Viel Wind um die Windräder im Wald
Schleusingen. Am Mittwoch, dem 2. Oktober 2019 standen alle Zeichen auf Gegenwind. Die Bürgerinitiative „Gegenwind im Kleinen Thüringer Wald“ hatte zur Podiumsdiskussion eingeladen. Das Thema war „Windkraft im Wald“ – hier besonders relevant, da die Region mit zwei geplanten Windvorranggebieten (W6/W7) betroffen ist. Vertreter aller Parteien, welche eine Chance auf den Einzug in den Landtag haben, stellten sich den Fragen. Über 200 interessierte Bürger füllten den Saal des Schleusinger Reha-Zentrums.
An diesem Abend sollte es weniger um den Klimawandel gehen, denn dieser ist in den Augen der Veranstalter wie auch der Podiumsgäste unstrittig. Es sollte die Frage geklärt werden, ob Windräder im Wald tatsächlich eine clevere Lösung zur Erreichung der Klimaziele sind.
Zu Beginn der Veranstaltung überbrachte Tobias Gruber von der Bürgerinitiative „ProHolzlandwald e.V.“ ein Grußwort und einen kleinen Abriss der Aktivitäten in St. Gangloff. Die Bürgerinitiativen sind vernetzt und tauschen sich aus. Auch das sollte wohl den Vertretern der einzelnen Parteien sowie den Bürgern im Saal vor Augen geführt werden.
Ein kurzer Film sollte den Gästen die Tragweite der drohenden Naturzerstörung durch die Windräder aufzeigen. Darüber hinaus enthielt der Film Statements der Spitzenkandidaten von CDU, AfD und Die Linke. Während sich Erstgenannte den Fragen stellten, stand der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow leider nicht für ein Interview zur Verfügung.
„Alternative Energiegewinnung ist unsinnig, wenn sie genau das zerstört, was man eigentlich durch sie bewahren will: DIE NATUR.“ – Reinhold Messner
Es folgten diskussionsreiche zweieinhalb Stunden, die so kurz vor der Landtagswahl natürlich auch zum Wahlkampf genutzt wurden. Die Parteien sollten schließlich ihre Positionen darlegen, damit die Wähler sich ein Bild machen können.
Die erste Frage ging an Claudia Scheerschmidt (SPD). Sie sollte erklären, ob ihre Partei die „Enteignung durch die Hintertür“, welche den Anrainerhäusern durch den massiven Wertverlust droht, billigend in Kauf nimmt. „Nein, natürlich nehmen wir das nicht billigend in Kauf“, so Scheerschmidt. Ihre Partei habe ihres Wissens auch keine Priorisierung der Windkraft im Wahlprogramm. Im Hinblick auf die Tourismusförderung seien Windräder auch nicht optimal, merkte sie an.
Auf die Frage, warum das Produkthaftungsgesetz, welches die Unversehrtheit von Mensch, Tier und Umwelt garantieren soll, nicht bei Windräder greift, gab es umfangreiche Ausführungen von Steffen Harzer (Die Linke). Er gab zu bedenken, dass es umfangreiche Dokumentationspflichten und Anforderungen zu erfüllen gilt, bevor so ein Windrad in Betrieb geht. Auf die Nachfrage, wie es mit den Themen zu Infraschall-Belastungen und den daraus resultierenden Krankheitsbildern stünde, hielt er mit diversen Studien und Gutachten dagegen. Einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Windrädern und Erkrankungen gäbe es derzeit nicht. Ein lautes Rumoren ging durch den Saal. Einige Gäste quittierten seine Ausführungen mit Zwischenrufen.
Matthias Schlegel (Bündnis90/Die Grünen) sollte sich zu einem Facebook-Post äußern, welchen er unter die Idee von Umweltministerin Siegesmund schrieb. Siegesmund möchte insbesondere die durch Dürre und Käfer geschädigten Wälder als Windvorranggebiete prüfen. Schlegel antwortete am 27. September 2019 auf den Kommentar eines Dorfbewohners: „Das Gute am Wald ist ja, dass er meist weit weg vom Dorf ist.“
Nicht nur im sozialen Netzwerk, auch im Saal zog er damit einigen Unmut auf sich. Auf Nachfrage von Hendrik Frühauf, der die Abstandsflächenregelung in Thüringen bemängelte, versuchte Schlegel zu beschwichtigen. Wenn die Windräder im Wald stünden, wäre die Belastung der Dorfbewohner deutlich geringer als direkt neben dem Dorf.
