich, denn der Aufbau, die Versorgung usw. wird von den Mitgliedern aller Vereine gestemmt.
So auch dieses Jahr wieder, wenn es heißt: 13, 14, Kirmes!
Roswitha Kirchner und Diana Söffler
Foto: Kirmesgesellschaft Heßberg