Werner Bergmann: Namensgeber des verwahrlosten städtischen Stadions
Leserbrief. Werner Bergmann ist heute, abgesehen von einer Würdigung in www.schildburghausen.de, in der Region bestenfalls noch den Älteren bekannt. Der Werdauer wurde mit 11 Jahren, 1923, Mitglied des Arbeitersportvereins Zwickau und begann dort, Fußball zu spielen. Bei der HORCH-WERKEN, dem führenden Hersteller von Luxusautomobilen, schloss er eine Lehre zum Automechaniker ab und wurde „Einfahrer im Kundendienst“. Ein Familienfoto zeigt ihn in einem Silberpfeil ähnlichen Rennwagen mit dem Symbol der AUTO-UNION sitzend. Die Boliden wurden in Zwickau entwickelt, gefertigt und erfolgreich bei Grand-Prix-Rennen eingesetzt.
1940 arbeitete Bergmann bei der AUTO-UNION in Düsseldorf. Im zweiten Weltkrieg leistete er seinen Wehrdienst in Norwegen ab. Nach der britischen Gefangenschaft trat er in die Deutsche Volkspolizei in der sowjetisch besetzten Zone ein und wurde an der Demarkationslinie zwischen Bayern und Thüringen mit Sitz in Heldburg Kommandoleiter. Die Liebe zur Handballerin Anita Hochrein von der „BSG Aufbau“ brachte den geschiedenen 12 Jahre älteren Mann nach Häselrieth, wo sie fortan mit ihrer Tochter Petra lebten. Für seine Frau war das damals nicht ganz einfach. Sie wurde im Dorf oft gehänselt: „Wie kusste so an olden Mu geheirot!“.
Ab 1952 leitete Werner Bergmann die „Gesellschaft für Sport und Technik“ in Hildburghausen. Dies war eine paramilitärische Massenorganisation in der DDR für technische Sportarten wie z. B. Schießen, Tauchen, Motorsport. In Hildburghausen gab es zum Beispiel Schüler-Arbeitsgemeinschaften für Schiffs- und Flugmodellbau.
Fußball-Schiedsrichter
Wie und wann der humorvolle und vitale Mann mit dem Fußball-Schiedsrichterwesen erstmals in Berührung kam, ist unbekannt. Auch die Institution, in der er ausgebildet wurde. Jedenfalls begann seine Oberliga-Karriere in der Saison 1953/54, in der ihm die Verantwortung für drei erste Spiele übertragen wurde. 1957 wählte man ihn zum ersten Kreisvorsitzenden des neu gegründeten „Deutschen Turn- und Sportbundes“, der Sport- Dachorganisation der DDR. Zugleich pfiff er in den folgenden Jahren in den beiden höchsten Spielklassen des Deutschen Fußball-Verbandes, in der Oberliga 125 Punkt- und Pokalspiele und einige in der ersten Liga. Von 1958 – 1960 leitete er gleich drei Pokalfinale hintereinander und hatte damit den Gipfel seiner inländischen Karriere schon nach wenigen Jahren erklommen.
Ob seiner konsequenten Regelauslegung war er höchst respektiert, von manchen sogar gefürchtet. Seine rote Karte, die es seinerzeit noch gar nicht gab, saß locker. 1962 etwa ließ er das Fußball-Idol Peter Ducke beim Pokalspiel gegen den FC Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) nicht auflaufen, da der sein DTSB-Mitgliedsbuch vergessen hatte. Carl Zeiss Jena schied aus und für Bergmann war es ratsam, die Stadt künftig weiträumig zu umfahren.
FIFA-Schiedsrichter
Aufgrund seiner herausragenden Spielleitungen wurde er als erster DDR-Schiedsrichter von der FIFA nominiert, in die die DDR 1952 aufgenommen worden war. Zu seinem ersten Länderspiel reiste er im Mai 1959 nach Oslo und pfiff vor 22.000 Zuschauern in der Hinrunde die EM-Qualifikation Norwegen gegen Österreich (0:1). Es folgten Polen – Finnland, 1960 CSSR – Niederlande und Ungarn – Polen, 1962 Schweden -Norwegen und 1963 Polen – Rumänien.
Wie seine Witwe berichtete, hatte sie in der Spielsaison immer die Aufgabe, seine Sachen zu packen und achtete neben den für ihn so wichtigen Socken besonders darauf, dass keine Medikamente vergessen wurden, denn er litt an Diabetes und anderen üblen Krankheiten. Auf seinem Norwegen–Trip hatte sie sie vergessen, hineinzulegen. Er musste sie sich dort selbst besorgen, denn ohne war er kaum einsatzfähig.
Angst, dass er im „kapitalistischen Ausland“ bleiben würde, hatte sie nie. Er war auch als Referee in anderen internationalen Spielen eingesetzt, damals Europacup der Landesmeister bzw. Pokalsieger genannt. Der Plan, ihn für die Weltmeisterschaft 1962 in Chile zu nominieren, scheiterte leider aus gesundheitlichen Gründen. Auf Werner Bergmann folgten bis 1989 21 weitere FIFA-Schiedsrichter aus der DDR. Der erfolgreichste unter ihnen dürfte Rudi Glöckner aus Markranstädt gewesen sein. Er pfiff 1970 als erster Deutscher bei der Weltmeisterschaft in Mexico das Finale Brasilien gegen Italien (4:1). Im Juni 1963, im Alter von 51 Jahren, leitete Bergmann in Steinach sein letztes Spiel. Quasi-Nachfolger wurden die von ihm geförderten Bernd Trautvetter aus Immelborn und Helmut Bader aus Bremen in der Rhön, der es auf 156 Oberliga- und Pokaleinsätze und einige internationale Spiele brachte.
Namensgeber
1990 wurde die „Sportstätte der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ im Zuge der Wiedereinführung der alt-hergebrachten Namen von Straßen und Plätzen in Würdigung seiner Verdienste in „Werner–Bergmann-Stadion“ umbenannt. In Anbetracht ihres gegenwärtigen Zustandes postum eine Beleidigung des untadeligen Sportsmannes. Die Aufrechterhaltung des Trainings- und Spielbetriebes beim kreisstädtischen FSV steht in Frage, der benachbarte Kunstrasenplatz ist ebenfalls stark reparaturbedürftig. Es soll zu Lasten des Theresienfestes ein zusätzlicher errichtet werden. Nach den neuesten Beschlüssen des Stadtrates sieht es so aus, als stünden chronischer Geldmangel und kleinkarierte parteipolitische Auseinandersetzungen der Zukunft des Stadions im Wege.
Die neben dem einst funktionsfähigen Bad gelegene Sportstätte war Heimstätte eines Nachwuchs-Trainingszentrums für Leichtathletik. Aus ihm gingen der Geher-Weltmeister Ronald Weigel und einer der weltbesten Mittelstreckler seiner Zeit, Jürgen Straub aus Weitersroda, hervor. Hier wurden Schul-, Kreis-, Bezirksmeisterschaften und Spartakiaden ausgetragen. Heute hat sich die Natur die Anlagen zurückerobert und niemand hindert sie daran.
Dr. Klaus Swieczkowski
Hildburghausen
(Leserbriefe spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider. Um die Meinung der Leser nicht zu verfälschen, werden Leserbriefe nicht zensiert und gekürzt. Mit der Einsendung geben Sie uns automatisch die Erlaubnis, Ihren Leserbrief in unserem Medium abzudrucken und online auf unserer Internetseite zu veröffentlichen.)
Fotos: Privat