Daraufhin meldete sich Thomas Heßland zu Wort, der nicht nur Vorsitzender des Thüringer Landesverbandes Energiewende mit Vernunft e.V. ist, sondern auch Physiker und betroffener Windrad-Nachbar. Er selbst lebt drei Kilometer von einem Windpark entfernt. Auch wenn er die Windräder nicht sieht – hören muss er sie Tag und Nacht. Schallemissionen breiten sich nun einmal aus und belasten die Menschen über eine Distanz weit über die 750-1.000 Meter Abstandsfläche hinaus.
Auf die Frage, ob die CDU – wenn sie in Regierungsverantwortung kommen sollte – in der Koalition mit den Grünen den Wald „opfern“ würde, gab Stefan Gruhner (CDU) das klare Versprechen, dass genau dies nicht geschehen würde. Die CDU werde, so sie regieren darf, das Thüringer Waldgesetz überarbeiten und die Windkraft im Wald ausdrücklich untersagen. „Windkraft muss mit Maß und Mitte genutzt werden und nur dort, wo auch tatsächlich Wind weht,“ so Gruhner. Thüringen als waldreiche Mittelgebirgsregion sei seiner Meinung nach alles andere als prädestiniert für diese Art der Energieerzeugung.
Gerald Ullrich (FDP) bemängelte auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit des EEG als Anreiz- und Lenkungsinstrument, dass die Umstellung der Nutzung auf erneuerbare statt fossiler Energieträger aktuell auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger ausgetragen wird. Auch sei die Nutzung der erneuerbaren Energien ohne ausreichende Speichermöglichkeiten nicht zielführend. In so genannten Dunkelflauten könne ohne redundante Energieerzeugung die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet werden. Ullrich stellt in Frage, warum die Politik überhaupt eine Technologie zur Erreichung von Klimazielen vorschreiben will. Dafür sei ein Politiker seines Erachtens gar nicht kompetent genug. Die Liberalen fordern deshalb, dass die Erreichung der gesetzten Klimaziele technologieoffen und vor allem durch Fachleute und Ingenieure getrieben wird.
Die AfD ist bekannt dafür, an allem und jedem Kritik zu üben. So musste Stefan Möller (AfD) sich dazu äußern, ob er und seine Partei neben der Kritik gegenüber der Windkraft an sich, auch praktikable Lösungen anbieten kann. Hier sprach Möller die Nutzung von Gas-Kraftwerken und auch die weitere Forschung an Kernfusions-Reaktoren (Wendelstein7-X) an. „Windräder, egal ob im Wald oder andernorts, sind ökologischer und ökonomischer Unsinn“, so Möller. Sollte seine Partei in Regierungsverantwortung kommen, würden sie durch hohe Auflagen und Abgaben den Standort Thüringen für Windkraft-Investoren maximal unattraktiv machen.
Es gab viele Wortmeldungen der Bürger. Einige äußerten ihren Unmut gegenüber den Regierungsparteien, die offensichtlich am Bürger vorbei regierten und die Bürger unter Generalverdacht der Umweltsünder stellen. Ein Gast gab zu bedenken, dass der Wald der größte CO2-Speicher sei, den wir haben. Es brauche folglich mehr Wald – nicht mehr Windräder, um das Klima zu retten. Henry Worm (ebenfalls CDU-Kandidat) brachte den Vorschlag, ein unabhängiges und vor allem aktuelles Gutachten zum Thema „Infraschall“ erstellen zu lassen. Dann wüssten alle, woran sie sind und Diskussionen mit Halbwahrheiten erübrigten sich.
Auch stand die Frage im Raum, warum ausgerechnet der ländliche Raum für den Energiehunger der Städte herhalten solle.
Die Stimmung im Saal war durchaus aufgeladen.
Windräder im Wald polarisieren – das Podium wie auch das Publikum. Während CDU, FDP und AfD eine ablehnende Haltung hatten, wollten sich die Parteien der aktuellen RRG-Regierung nicht gänzlich dagegen aussprechen.
Ob „Windkraft im Wald“ tatsächlich ein cleverer Ansatz zur Klimarettung ist, blieb an diesem Abend leider offen.
Klarer wurde einzig die Haltung der einzelnen Parteivertreter zu diesem Thema, aber so kurz vor der Landtagswahl ist Orientierung in Sachfragen ja nicht das Schlechteste.
Foto: Claudia Tröstrum / Creativ Foto & Design